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Ein Stück Afrika als Schweizer Welterbe

Keystone

Seit 2003 steht der Monte San Giorgio auf der Unesco-Welterbe-Liste. Er birgt einen einmaligen Schatz an Fossilien aus der Trias-Zeit. Seit kurzem bemüht sich eine Stiftung darum, dieses Welterbe bekannter zu machen.

Klassischer Ausgangspunkt zur Erkundung des Monte San Giorgio im Südtessin (1079 Meter ü.M.) ist das Dörfchen Meride. Es liegt malerisch auf einer Sonnenterasse. Die 300-Seelen-Gemeinde ist gut erhalten, die Verzierungen durch Stuckateure an einigen Häusern ziehen Besucher immer wieder in den Bann.

Am Eingang zum winzigen Fossilienmuseum beim Gemeindehaus prangt eine kleine Tafel mit dem Hinweis auf die Anerkennung als Unesco-Welterbe-Stätte: “Der Eintrag eines kulturellen oder natürlichen Gutes auf dieser Liste unterstreicht seinen aussergewöhnlichen, universellen Wert, damit dieser zugunsten der Menschheit geschützt wird.”

In diesem Fall liegt der Wert in den Gesteinen des Monte San Giorgio, die vor 200 Millionen Jahren ein rund 100 Meter tiefes Meeresbecken in einer subtropischen Region bildeten.

Entstanden ist an diesem Ort sozusagen ein Friedhof der mittleren triassischen Zeit. Die Versteinerungen von Fischen, wirbellosen Tieren wie Insekten und Reptilien aus dieser Zeit gelten als einzigartig.

“Felberia excelsa”

Die Experten sind überzeugt, dass die tief liegenden Zonen dieses Berges einst zur afrikanischen Kontinentalplatte gehörten. “Deshalb werden die Felsen im Südtessin oft mit Afrika assoziiert”, sagt Markus Felber.

Der Geologe Felber war die treibende Kraft hinter der Anerkennung des Monte San Giorgio als Weltnaturerbe. Er hat das Dossier praktisch im Alleingang vorbereitet. Und bis heute ist er wohl der beste Kenner dieses Territoriums.

Als Anerkennung für seine Arbeit haben italienische Forscher-Kollegen Markus Felber sogar eine Fossilien-Entdeckung gewidmet. Einer bis anhin unbekannten Fischart gaben sie den Namen “Felberia excelsa”. Das Exemplar befindet sich im Kantonalen Naturkundemuseum von Lugano.

Fossilien in Zürich

840 Quadratkilometer weist die geschützte Fläche des Monte San Giorgio auf. 10’000 unterschiedliche Fossilien hat man gefunden, darunter 30 Reptilien- und 80 Fisch-Arten.

Die Universitäten von Zürich und Mailand betreiben hier seit über 100 Jahren Forschungen und nehmen seit 1924 Ausgrabungen vor. Dies erklärt, warum sich viele Funde im Paläontologischen Museum von Zürich und nur wenige Exemplare im Ausstellungsraum von Meride befinden.

Das 1973 eingeweihte Fossilienmuseum ist bis anhin kaum verändert worden. Es wirkt mit seinen Holzvitrinen vollkommen veraltet. Einzig ein moderner Dokumentarfilm beweist, dass auch in Meride die Zeit nicht stehen geblieben ist.

Neuer Schwung?

Diese Situation sollte sich aber bald ändern. Ende August 2008 wurde nach langen Geburtswehen die Stiftung Monte San Giorgio gegründet. Darin sind die Gemeinden aus dem Welterbegebiet auf Schweizer Seite vertreten, die Unesco-Kommission sowie der Verkehrsverein des Mendrisiotto.

“Mit der Stiftung steht endlich ein einziger Ansprechpartner in Sachen Welterbe zur Verfügung”, betont Felber. Dies erlaube einen deutlichen Qualitätssprung, um das Welterbe in der Welt bekannt zu machen.

Das wichtigste Projekt dieser Stiftung ist die Einrichtung eines modernes Besucherzentrums, das durch einen Um- und Ausbau des jetzigen Ausstellungsraums entstehen wird. Drei Millionen Franken sind insgesamt budgetiert. Als Architekt ist Mario Botta vorgesehen.

Erst wenn die Strukturen vor Ort aufgebaut sind, genügend Parkplätze bereit bestehen und ein guter Anschluss an den öffentlichen Verkehr garantiert ist, will auch der kantonale Verkehrsverein den Monte San Giorgio intensiver vermarkten.

Bisher wird – im Unterschied zu den Burgen von Bellinzona als Weltkulturerbe – kaum Werbung für den “Saurierpark Tessin” gemacht wird.

Gerhard Lob, Francoise Gehring, Meride, swissinfo.ch

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Welterbe (Unesco)

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Zu den Zielen, die sich die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) gesetzt hat, gehören auch die Bewahrung des Weltkultur- und Weltnaturerbes, das einen “aussergewöhnlichen universalen Wert” aufweisen muss. 1972 sind die Mitgliedstaaten der Unesco in einer internationalen Konvention übereingekommen, eine Welterbe-Liste zu erstellen. Die Staaten verpflichteten sich, die Natur- und…

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Der Monte San Giorgio wurde 2003 zum Weltnaturerbe erklärt.

Die Schweiz hat bisher neun Unesco-Welterbestätten, davon drei Naturwelterbe und sechs Weltkulturerbe (mit Jahr der Anerkennung):

2008 – Tektonikarena Sardona (Naturwelterbe)

2008 – Rhätische Bahn in der Landschaft Albula/Bernina (Weltkulturerbe)

2007 – Weinbaugebiet Lavaux (Weltkulturerbe)

2003 – Monte San Giorgio (Naturwelterbe)

2001 – Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn (Naturwelterbe)

2000 – Burgen von Bellinzona (Weltkulturerbe)

1983 – Altstadt von Bern (Weltkulturerbe)

Der Monte San Giorgio ist das besterhaltene Zeugnis des maritimen Lebens im erdgeschichtlichen Trias (Erdmittelalter), zeigt aber auch Land-Lebensformen.

Zahlreiche Fossilien sind erhalten, viele davon von einer aussergewöhnlichen Qualität und perfekt erhalten.

Das Studium der Fossilien hat zu einer gut dokumentierten Sammlung geführt.

Der Monte San Giorgio ist eine Referenzpunkt für künftige Fundstellen von Meeresfossilien aus der Trias-Zeit.

Der Monte San Giorgio ist die bedeutendste Fundstätte für Versteinerungen aus der Mitteltrias.

Vor 200 Millionen Jahren bildeten die Gesteine des Monte San Giorgio ein rund 100 Meter tiefes Meeresbecken in einer subtropischen Region.

So können heute auf dem Berg Versteinerungen von Fischen, wirbellosen Tieren wie Insekten und Reptilien (darunter einige mit einer Länge von bis zu sechs Metern) gefunden werden.

Der Hauptteil der Funde befindet sich im Paläontologischen Museum in Zürich. Eine kleine Auswahl bedeutender Funde ist im Fossilienmuseum von Meride ausgestellt.

Neben Fossilien, die von Paläontologen seit 1924 gesucht werden, wird auch Marmor abgebaut. Aus Bitumenschichten wurde früher Ölschiefer gewonnen. Ausserdem liegen im Berg diverse Höhlen verborgen.

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