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Schweizer Teenager süchtig nach Alcopops

Alcopops - die Jugendlichen haben eine Schwäche für die süssen Mischgetränke. swissinfo.ch

Billig, süss und stark - Schweizer Gesundheitsfachleute schlagen Alarm, weil die Alcopops unter den Teenagern immer beliebter werden.

In der Schweiz scheint es, wie in vielen westlichen Ländern, einen unstillbaren Durst nach den so genannten Designerdrinks zu geben.

Nun macht sich Besorgnis breit, weil die farbenfrohen Getränke vor allem die Gesundheit Jugendlicher gefährden, da immer mehr von ihnen übermässig viel davon trinken.

Die raffiniert vermarkteten Drinks – im Allgemeinen eine Mischung von Alkohol mit alkoholfreien Getränken oder Fruchtsäften – kommen bei den Jungen in der Schweiz ausgesprochen gut an.

Laut den Gesundheitsbehörden steigt die Nachfrage nach Alcopops schnell. Vor zwei Jahren wurden in der Schweiz rund 2,5 Mio. Flaschen verkauft. 2001 waren es schon 28 Millionen.

Und dieses Jahr dürfte der Konsum nach jüngsten Voraussagen auf über 40 Millionen steigen.

Zu tiefe Abgaben

Die Alkoholproduzenten geben zwar an, dass ihr Produkt nur für verantwortungsbewusste Erwachsene gedacht ist. Trotzdem setzen sich Vertreter der Gesundheitsbehörden im Parlament für die Einführung höherer Abgaben ein, um Jugendlichen den Kauf zu erschweren.

Die Nachfrage ist unter anderem so hoch, weil Alcopops in Supermärkten für weniger als 3 Franken pro Flasche zu haben sind.

«Das ist ein Witz. Diese alkoholischen Getränke werden an Anlässen angeboten, die vor allem von Jungen besucht werden», erklärt Richard Müller, Direktor der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme, die Ende Oktober ihr 100-jähriges Bestehen feierte.

«Die Zielgruppe in diesem Geschäft sind eindeutig die Jungen, obwohl der Verkauf von Alkohol an unter 18-Jährige illegal ist», so Müller gegenüber swissinfo.

Schwierige gesetzliche Kontrolle

Die jüngsten Studien zeigen, dass das Alkoholgesetz nicht viel dazu beitragen kann, dass Jugendliche weniger trinken.

Vor einigen Jahren hat das Schweizer Parlament die Altersgrenze für Jugendliche, denen gemischte Alkoholgetränke verkauft werden dürfen, von 16 auf 18 angehoben.

Doch laut einer Studie, welche der «Tages Anzeiger» vor kurzem durchführte, hatte die Gesetzesänderung wenig Auswirkung.

Als Test schickte man 392 Kinder los, um in und um Zürich Alkohol zu kaufen. Mindestens der Hälfte der 13- und 14-Jährigen wurde Alkohol verkauft, bei den 15-Jährigen gar zwei Dritteln.

Laut dem Lausanner Experten Holger Schmid sind Restaurants und Bars schlecht in der Lage, alle ihre Kundinnen und Kunden genau zu beobachten.

«Die Durchsetzung dieses Gesetzes ist sehr schwierig», führt Schmid aus.

«Es ist praktisch unmöglich, von allen die Identitätskarte zu verlangen, dazu muss das Servicepersonal sehr gut ausgebildet werden. Teenager schicken oft auch ältere Brüder oder Freunde vor, um die Getränke zu kaufen.»

Beliebte Droge Alkohol

Der Alkoholkonsum nimmt in der Schweiz seit über 100 Jahren stetig ab.

Vor einem Jahrhundert tranken Schweizerinnen und Schweizer jedes Jahr 23 Liter reinen Alkohol pro Kopf. Heute sind es rund 9 Liter – was allerdings noch immer eine der weltweit höchsten Raten ist.

Doch trotz des rückläufigen Trends trinken mehr und mehr Junge Alkohol, oft mit verheerenden Folgen.

Laut der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme konsumieren rund 12’000 Kinder zwischen 11 und 16 Jahren täglich Alkohol -Tendenz steigend.

«Die Gründe für die zunehmende Trunksucht geht vor allem auf veränderte Gewohnheiten zurück», meint Müller.

«Wenn man betrunken ist, fühlt man sich anders … das scheint den Jungen wichtig zu sein.»

Gründe für die Trunksucht

Laut Schmid muss die Regierung höhere Abgaben und strengere Gesetze durchsetzen.

«Wenn man Jugendliche fragt, warum sie übermässig viel Alkohol trinken, sagen sie ‹weil ich Spass haben will› «, sagt Schmid.

«Wir leben in einer Spassgesellschaft, wir wollen den Alltagsstress vergessen, und mit Alkohol gelingt das sehr gut. Es wirkt nur kurz, hat aber langfristige Auswirkungen.»

Schmid glaubt, dass die Entscheidungsträger in der ganzen Welt, nicht nur in der Schweiz, untersuchen sollten, welche Gründe Jugendliche zum Trinken veranlassen.

«Es ist sehr wichtig, Trunksucht zu verhindern.»

Die Gesellschaft verschliesst die Augen

Für die Fachleute ein Problem ist das allgemeine Desinteresse gegenüber den Problemen im Zusammenhang mit Alkohol.

Es wird viel mehr von anderen Drogen wie Hanf und Heroin gesprochen, aber der Alkoholismus ist eines der teuersten Gesundheitsprobleme in der Schweiz.

Fachleute schätzen, dass Probleme im Zusammenhang mit Alkohol jährlich Kosten von über 2,5 Mrd. Franken verursachen.

swissinfo, Jacob Greber (aus dem Englischen: Charlotte Egger)

Verkauf von Alcopops:
2000: 2,5 Mio. Flaschen
2001: 28 Mio. Flaschen
2002: über 40 Mio. Flaschen (Schätzung)

In der Schweiz werden jährlich pro Kopf 9 Liter reiner Alkohol konsumiert, trinken täglich 12’000 Kinder zwischen 11 und 16 Jahren Alkohol, verusachen Probleme im Zusammenhang mit Alkohol jedes Jahr Kosten von über 2,5 Mrd. Franken.

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