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Gewerkschaften eröffnen Lohnrunde

Gewerkschaften fordern weniger Lohnungleichheit, besonders zwischen Frauen und Männern. Keystone

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund verlangt bis zu 4% mehr Lohn und einen zusätzlichen Anstieg bei den Gehältern für Frauen, um Lohnungleichheiten zu vermindern.

Am Aufschwung sollen alle teilhaben können. Den Forderungen will der SGB an einer nationalen Demonstration am 23. September in Bern Nachdruck verschaffen.

Die im Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB vertretenen Verbände haben sich im Hinblick auf die bevorstehende Lohnrunde erstmals und nach Auseinandersetzungen auf eine gemeinsame Lohnforderung von 4% für alle geeinigt.

“Es besteht Nachholbedarf. Dieses Jahr muss es endlich vorwärts gehen”, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner am Dienstag in Bern. Die Reallöhne dümpelten seit zwei Jahren vor sich hin. In vielen Branchen seien sie gar seit 1993 kaum mehr gestiegen.

“Immer wieder haben die Gewerkschaften in den letzten Jahren Rücksicht genommen, die Lohnabhängigen wurden um die Früchte des Aufschwungs betrogen”, ergänzte Vasco Pedrina, Co-Präsident der Gewerkschaft UNIA. Jetzt sei es wichtig, dass vor allem Beschäftigte mit mittleren und tiefen Einkommen endlich profitierten.

Die Ausgangslage für gewerkschaftliche Lohnforderungen sei dieses Jahr besonders günstig, betonte SGB-Chefökonom Serge Gaillard. Endlich sei der Aufschwung da und die Ertragslage der Konzerne bereits seit zwei Jahren gut.

Aufschwung für alle

Mit der anstehenden Lohnrunde stehe nicht nur für die Beschäftigten und Gewerkschaften, sondern für die ganze Wirtschaft und Gesellschaft Entscheidendes auf dem Spiel, erklärte Rechsteiner. Steigende Löhne für alle seien nämlich die Voraussetzung dafür, dass der Aufschwung auch in der Breite trage.

Wirtschaftlich entscheidend für die Schweiz sei in den kommenden Monaten nicht die Entwicklung der Börse, sondern diejenige der Löhne, betonte Rechsteiner. “Die Interessen der Beschäftigten müssen wieder den Stellenwert bekommen, den sie verdienen.”

Frauenlöhne im Visier

Besonderes Augenmerk richtet der SGB auf die Löhne von Frauen. Diese verdienten immer noch 20% weniger als Männer. 4% Lohnerhöhung hätten sich alle verdient. “Aber für die Lohngleichstellung der Frauen braucht es klar mehr”, tönte es seitens der Gewerkschaftsvertreter unisono.

Die einzelnen SGB-Mitgliederverbände setzen unterschiedliche Akzente: Die Personalverbände der öffentlichen Hand (VPOD) sorgen sich zunächst um den Stellenerhalt und gehen mit 3% mehr Reallohn bei vollem Teuerungsausgleich an den Verhandlungstisch.

Höherer Mindestlohn

Im Industriesektor liegt die Maximalforderung gemäss Unia bei 4% mehr Reallohn. Für den Detailhandel steht eine starke Erhöhung der Mindestlöhne im Vordergrund. Konkret: 120 bis 150 Franken generell für alle, plus nochmals soviel für die Frauen.

Die Bauarbeiter sollen um 220 Fr. höhere Effektivlöhne erhalten. Bei den Angestellten im Gastgewerbe steht die Einführung des vollen 13. Monatslohns im Zentrum.

Um den Lohnforderungen Nachdruck zu verleihen, hat der SGB für den kommenden 23. September zu einer nationalen Kundgebung in Bern aufgerufen.

Reaktion: Hohe Forderungen

Der Schweizerische Arbeitgeberverband reagierte skeptisch. Die geforderten 4% seien sehr hoch und würden gewisse Branchen und Unternehmen überfordern, sagte Verbandsdirektor Thomas Daum.

Generelle Lohnforderungen für die ganze Wirtschaft und alle Arbeitnehmenden seien fragwürdig. Die Verhältnisse seien von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Deshalb würden die Lohnrunden auch in den einzelnen Branchen oder Firmen ausgehandelt, so Daum.

swissinfo und Agenturen

Das Schweizer Durchschnitts-Bruttoeinkommen ist generell höher als in den Nachbarländern (Studie der Hochschule Solothurn).
Schweiz: 65’000 Fr.
Deutschland: 54’000 Fr.
Grossbritannien: 53’000 Fr.
Österreich: 43’000 Fr.
Italien: 35’000 Fr.
Frankreich: 32’000 Fr.
Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben sowie Krankenkassen sind die Unterschiede jedoch nicht mehr so gross.
Laut OECD sind die Lebenskosten in der Schweiz 28% höher als in Deutschland.

2005 haben Kader und Topkader im Vergleich zum Vorjahr 4,5% mehr Lohn erhalten. Dies zeigt die Salärstudie “Kader in der Schweiz 2005” der Handelszeitung in Zusammenarbeit mit Kienbaum Consultants (Schweiz).

Ein Mitglied einer Generaldirektion in der Schweiz verdient im Schnitt 290’000 Fr. pro Jahr (inkl. Bonus).

Zwei Drittel der obersten Kaderstufe verdienen mehr als 220’000 Fr. jährlich. Mehr als die Hälfte des mittleren Kaders verdient über 140’000 Fr.

Die Frauen in den Teppichetagen verdienen im Schnitt 28% weniger als ihre männlichen Kollegen.

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