Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

James Bond: 50% Schweizer, 100% profitabel

akg-images.de

Fünfzig Jahre, nachdem er die Welt vor Dr. Julius No gerettet hat, sorgt James Bond weiterhin auf der ganzen Welt für volle Kinokassen. Doch ohne die Schweiz wären die Filme – und Bond selber – ganz anders.

Es war der 5. Oktober 1962, als eine junge Frau aus dem Berner Vorort Ostermundigen den Kinogängern den Atem raubte. Sie entstieg dem Meer auf einer tropischen Insel, bekleidet nur mit einem kleinen, weissen Bikini und einem Tauchermesser.

Noch heute gilt Ursula Andress, die in der Rolle als Honey Ryder Muschelsammlerin und -verkäuferin war und wegen ihrem schweren Schweizer Akzent synchronisiert werden musste, als das Bond-Girl schlechthin. Inflationsbereinigt nahm der erste James-Bond-Film 437 Mio. Franken ein.

Ein halbes Jahrhundert und sechs Hauptdarsteller später zeigt die Marke “James Bond” keine Anzeichen von Altersmüdigkeit, auch wenn sie heute von Blockbustern wie etwa den “Jason Bourne”-Filmen bedrängt wird.

Anfang November wird Bond in “Skyfall” wieder für die Rettung der Welt kämpfen. Und er wird versuchen, den Einnahmerekord des deutsch-schweizerischen Regisseurs Marc Forster von 560 Mio. Franken mit “Quantum Of Solace” von 2008 zu übertreffen.

Die Beziehung zwischen Bond und der Schweiz geht aber viel tiefer, als nur über die eine Schauspielerin oder den anderen Regisseur. Die Figur Bond selber ist ein halber Schweizer: Seine Mutter, Monique Delacroix, stammte gemäss der Vorlage des britischen Autoren Ian Fleming aus dem Kanton Waadt. Sie kam bei einem Kletterunfall im französischen Chamonix ums Leben.

“Eine Legende besagt, dass Fleming eine Freundin in Genf hatte – er verbrachte einige Zeit in der Schweiz und in Österreich, wo er Skifahren lernte – und dies soll er in seine Geschichten eingewoben haben”, sagt Daniel Haberthür, Präsident des James Bond Club Schweiz.

Fleming, der zwischen 1952 und seinem Tod 1964 mit 56 Jahren zwölf Bond-Romane schrieb, bediente sich seines eigenen Lebenslaufs, um seine Figur Bond zu schaffen. So waren etwa beide während einiger Zeit an der Universität Genf immatrikuliert.

Haberthür und 160 weitere Fans – zwei Drittel davon Männer – treffen sich von Zeit zu Zeit, “um Geschichten auszutauschen, Szenen zu diskutieren und so weiter”. Dreissig von ihnen waren für “Quantum Of Solace” ins österreichische Bregenz gereist und konnten dort als Statisten in einer Szene mitwirken.

“Einige von uns sind Fans des aktuellen Darstellers Daniel Craig, andere lieben die Drehorte oder die Autos – die Interessen decken ein weites Feld ab. Letztlich geht es aber immer um James Bond”, sagt Haberthür.

Tourismusmotor

Die Schweiz war Schauplatz einiger der bekanntesten Szenen in Bond-Filmen. So etwa das Schilthorn, wo in “On Her Majesty’s Secret Service” (1969) ein Verfolger von George Lazenby vor eine Schneefräse fällt. Oder der Bungee-Sprung vom Verzasca-Staudamm in der Eröffnungsszene von “Goldeneye” (1995), der vielen noch heute als der spektakulärste aller Filmstunts gilt.

Laut Daniela Bär von Schweiz Tourismus hatten die zwei Bond-Filme einen grossen Einfluss auf den Tourismus an diesen beiden Orten. “Bei Filmfans sind Originalschauplätze sehr beliebte Destinationen. Da sind das Schilthorn und der Verzasca-Staudamm keine Ausnahmen”, sagt sie gegenüber swissinfo.ch.

“Die Auswahl dieser beiden Drehorte passt zu unserer Denkweise, denn sie zeigen die Schweiz von ihrer besten Seite: das Schilthorn als Winterdestination und der Verzasca-Staudamm als Symbol unserer Kampagne ‘Erlebnisse Schweiz’.”

Tatsächlich profitieren beide Schauplätze weiterhin vom Bond-Faktor. So kann etwa im Drehrestaurant “Piz Gloria” für 27.50 Franken ein “James Bond 007 Frühstucksbuffet” mit Sicht über die Bergwelt bestellt werden (ohne Martini).

