Islamische Vermögen – Chance für Finanzplatz Schweiz

Auf westlichen Finanzplätzen sind grosse arabische Vermögen platziert. Mit Blick darauf planen arabische Investoren eine islamisch konzipierte Privatbank mit Sitz in der Schweiz.
Die National Bank of Kuwait soll gemeinsam mit einem saudischen Partner in die Fussstapfen der Faisal Private Bank treten. Letztere hat sich 2006 als erste islamische Finanzinstitution in der Schweiz niedergelassen.
Trotz der bestehenden Nachfrage würden zur Zeit aber (noch) nicht genügend entsprechende Finanzprodukte für muslimische Anleger angeboten, sagt John Sandwick, Geschäftsführer von Encore Management, eines Schweizer Anlageberaters und Vermögensverwalters.
Islamisches respektive Scharia konformes Banking verbietet zwar die Zinsnahme, ist aber pragmatisch bezüglich einer Profitbeteiligung des Kreditgebers. Dazu kommen eine ganze Reihe von Branchenverboten, wie Casino, Alkohol oder Rüstung. Entsprechende Regeln wie bei der Kreditvergabe gelten dann auch für die Anlagepolitik bei der Vermögensverwaltung.
Klare Richtlinien zur Besteuerung fehlen
«Es scheint eine Art Lähmung bei den Banken zu geben, was das Entwickeln des islamischen Asset Management-Sektors betrifft», sagt Sandwick gegnüber swissinfo.
Es fehle der Enthusiasmus, wenn es um das Umschichten von traditionellem Asset Management in eine islamisch korrekte Vermögensverwaltung gehe. Dafür bräuchte es zum Beispiel eine Angebotspalette von islamischen Finanzprodukten.
Auch sollten die Schweizer Behörden dem Vorbild der USA und Grossbritannien folgen, und klare Richtlinien zur Besteuerung von islamischen Finanzprodukten aufstellen.
Wachstumsmarkt dank steigenden Erdölpreisen
Der islamische Bankensektor hat erst kürzlich durch die gestiegenen Erdölpreise stark zugenommen. Sein Umfang wird auf 500 bis 800 Mrd. Franken geschätzt. Das jährliche Wachstum beträgt gut 20%, so dass das Vermögensvolumen in zwei Jahren bereits mehr als eine Billion umfassen dürfte.
Auch die mindestens 200 Mrd. Franken Vermögen, die aus arabischen Ländern in der Schweiz deponiert sind, dürften rasch wachsen. Sandwick schätzt, dass nicht die ganze Summe eine Scharia konforme Verwaltung brauche. Aber viele Kunden würden sich wohl dafür entscheiden, wenn sie die Wahl hätten.
Die führenden Schweizer Banken sind seit einigen Jahren in den islamischen Finanzmärkten tätig, seit sie ihre Aktivitäten in den Mittleren Osten ausgeweitet haben.
So begann Credit Suisse mit dem Angebot von massgeschneiderten Scharia-Produkten auf individuellen Kundenwunsch. Das führte zu einer erhöhten Aufmerksamkeit seitens der Bank für diese Art von Finanzierungen. Inzwischen unterhält sie einen eigenen Scharia-Ausschuss und entsprechend qualifizierte Teams in Zürich, New York, London und Dubai.
«Wegen den durch die Scharia auferlegten Restriktionen im islamischen Markt waren bisher nicht alle Anlage-Versionen zugänglich», sagt Michael Fouad Chahine, Distributions-Verantwortlicher für Islamisches Banking der CS: «Deshalb waren sie nicht gleichermassen attraktiv für Investoren.»
Wird aus «Scharia» neu «gesellschaftlich verantwortlich»?
Chahine weist in erster Linie auf den Markt von zinslosen Sukuk Scharia-Obligationen. Dieser sei beispielhaft dafür, wie islamische Produkte mit jenen auf den bestehenden Finanzmärkten gleichzögen.
«Die Entwicklung des Scharia-Bankings ist bisher auf jene Länder beschränkt gewesen, die höhere muslimische Bevölkerungsanteile haben», sagt Chahine. Doch das ändere sich, weil Scharia-Grundsätze vermehrt von internationalen Aufsichtsbehörden akzeptiert würden. «Heute etablieren sich diese Grundsätze bereits auch als gesellschaftlich verantwortlich.»
Sandwick seinerseits macht sich Sorgen: die westlichen Finanzzentren lägen diesbezüglich noch stark hinter solchen Zentren wie Singapur, Kuala Lumpur, Dubai und Bahrain zurück.
Falls die Schweiz sich nicht anstrenge, so der Encore-Direktor, sei nicht auszuschliessen, dass der hiesige Finanzplatz im Rennen um die Kontrolle dieses hoch rentablen Markts von anderen überholt werde.
«Der Scharia konforme Finanzmarkt erstreckt sich heute auf Hunderte Milliarden an verwalteten Vermögen», so Sandwick. «In Zukunft wird es um Billionen gehen.»
swissinfo, Matthew Allen, Zürich
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Die Scharia ist ein Auslege-Gesetz des Korans für konkrete Lebenslagen wie Zivilrecht oder Finanzen.
Im Finanz- sprich Kreditbereich verbietet sie das Bezahlen und Nehmen von Zins – dies sei Wucher.
Scharia-konforme Finanzkonstruktionen wie Sukuk-Obligationen bieten dem Anleger deshalb statt Zinsen Profitbeteiligungen an.
Die USA und Grossbritannien, nicht aber die meisten europäischen Länder befreien gewisse Kapitalgewinne aus islamischen Finanzprodukten von Steuern.
Diese Fonds dürfen nur in jene Branchen und Unternehmen investieren, die durch eine Fatwa erlaubt sind (Fatwa: Edikt eines religiösen Gelehrten).
Nicht statthaft sind Rüstung, Spielbanken, Alkohol, Schweinefleisch, Tabak oder Pornografie.
Schweizer Banken, die Scharia-kompatible Finanzdienstleistungen anbieten, können nicht als «Islamische Banken» bezeichnet werden. Diese Bezeichnung gilt nur für Institute aus muslimischen Ländern.
Hinter dem Zinsverbot steht die in Feudal-Ökonomien wohl begründete Angst vor Wucher.
Damit zwangen Grossgrund-Besitzer und Geldgeber Kleinbauern noch mehr in die Abhängigkeit.
Diese Angst herrschte schon zu alttestamentarischer Zeit, und Zinsverbote gab es im Christentum bis zur Renaissance.

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