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Im mächtigsten Wasserfall Europas

Wegen der Trockenheit sind die Fälle weniger spektakulär als sonst. (swissinfo) swissinfo.ch

«Bis Morgen», verabschiedet sich Werner Mändli jeweils schelmisch von seinen Passagieren, wenn er sie auf der felsigen Insel mitten im tosenden Rheinfall absetzt.

Doch keine Angst: Noch alle der rund 1,5 Millionen Besuchenden pro Jahr sind einige Minuten später wieder sicher zurückgeholt worden.

Der Rheinfall ist Werner Mändlis Leben. Seit ungefähr 110 Jahren betreibt seine Familie die Boote am Rheinfall. «Das Wasser ist fast mein Lebensinhalt», sagt er denn auch.

Doch zur Zeit hat der Rheinfall nicht die grosse Wucht, die man von den Postkarten kennt. Im Fall drin sehen wir Felsen, die sonst überflutet sind. «Wir haben einerseits die allgemeine Trockenheit. Zudem wird für die Trinkwasser-Versorgung von Stuttgart noch viel Wasser abgepumpt», erklärt Mändli.

Weniger als die Hälfte fliesst derzeit durch den Fall: Normalerweise 600’000 – 700’000 Liter pro Sekunde, sind es heute nur 290’000. In Spitzenzeiten können es aber bis zu über einer Million werden.

Mändli ist jedoch in keiner Weise wütend oder enttäuscht über die Stuttgarter: «Es ist ja auch der Zweck unserer Gewässer, dass sie vermehrt für Trinkwasser genutzt werden.»

Auf dem Felsen mitten im Rheinfall lernen wir Monika und Jörg Wassmer aus Baden kennen, exakt seit 26 Jahren verheiratet. Sie haben die Insel während einer Stunde für sich allein gehabt: Champagner-Frühstück mitten im Rheinfall, ein exklusives Geschenk.

Die beiden haben das Frühstück sichtlich genossen: «Es ist mal was ganz anderes. Mitten in der Natur, umspült von den Wogen», sagt Jürg Wassmer. «Es macht schon ziemlich Lärm. Doch reden konnten wir miteinander.»

Monika Wassmer schwimmt als überzeugte Wasserratte «in jedem Wasser, wo es möglich ist, auch hier im Rhein». Natürlich nicht im Rheinfall, ergänzt sie lachend, sondern weiter oben bei Schaffhausen.

«Dort kann man das Wasser sogar noch trinken. Es spielt keine Rolle, wenn Sie schwimmen und einen Schluck nehmen. Es ist noch sauber genug.»

Zurück auf dem Boot, fällt uns aber der Schaum auf der Wasseroberfläche auf. Mändli erklärt: Eine Doktorarbeit habe ergeben, «dass das vor allem der Blütenstaub vom Hahnenfuss ist, der durch den Rheinfall aufgeschlagen wird. Bis Rheinau verschwindet der wieder.»

Über den Rheinfall kursieren verschiedenste Heldengeschichten. Zeit, sich auf der Rückfahrt vom Kenner aufklären zu lassen. Laut Mändli geschah das Schlimmste vor 15 Jahren, als ein Seil für einen Hochseilakt über den Fall gespannt war.

«Da hat sich ein Israeli drangehängt und wollte rüberkraxeln. Doch er ist abgestürzt und ertrunken.»

Bei der Geschichte vom Schiffer aber, der betrunken mit seiner Nussschale in die Fälle geraten sein soll und wie durch ein Wunder die Fahrt durch den Fall überlebt habe, winkt Mändli nur ab: «Das ist ein Märchen.»

swissinfo-Sonderkorrespondent Christian Raaflaub, Neuhausen am Rheinfall

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