Nicht exotisch genug

Die Schweiz als Land wird in den Romanen und Filmen jedoch kaum je erwähnt, ausser im Sinn der “Gnomen von der Zürcher Bahnhofstrasse”. So werden in “The World Is Not Enough” (1999) etwa die nachrichtenlosen jüdischen Vermögen in der Schweiz angesprochen. Ein Bankier erklärt, er sei beauftragt, das Geld seinem rechtmässigen Eigentümer zurückzugeben, worauf Bond antwortet: “Und man weiss, wie schwer dies einem Schweizer Bankier fällt!”

“Offensichtlich war die Schweiz keine Kampffront des Kalten Krieges, es fehlte ihr auch an Exotik, was die Alternative gewesen wäre”, sagt Jeremy Black, Geschichtsprofessor an der Exeter University in Grossbritannien und Autor des Buches “The Politics of James Bond: Von Flemings Romanen auf die grosse Leinwand”.

“Wenn man bedenkt, dass die Stars der frühen Filme Haie und Unterwasser-Aufnahmen waren, bot die Schweiz eher beschränkte Möglichkeiten.” Ein Teil der Attraktivität Bonds sei gewesen, dass er im Auftrag Ihrer Majestät an farbenfrohe und unbekannte Orte gereist sei, besonders häufig in die Karibik. “Nirgends in Europa fand man Vergleichbares.”

Stärken und Schwächen

Doch während der Schweiz Korallenriffe fehlen, hat sie doch andere Stärken: “Natürlich wäre es toll, einmal eine Verfolgungsjagd durch die Altstadt von Zürich zu sehen, doch es geht in den Filmen darum, einzigartige Orte zu zeigen – und das sind in der Schweiz die Alpen”, sagt Bond-Fan Haberthür.

“Die Alpen sehen auf Zelluloid fantastisch aus. Mit Sean Connery gab es keine Skiszenen – die ersten wurden in ‘On Her Majesty’s Secret Service’ geschossen. Später auch in den Filmen mit Roger Moore. Sie wurden fast immer in der Schweiz gedreht.”

Moore, der lange Zeit in Gstaad lebte und heute ein Winterhaus in Crans-Montana besitzt, war zwar ein passabler Skifahrer, doch überliess er die Stunts in “The Spy Who Loved Me” (1977) lieber den Profis. Dessen Eröffnungsszene, eine Verfolgungsjagd auf Skiern, wurde in St. Moritz gefilmt (auch wenn der spektakuläre Fallschirmsprung über eine Felswand auf Baffin Island in der nordkanadischen Provinz Nunavut gedreht wurde).

Der Bond-Zirkus hatte ebenfalls für Szenen in “From Russia with Love” (1963), “A View to a Kill” (1985) und “Goldfinger” (1964, mit der berühmten Verfolgungsjagd über den Furkapass) in der Schweiz haltgemacht.

“Fleming hat den Roman ‘Goldfinger’ nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben, als das Image der Schweiz angeschlagen war. Es war jener Ort, wo jeder sein Gold hortete”, erklärt Daniel Haberthür. “Das Image als Zentrum des Goldschmuggels kann also zum Teil auf Ian Fleming zurückgeführt werden.”

Doch während Tourismusvertreter der Marke Bond wohl auch für die nächsten 50 Jahre zuprosten werden, müssen die Schweizer Bankiers versuchen, Hollywood-Drehbuchautoren zu überzeugen, dass nicht alle von ihnen skrupellose Geldscheffler sind.

Wie Bond in “The World Is Not Enough” dem zwielichtigen Bankier Lachaise ironisch zuraunt: “Was wäre das für eine Welt, in der man nicht einmal einem Schweizer Bankier vertrauen kann.”

21. Feb.: “Die Physiker”, ein satirisches Drama von Friedrich Dürrenmatt, feiert Premiere in Zürich.

24. März: Tod von Auguste Piccard, Physiker, Erfinder und Entdecker.

1. April: 65% der Stimmenden lehnen eine Volksinitiative für ein Verbot von Atomwaffen ab.

10. April: Maximilian Schell gewinnt den Oscar als bester Hauptdarsteller in “Das Urteil von Nürnberg”.

7. Juni: Italien kickt die Schweiz an der Fussball-Weltmeisterschaft in Chile aus dem Wettbewerb.

21. Juni: Geburt der Videokünstlerin Pipilotti Rist.

9. Aug.: Tod des Poeten und Schriftstellers Hermann Hesse im Kanton Tessin.

13. Aug.: Erstbesteigung der Westwand des Matterhorns.

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft