225 Jahre täglich liberal
Am 12. Januar 2005 hat die international angesehene "Neue Zürcher Zeitung" als ältestes Blatt der Schweiz ihren 225. Geburtstag gefeiert.
Die NZZ, die «Alte Tante», von vielen als «Bleiwüste» tituliert, behauptet sich auch in Zeiten des Boulevard-Journalismus gegen neumodische Trends.
«Es gibt wohl nicht viele Zeitungen auf der Welt, die bereits die Französische Revolution kommentiert haben und immer noch regelmässig erscheinen», sagte NZZ-Chefredaktor Hugo Bütler am Dienstag in Zürich.
Diese eindrückliche und auch etwas erdrückende Vergangenheit der Schweizer Zeitung mit Weltruf hing im Raum, der in noblem Schwarz gehalten ist und die Geschichte der NZZ in einer Ausstellung zeigt.
Der Raum befindet sich in einem grossen Zelt, das die NZZ eigens für die Jubiläumsfeier aufgebaut hat. Selbstverständlich steht dieses an für die Zeitung historischer Stätte: auf dem Sechseläutenplatz, wo die noblen und kapitalkräftigen Zürcher Zünfte hoch zu Ross jeweils den Winter verjagen.
Phänomen NZZ
«Liberalismus, Eigenart, Lebenswelt und Zukunft», so lauten die vier Haupt-Ausstellungsthemen, mit der sich die Herausgeberin, die NZZ AG, «an unsere Leser wie an ein breiteres Publikum» richten will, wie Chefredaktor Bütler sich gegenüber swissinfo ausdrückte.
Wird damit unterschwellig angetönt, dass das breite Publikum nicht NZZ liest? 1975 hatte die «Neue Zürcher Zeitung» erstmals eine Auflage von über 100’000 Exemplaren erreicht. Dieses Jahr konnte die NZZ eine Auflage von genau 159’003 Exemplaren beglaubigen.
In der Öffentlichkeit wird die Zeitung als Sprachrohr der Schweizer Wirtschafts- und Bildungselite wahrgenommen. Selber sagt Hugo Bütler: «Die NZZ versteht sich als Zeitung liberaler Politik und setzt sich dafür auch seit 225 Jahren ein.»
Diese Grundhaltung habe sie – lange vor der Gründung liberaler Parteien – zu einem wichtigen Wegbegleiter der Schweizer Demokratie gemacht.
Tatsächlich, als die erste – damals noch – «Zürcher Zeitung» am Mittwoch dem 12. Januar 1780 erschien und vom Zürcher Landschaftsmaler, Schriftsteller und zeitweiligen Forstmeister Salomon Gessner redigiert wurde, herrschte in Zürich und in der Schweiz noch heftigste Pressezensur.
Grosses Korrespondentennetz
Die Weltgegebenheiten, wie Gessner schrieb, von den besten und zuverlässigsten «Privat-Correspondenten» abzubilden, mutete an wie eine Kampferklärung an die Obrigkeit.
Noch heute weist denn auch Hugo Bütler auf die liberale Haltung der Zeitung mit den zahlreichen Schweizer Korrespondenten überall in der Welt hin, die immer hochgehalten worden sei. In späteren Jahren sei die NZZ dann als Bollwerk wider den Nationalsozialismus und den Kommunismus aufgetreten.
Dieses Bollwerk gegen den Kommunismus, gegen Links, hatte der NZZ auch zahlreiche Sorgen eingetragen. Während der Unruhen 1968 (Beispiel: Globus-Krawalle in Zürich) wurde die Zeitung zum Feindbild der linken Studentenbewegung. Die Zeitung der Arbeiterschaft war sie ohnehin nie.
Hugo Bütler, auf diese Zeit angesprochen, lächelt: «In dieser Zeit begann ich meine Arbeit bei der ‹Neuen Zürcher Zeitung›. Diese wurde von der damaligen Zeitströmung unter den studentischen jungen Menschen – aber auch nicht von allen – stark angefeindet.»
Interessant sei, so Bütler heute, was er schon damals gedacht habe: Berichterstattung, die präzise in der Sache und glaubwürdig in der Wertung sei, müsste doch über kurz oder lang all die Köpfe ansprechen, welche die Vernunft irgendwie gebrauchten.
«Damals schon musste ich von denen, welche die Zeitung am schärfsten kritisierten, hören, dass die Berichterstattung der NZZ weitaus am präzisesten gewesen sei. Das ist doch positiv.»
1989 brachte Veränderungen
Doch auch die «alte Tante», wie die NZZ oft genannt wird, musste und hat sich verändert. Der Fall der Berliner Mauer und der Zusammenbruch der Sowjet-Union leiteten das Ende des Kalten Kriegs ein.
Doch, so Bütler, auch heute müsse sich die NZZ mit der Frage befassen, welche Wege die Leserinnen und Leser in Zukunft gingen.
«Wollen sie weiterhin das handliche Zeitungsformat oder werden elektronische Erscheinungsformen wie Online, das Lesen am Bildschirm, wichtiger oder gar dominanter?»
Er sei aber der Meinung, dass der Nutzer der NZZ in erster Linie Leser bleibe, «aber wir stellen uns auf Veränderungen in der Informationsnutzung ein».
Doch solle nicht, was die Zeitung teuer erarbeite und Abonnementen und Werbung bezahlten, gratis auf dem Internet angeboten werden. Da brauche es ein Geschäftsmodell der Zukunft.
Damit sprach Hugo Bütler auch vom Geld und Geldverdienen. Immerhin ist die NZZ auch die führende Wirtschafts-Tageszeitung der Schweiz mit einem gross ausgebauten Finanzteil. Am 12. Januar 2005 war dieser immerhin 20 Seiten stark.
swissinfo, Urs Maurer, Zürich
Die NZZ feiert ihr 225-Jahr-Jubiläum mit einer Ausstellung der Geschichte der Zeitung auf dem Zürcher Sechseläutenplatz. Dafür wurde eigens ein grosses Zelt aufgebaut.
Die Ausstellung ist bis 18. Januar geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Zahlreiche Podiums-Gespräche mit illustren Gästen werden stattfinden: Zu diesen gehören u.a. der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der deutsche Spitzenpolitiker Wolfgang Schäuble, der britische Publizist Timothy Garton Ash oder der ungarische Nobelpreisträger Imre Kertész.
Im NZZ-Verlag sind zwei Bücher zum Jubiläum erschienen:
– Thomas Maissen: «Die Geschichte der NZZ»
– Conrad Meyer: «Das Unternehmen NZZ»
1780 Erste Ausgabe der «Zürcher Zeitung»
1821 Namenswechsel zu «Neue Zürcher Zeitung»
1843 Die NZZ erscheint täglich
1913 Erste Filmkritik
1937 Lancierung der Fernausgabe
1969 Umstellung von drei auf zwei Ausgaben pro Tag
1974 Umstellung auf eine Ausgabe
1997 Start von NZZ-Online
2002 Start der «NZZ am Sonntag»
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