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Früher Absinth, heute Premix

Süsse Rauschgetränke sind bei Jugendlichen immer beliebter. Keystone Archive

Die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) feiert ihr 100-jähriges Jubiläum. Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen steht dabei im Zentrum.

Immer mehr Jugendliche konsumieren Alkohol, um sich bewusst einen Rausch anzutrinken: 11 Prozent der 15-Jährigen waren laut SFA schon mehr als dreimal betrunken. Im letzten Jahr hat der Verkauf von sogenannten Premix-Getränken um das zwanzigfache zugenommen, von 230’000 Flaschen auf über 5,3 Millionen.

Richard Müller, Leiter der SFA in Lausanne, geht davon aus, dass ein Grossteil der Premix-Getränke von Jugendlichen getrunken wird. Er bezeichnet die Lage als «nahezu katastrophal». Die Premix-Drinks, zum Beispiel Rum mit Cola oder Vodka mit Sprudel, sind die Nachfolger der Alcopops (Limonade mit Alkoholzusatz). Es sei bitter nötig, mit der Prävention hier anzusetzen, sagt Richard Müller.

Kinder stark machen

Bei der Präventionsarbeit wolle die SFA gar nicht so sehr vom Alkohol und den Drogen sprechen. «Unser Ansatz ist: Wir wollen Kinder stark machen», erklärt Müller, «denn starke Kinder nehmen keine Drogen.» Kinder zu stärken heisse, sie so zu fördern, dass sie Nein sagen können. Sie so zu fördern, dass sie Konflikte lösen können, ohne zum Alkohol zu greifen.

Den Auftakt der dreitägigen Jubiläums-Veranstaltung der SFA begann am Donnerstag denn auch mit einem Seminar zum Thema «Kind sein heute». Vorgestellt werden bis Samstag ausserdem Arbeiten von Jugendlichen aus 90 Klassen, welche sich mit ihrer Beziehung zum Alkohol auseinandergesetzt haben. Am Freitag stellt die SFA ihr neues Präventionsprojekt für Kinder vor: ein pädagogisches Hilfsmittel, das hilft, das Selbstwertgefühl zu stärken.

Resolution ans Parlament

In einer Resolution ruft die Fachstelle die politischen Instanzen auf, am Verbot der Alkoholwerbung in Radio und Fernsehen festzuhalten. Der Bundesrat hatte sich Anfang Mai in einer Stellungnahme zu einer Initiative des Ständerates bereit erklärt, die Werbevorschriften für Privatstationen zu liberalisieren.

Angesichts des Erfolgs von Premix-Getränken «können wir doch nicht zulassen, dass diese Getränke auch noch mit Glamour und Lebensstil verkauft werden», betont Müller. In der Resolution heisst es: «Nationale Präventionsprogramme gegen riskanten Alkoholkonsum verlieren an Glaubwürdigkeit, wenn der Bundesrat die gesetzlichen Voraussetzungen für eine neue Flutwelle von Alkoholwerbung schafft».

Paradigmenwechsel der 68er-Generation

Die politische Arbeit ist mit der Zeit zu einem Teil der Aufgaben der SFA geworden. Gegründet wurde sie ursprünglich als Bollwerk gegen den «Teufel Alkohol». Heute erforscht die SFA ganz allgemein neue Tendenzen im Suchtmittelkonsum und entwickelt Präventionsprojekte.

Bis in die 60-er Jahre war das damalige «Schweizerische Abstinenz-Sekretariat» von der Abstinenz-Bewegung geprägt, die mit dem erhobenen Zeigefinger gegen den Alkoholmissbrauch kämpfte. Die 68er-Bewegung brachte den Paradigmenwechsel: die Sozialarbeit wurde professionalisiert und ein Schwerpunkt in der Forschung gesetzt.

Die SFA zählt heute nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Einrichtungen in der psychosozialen Alkoholforschung. Als Kooperationszentrum der Weltgesundheits-Organisation WHO führt sie in deren Auftrag alle vier Jahre die Gesundheitsbefragung bei Schweizer Schülerinnen und Schülern durch. Die SFA wird zu zwei Dritteln durch private Spenden finanziert.

100’000 Socken, 300’000 Alkoholiker

Am Samstag feiert die SFA ihren 100. Geburtstag mit einem Fest im Casino de Montbenon in Lausanne. Fleissige Spenderinnen strickten zum Jubiläum über 100’000 Paar Socken. Jede einzelne Socke ist als Symbol für einen alkoholabhängigen Menschen gedacht.

Der Sockenberg, der am Samstag in Lausanne präsentiert wird, soll ein Zeichen der Verbundenheit mit den 300’000 Männern und Frauen setzen, die in der Schweiz unter Alkoholabhängigkeit leiden. Nach dem Jubiläum werden die Socken verkauft oder an notleidende Menschen verschenkt.

Kathrin Boss Brawand und Agenturen

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