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Luzerns Traum vom Aufstieg endet im Streit

Computeranimation der Salle Modulable. zvg

Mit einer 120-Millionen-Spende wollte Luzern in die Weltliga der Kulturmetropolen aufsteigen. Der Traum platzte mit dem Tod des Gönners und dem Rückzug seiner Erben. Der Entscheid über die Zukunft des geplanten Hightech-Saals fällt wohl auf Bermuda.

Aussage steht gegen Aussage: Die bisherige Planung für die Salle Modulable – einen variablen Saal für Musiktheater, Konzerte, Theater und Workshops – entspreche dem Willen des Gönners. Dieser habe die 120 Millionen Franken “schriftlich und rechtsverbindlich” versprochen, sagen auf der einen Seite die Promotoren des Saals.

Der anvisierte Standort missachte den Willen des Gönners, die Projektentwicklung komme zu langsam voran und lasse zu viele Ungewissheiten bezüglich Standort, Bau- und Betriebskosten, kritisieren auf der andern Seite die Erben des Gönners und begründen damit den Mitte Oktober angekündeten Rückzug der 120 Millionen.

Seither liegen die enttäuschten Exponenten der Stiftung Salle Modulable und die Gönnerschaft im Streit. Aus der verbalen Auseinandersetzung, die vor allem über die Medien geführt wurde, wird nun ein Gerichtsfall. Die Stiftung hat angekündet, sie wolle gegen die Gönner klagen. “Das sind wir Luzern schuldig”, sagt Vizepräsident Hubert Achermann.

Geld liegt auf den Bermudas

Verwaltet werden die 120 Millionen vom Butterfield Corporate Trust auf den Bermudas. Damit sei “wohl das Recht Bermudas anwendbar”, sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Privatrecht an der Universität Zürich, Dominique Jakob, gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Konkret: Ein Gericht auf den Bermudas wird sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Promotoren Abmachungen nicht eingehalten haben, oder ob die Gönnerschaft mit der Verweigerung der 120 Millionen ihren Verpflichtungen nicht nachkommt.

Ohne die 120 Millionen hat die Salle Modulable kaum eine Chance, dass sie dereinst realisiert wird. Die Behörden und die politischen Parteien Luzerns haben wiederholt darauf hingewiesen, dass das Prestigeprojekt nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden könne.

Ideale Ergänzung zum KKL

Initiant des Saales ist der Intendant des Lucerne Festivals, Michael Haefliger. Der in der Nähe von Luzern wohnhafte Milliardär und Kunstfreund Christof Engelhorn liess sich begeistern und versprach im August 2007, das Vorhaben mit einer Spende von 120 Millionen zu unterstützen.

Luzern, die Touristenstadt am Vierwaldstättersee und am Fuss der Alpen, sah sich vor einem Sprung in die Weltklasse der Kulturhauptstädte. In der 1. Liga der klassischen Musikfestivals spielt seit Jahrzehnten das Lucerne Festival. Auch das Kongress- und Kulturzentrum (KKL) des Pariser Architekten Jean Nouvel geniesst weltweite Ausstrahlung und gilt als gelungenes Beispiel der Verschmelzung von Kultur und Stadtmarketing.

Standort nicht erreichbar

Es war der Wunsch des Gönners, dass der Saal auf Gehdistanz zum Bahnhof und zum gegenüber liegenden KKL zu stehen kommt. Dazu hätte der See aufgeschüttet werden müssen. Das Projekt erwies sich als politisch nicht durchsetzbar.

Schliesslich wurde die Stadt fündig: Neben dem Verkehrshaus auf einem stadteigenen Grundstück, das die Stadt der Stiftung im Gratis-Baurecht abtreten will. Das kann sie allerdings nicht, ohne die Hürde einer Volksabstimmung. Zudem hat der Standort den Nachteil, dass von Gehdistanz zum KKL nicht mehr die Rede sein kann.

Aussage gegen Aussage

Bei der bevorstehenden gerichtlichen Auseinandersetzung geht es auch um die Frage, ob der nun vorgesehene Standort den Willen des im August 2010 verstorbenen Gönners Christof Engelhorn respektiert oder nicht.

“Ja”, sagt Hubert Achermann, Engelhorn sei mit dem Standort einverstanden gewesen: “Das können wir mit einer Aktennotiz beweisen.” Das stimme nicht, entgegnet der Sprecher der Erben. Engelhorn habe bis zu seinem Tod auf einem Standort in Hauptbahnhofsnähe bestanden.

Nun wird also voraussichtlich ein Gericht auf den Bermudas die Frage klären, wer recht hat und ob das Geld dereinst nach Luzern fliessen wird. Ein Spaziergang werde das Gerichtsverfahren “aufgrund der internationalen Verflechtung” nicht, sagt Rechtsesperte Dominique Jakob.

Die Idee, in Luzern eine Salle Modulable zu bauen, kommt vom Lucerne Festival.

Der frei unterteilbare Hightech-Saal soll Platz für insgesamt 1200 Besucher bieten.

Er soll sowohl für traditionelle wie zeitgenössische und experimentelle Musiktheater und Konzerte genutzt werden.

Auch das Luzerner Theater ist an der Benützung interessiert.

Die Stiftung Salle Modulable hat vor einigen Monaten eine Machbarkeitsstudie zu den Bau- und Betriebskosten eines solchen Baus in Auftrag gegeben.

Die Studie soll im Januar 2012 vorgelegt werden.

Zurzeit gehen die Promotoren von Baukosten im Umfang von 170 Millionen Franken aus.

Ohne die nun fraglichen 120 Millionen des Gönners Christof Engelhorn ist die Finanzierung nicht gesichert.

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