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“Gewisse Zufriedenheit mit einigen Fragezeichen”

Kaspar Villiger: Erfreut mit Vorbehalten. Keystone

Die Schweizer Regierung ist mit gewissen Vorbehalten bereit, das Zinsbesteuerungs-Abkommen mit der EU zu unterzeichnen.

Doch die Schweiz möchte nicht zur Zielscheibe der OECD werden, die gegen Steuerparadiese vorgehen will.

“Es sind noch einige Fussangeln da”, sagt Finanzminister Kaspar Villiger gegenüber swissinfo. Der neue Beschluss des EU-Finanzministerrats (Ecofin) weiche zum Teil vom bisherigen EU-Richtlinienentwurf ab.

Villiger begrüsst zwar, dass “die EU unsere Philosophie akzeptiert hat”. Zur Gleichwertigkeit des Schweizer Angebots würden aber noch verschiedene Vorbehalte gemacht.

Finanzminister Kaspar Villiger hält fest, beim Ecofin-Beschluss handle es sich um einen politischen Entscheid. Dieser bedürfe vertiefter Analyse. Er ortet eine “gewisse Zufriedenheit mit einigen Fragezeichen”.

Der EU geholfen

Zufriedenheit herrscht bei Villiger, weil die EU nach jahrelangem Ringen zu einer Anerkennung der Schweizer Lösung mit dem Steuerrückbehalt als gleichwertig und substanziell gelangt sei.

Die Schweiz habe damit der EU schliesslich bei einem Problem geholfen, das sie selbst mit der Verrechnungssteuer seit 60 Jahren gelöst habe.

Und das Schweizer Modell habe gute Chancen: “Ich bin überzeugt, wenn man 15 Jahre Erfahrung mit dem neuen Modell hat, und das vergleichen kann mit dem automatischen Informationsaustausch, wird dieses Modell gut abschneiden.”

Bankgeheimnis durch Hintertür abschaffen?

Die Besorgnis des Finanzministers erregt insbesondere die in der Ecofin-Erklärung angedeutete Absicht, wonach die Schweiz langsam an den von der OECD für Steuerparadiese diskutierten Informationsaustausch herangebracht werden soll.

Die Schweiz sei aber kein Steuerparadies. Sie richte sich nach dem einzig gültigen OECD-Standard im Bankgeheimnis-Bericht von 2000. Daher hoffe er, dass die OECD nun nicht gegen die Schweiz vorgehe, sagte Villiger.

Villiger: “Es wäre für uns inakzeptabel, dass wir heute strahlend die Champagnerflaschen öffnen und einen Vertrag machen – und am andern Morgen sagen die ‘April, April, wir gehen in die nächste Strasse und demonstrieren wieder gegen die Schweiz’.”

Dauerhafte Lösung nötig

Eine Einigung müsse dauerhaft sein, schliesslich sei die Schweiz “keine Kolonie”. Die EU könne nicht einfach von ihr verlangen, Rechtsgrundsätze aufzugeben. Auch die Gleichbehandlung mit Österreich, Luxemburg und Belgien sei unklar.

Allgemein sieht der Finanzminister die Grenze des Bilateralismus langsam erreicht. Die EU entwickle sich dynamisch. Ihr Interesse an der Schweiz dürfte nach der Osterweiterung sinken.

Dass die Schweiz in immer neuen bilateralen Verhandlungen mit dieser Dynamik mithalten wolle, werde schwieriger. Vor allem bei der Zinsbesteuerung habe das Dossier eine geradezu “bizarre, kafkaeske Komplexität” erreicht, so Villiger weiter.

Beitrag “mehr als geleistet”

Einmal mehr betont Villiger, der von der Schweiz offerierte Beitrag zur Lösung des EU-Zinsbesteuerungs-Problems beachte die schweizerische Rechtsordnung und das Bankgeheimnis.

Der vorgesehene Steuerrückbehalt sei ein “grosszügiges und effizientes Instrument”. Damit habe die Schweiz ihren Beitrag zur Lösung der Zinsbesteuerungsfrage “mehr als geleistet”.

Unter Vorbehalt einer genauen Analyse und der Bereinigung der Differenzen scheine eine vertragliche Einigung nicht ausgeschlossen, stellt der Gesamtbundesrat fest.

Auch andere Dossiers bereinigen

Bevor das Abkommen über die Zinsbesteuerung abgeschlossen wird, müssen laut Bundesrat auch in den andern Dossiers der bilateralen Verhandlungen die noch bestehenden Probleme ausgeräumt sein und die Verträge bereinigt werden.

Dies sei eine der Bedingungen, damit im Paket der Bilateralen II ein ausgewogenes Gesamtresultat erzielt werden könne.

Und Bundesrat Villiger ergänzt, dass er aus den Verhandlungen Eines gelernt habe: “Dass es sich auszahlt, eine klare Linie zu haben, sich nicht beirren zu lassen von Kritik. Aber die Lösung, die man vorschlägt, muss glaubwürdig sein.” Darum: “Wir bleiben dran.”

swissinfo, Christian Raaflaub

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