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Dani Levy: Langenstreckenläufer für den Film

Daniel Levy, Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur swissinfo.ch

Weil ihm die Schweiz einst zu eng und rigide war, zog Dani Levy in die Grossstadt Berlin.

Heute ist er ein erfolgreicher Regisseur, Autor und Schauspieler, der sich in Berlin ganz heimisch fühlt.

Verantwortlich für Dani Levys Auszug aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Einzug ins geteilte Berlin war die «Rote Grütze», eine engagierte und wilde Theatergruppe aus eben jener Stadt. Während eines Gastspiels in Basel in den frühen 80er Jahren lernte der junge Basler die Truppe kennen und lieben.

«Ich verliebte mich sozusagen in die Rote Grütze. Sie verkörperte alles, was ich in der Schweiz vermisste: Zusammen arbeiten, zusammen leben, eine Art Grossfamilie, die Leben und Arbeit nicht trennte.»

Überdies stand die Rote Grütze für passioniertes, leidenschaftliches, themenübergreifendes Arbeiten, das Levy so sehr suchte und in der damaligen Schweiz nicht fand. Im Gegenteil.

Nach der Matura, die nach seinen eigenen Worten eher mässig denn gut verlaufen war, heuerte er beim Basler Theater an. Als Autodidakt versteht sich. Auf die Idee, eine Schauspielschule zu besuchen, kam Levy gar nicht.

Später überquerte er erst einmal den grossen Atlantik, reiste in Nordamerika hin und her, schnupperte an Freiheit und Abenteuer. Nach soviel Weite und ausbrechendem Sturm und Drang war die Schweiz für den Basler ganz einfach zu klein geworden. Da kam der Ruf aus Berlin gerade recht.

Die ersten Berliner Jahre

Die ersten Berliner Jahre waren hart und anstrengend. Dani Levy tauchte voll und ganz ein in die Berliner Luft. Er verliebte sich und schloss Freundschaften, die bis heute Bestand haben.

«Berlin war ein Wake-Up-Call. Die Menschen waren ehrlicher und wahrhaftiger. Brutaler und schonungsloser in der Selbstreflexion, aber auch im Verhältnis zu ihren Eltern. Und ich wollte ausbrechen aus meiner Wattebausch-Kindheit und Jugend.»

Levy der in einer gutbürgerlichen traditionellen, aber nicht orthodoxen jüdischen Familie aufwuchs, haderte mit seinen Eltern und der Kontakt mit seinem jüdischen Umfeld endete mit dem Wohnsitz in Berlin abrupt.

Der Traum vom eigenen Film

Genau so unverkrampft und autodidaktisch wie Daniel Levy die Schauspielerei anging, fing er an, Drehbücher zu schreiben. Und er wollte einen Film drehen. 1985 kam «Du mich auch» in die Kinos, eine versponnene Liebesgeschichte, gedreht in Schwarzweiss.

Der Film lief in Cannes und bei vielen weiteren Festivals, unterhielt in etlichen Ländern alt und jung, und wurde vorab in Deutschland und in der Schweiz ein beachtlicher kommerzieller Erfolg. Fortan war Dani Levy, der Schweizer der in Deutschland unkonventionelle und witzige Filme dreht, ein Begriff.

1988 doppelte er mit der Männerkomödie «ROBBYKALLEPAUL» nach. Trotz kontroversen Kritiken fand der Film sein Publikum und gilt bis heute als typischer WG (Wohngemeinschafts)-Film aus den 80er Jahren.

Ausgezeichnet: «Meschugge»

Anfangs der 90er Jahre begannen die Arbeiten für «Meschugge». Ein Film, der erst acht Jahre später den Weg ins Kino fand. Das Drehbuch schrieb Levy zusammen mit seiner damaligen Lebenspartnerin, der Schauspielerin Maria Schrader.

Der spannende, mit einer Liebesgeschichte verwebte Thriller erhielt 1998 den Bayerischen Filmpreis, 1999 den Bundesfilmpreis für beste Musik; zudem wurde Maria Schrader 1999 als beste Hauptdarstellerin mit dem Bundesfilmpreis geehrt.

