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Kein Zins – und trotzdem Riesengeschäft

Besonders Anleger aus dem Nahen Osten interessieren sich für Scharia-konforme Investments. Im Bild: Dubai Finanzzentrum. Keystone

Scharia-konforme Finanzprodukte emanzipieren sich schneller als erwartet. Auch auf dem Finanzplatz Schweiz, denn die Nachfrage nimmt zu.

Die UBS zieht die Konsequenzen und integriert ihre Scharia-Tochterbank Noriba, die bisher unter eigenen Namen operierte, in den Konzern.

Bahrain gilt als ältester Finanzplatz im Golf. Die UBS gründete 2002 in diesem Insel-Königreich die Noriba als Finanzinstitut, das entsprechend den islamischen Vorgaben – also der Scharia – funktioniert. Bisher war die Noriba eine Tochter der UBS, die unter separatem Namen geführt wurde.

Nun soll Noriba bis Ende 2006 voll in den UBS-Konzern integriert werden. Die Marke «Noriba» – was auf arabisch «kein Zins» bedeutet – war nicht gängig genug. Vermehrt kam es direkt bei der UBS zu Anfragen wegen islamisch korrekten Anlagemöglichkeiten.

«Die Kundschaft dachte, diese Möglichkeiten direkt bei der UBS zu erhalten, und nicht von einer Tochterbank mit anderem Namen», sagt UBS-Sprecherin Sabine Woessner gegenüber swissinfo.

Die UBS verfolgt ohnehin seit Jahren die Strategie eines einzigen Markennamens («Single brand»). Dementsprechend «wird es den Namen Noriba Ende 2006 nicht mehr geben», so Woessner. «Die Scharia-kompatiblen Finanzprodukte werden direkt unter dem Namen UBS vermarktet.»

Aus der Nische wird ein Segment

Die Konzern-Integration von Noriba zeigt ausserdem, dass ein bisher noch als Nische erachteter Markt, das Scharia-konforme Banking, nun als wichtiges Segment wahrgenommen wird.

Etwas spät, im Vergleich zur internationalen Konkurrenz, urteilen Kenner wie John Sandwick, Encore Management, in Genf. London, Singapur, Bahrain und Dubai scheinen die Nase in diesem Segment vorn zu haben – vor der Schweiz jedenfalls.

«Die internationale Bankenwelt konnte sich auf die Scharia-Denkweise offenbar rascher einstellen als die öffentliche Meinung im Westen», urteilt Jean-Marc Busato, Vizepräsident Middle East der Hotelkette Rezidor SAS Hospitality, gegenüber swissinfo.

Der Markt für Scharia-konforme Finanz-Dienstleistungen wird auf rund 300 Mrd. Dollar geschätzt, und wächst stark.

Das entspricht zwar nur einem Zehntel der Vermögenswerte bei Schweizer Banken – aber dieser Zehntel wächst mit geschätzten 15% pro Jahr.

Calvin-Stadt als künftiges Scharia-Finanzzentrum

In der Schweiz konzentriert sich ein Grossteil des angelegten arabischen Geldes in der Calvin-Stadt Genf. Schätzungen gehen von mehr als 200 Mrd. Dollar aus. Dass ein Teil dieser nahöstlichen Anleger vor allem an Scharia-konformen Anlageformen interessiert sind, liegt auf der Hand.

Die Scharia ist ein Auslege-Gesetz des Korans für konkrete Lebenslagen wie Zivilrecht – oder Finanzen. Islamisches Financing bezieht sich als Regelwerk in erster Linie auf eine ethisch korrekte Kreditvergabe.

Also: Keine Zinsnahme, sondern faire Beteiligung am Profit, der aus dem betreffenden Kredit resultiert; keine Geschäfte mit verbotenen Nahrungsmitteln wie Schweinefleisch, keine Spielbanken, keine Versicherung und kein klassisches Banking, keine Rüstung und ähnliches mehr.

Historische Furcht vor Wucher und Missbrauch

Hinter dem Zinsverbot steht die in Feudal-Ökonomien wohl begründete Angst vor Wucher, mit dem Grossgrund-Besitzer Kleinbauern noch mehr in die Abhängigkeit zwingen könnten.

Diese Angst gab es übrigens schon zu alttestamentarischer Zeit und später auch im Christentum.

Chance für alle Schweizer Banken

Mit multikulturellen Teams erstellen nicht nur die Grossbanken, sondern auch die Privatbanken in den Golfstaaten das richtige Profil der jeweiligen Kundschaft.

Produkte und Gepflogenheiten von Islamic Finance gehören inzwischen laut Walter Knabenhans, Präsident der Konzernleitung Bank Bär, zur Expertise und zum Répertoire des modernen Private Bankers.

Dabei nutzen sie auch das Schweizer Image. «Weil sie international geschätzte Schweizer Tugenden wie Professionalität, Zuverlässigkeit und Diskretion leben, sind die Schweizer Privatbanken im Ausland erfolgreich», sagt Dominique Leimer, CEO Middle East Bank Julius Bär, zu swissinfo.

swissinfo, Alexander Künzle

Islamische Finanzierungen beginnen beim Regelwerk der Kredit-Vergabe.

Statt dem variablen Zins wird beim Kredit eine möglichst transparente Profitbeteiligung ausgemacht oder das Geld auf Beteiligungs-Basis «vermietet».

Die Vermögens-Verwaltung der Banken kommt als zweiter Schritt: Scharia-konformen Anlegern offeriert man Investments in solche islamisch korrekten Unternehmen oder staatlichen Anleihen.

Als nicht statthaft werden laut Scharia Investitionen in die Rüstungsindustrie, in hochspekulative Branchen und Spielbanken, in die übliche Banken- und Versicherungs-Branche sowie in im Koran verbotene Nahrungsmittel wie Schweinefleisch oder Alkohol erachtet.

Die Noriba-Bank wurde 2002 als ausgegliederte UBS-Tochter gegründet. Sie bietet Bankengeschäfte an, die sich an die Regeln der Scharia halten.
Andere Schweizer Banken im Nahen Osten, wie Credit Suisse oder Julius Bär sind mit dem eigenen Namen auch ins islamisch korrekte Segment eingestiegen.
Der Markt wird gegenwärtig auf rund 300 Mrd. Dollar geschätzt.
Die Wachstums-Raten entwickeln sich und liegen bei 15% pro Jahr.

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