Alternative zum Mainstream

Doch trotz all dieser Erfolge ist Levy im kommerziellen Sinn nicht wirklich erfolgreich. Zwar ist er künstlerisch anerkannt und geschätzt, doch den Schritt in die erste Gilde der Regisseure, denen alle Türen offen stehen, hat er noch nicht geschafft.

«Das Filmbusiness ist wie eine Kastengesellschaft. In meiner Kaste, in der ich mich sehr wohl fühle, ist mein Name gekoppelt an anspruchsvolle, komplexe Filme für Fernsehen und Kino. Ich sehe mich als ‹Underground-Alternative› zum Mainstream.»

Was nicht heisst, dass Dani Levy keine Träume hat. «Natürlich träume ich auch vom grossen Publikum, aber ich bin nicht bereit, Kompromisse einzugehen.» Levy will nicht im seichten Filmwasser baden. Er beherrscht die Kunst, mit relativ bescheidenen Mitteln anspruchsvolle Filme zu drehen.

So ist Levy auch nicht traurig, dass er die kommerziell erfolgreichsten Schweizer-Komödien der letzten Jahre «Ernstfall in Havanna» und «Achtung, fertig Charlie» nicht gedreht hat. Sein Ding wären diese braven Unterhaltungs-Filme nicht gewesen.

Back to the Roots

Längst hat sich Dani Levy auch mit seinen Eltern versöhnt. Und seit er selber Vater einer Tochter geworden ist, sind ihm seine Wurzeln wieder stärker bewusst.

Gleichsam ein «Back to the Roots» ist die im kommenden Jahr geplante Zusammenarbeit mit dem Basler Theater. Noch ist der Stoff nicht definitv ausgewählt. Aber sicher ist, dass Levy in der Inszenierung Regie führen wird.

Eine Rückkehr in die Schweiz kann er sich aber nicht vorstellen. «Mein Problem ist, dass sic die Schweiz immer provinzieller aufführt. Zudem wird es immer schwieriger, Gelder für Koproduktionen mit Deutschland zu erhalten.»

Zudem hat sich Levy, der jetzt seit über 20 Jahren in Deutschland lebt, ausserhalb von Berlin «schön sesshaft» eingerichtet. Zusammen mit seiner Familie lebt er in seiner «Datscha», einem ehemaligen Bootshaus, an der Havel.

Was nicht heisst, dass der kreativ-kritische Levy keine Film-Projekte mehr in der Schweiz realisieren möchte. Der bekennende Naturfreak hat seit langem einen Film in Hinterkopf, der sicher sein Publikum finden würde: Die Erstbesteigung der Eigernordwand.

Ein Stoff, bei dem der Basler aus dem Vollen schöpfen könnte. Engagiert, professionell und mit dem ihm eigen Humor könnte er dem fast vergessenen Genre des Bergsteigerfilms seinen filmischen Stempel aufdrücken. Noch ist alles sehr vage und Recherchen sind noch keine gemacht. Doch Dani Levy ist ein filmischer Langstreckenläufer: kommt Zeit, kommt Geld, kommt Film.

swissinfo, Brigitta Javurek, Basel

Dani Levy wurde 1957 in Basel geboren.

Filme:
1985 «Du mich auch»
1988 «RobbyKallePaul»
1991 «I was on Mars»
1993 «Ohne mich»
1996 «Stille Nacht»
1999 «Aimeé und Jaguar»
1999 «Meschugge»
2002 «Väter»

1994 gründen Daniel Levy, Stefan Arndt, Wolfgang Becker und Tom Tykwer den X Filme crative pool.

X Filme produzierte zahlreiche Filme für Kino und Fernsehen.

Die erste Produktion war 1994 «Stille Nacht» von Dani Levy. Der Film fand zuerst kein grosse Kinopublikum, doch eine Fernsehaustrahlung machte den Film weitherum bekannt.

Die beiden erfolgreichsten Filme sind «Lola rennt» von Tom Tykwer, der sich selbst in den USA durchsetzen konnte, und «Good by Lenin» von Wolfgang Becker, der von Deutschland ins diesjährige Oscar-Rennen geschickt wird.

Im Jahre 2000 wird der X Verleih gegründet.

Das neuste Projekt von Dani Levy ist aufgegleist und heisst «Zucker». Der Fernsehfilm wird Co-produziert von WDR, BR und ARTE.

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