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Moritz Leuenberger plädiert für eine unabhängige SRG

Bundespräsident Moritz Leuenberger warnte vor dem "Homo zappiens". SF

Bundespräsident Moritz Leuenberger warnt die SRG SSR idée suisse davor, sich in die Fesseln des Marktes zu begeben. Dabei stehe nämlich die Unabhängigkeit des Unternehmens auf dem Spiel.

Zur Gebührenerhöhung, über die der Bundesrat entscheiden wird, sagte der Medienminister, dass sie eine rein technische und keine politische Angelegenheit sein soll.

In den Anfängen sei es der Staat gewesen, der die Freiheit der öffentlich-rechtlichen SRG eingeschränkt habe, sagte Bundespräsident und Medienminister Leuenberger am Donnerstagabend am Gala-Abend “75 Jahre SRG” im Berner Kursaal.

Später habe die SRG ihre Glaubwürdigkeit mit ihrem missionarischen Eifer selber gefährdet.

Heute jedoch wolle die SRG im Kampf um Marktanteile erfolgreich sein und die Zuschauerquote werde zum obersten Credo.

Das Publikum müsse mit Spektakel, Konflikt, Skandal und Personalisierung an den Bildschirm gefesselt werden – wegen der Quote, aber auch, um der Werbung eine attraktivere Plattform zu bieten als die Konkurrenz, sagte der Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

Stets schläfriger Leuenberger

Sendungen mit differenzierteren Tönen rückten dagegen an den Rand des Programms. In der Westschweizer Radiosendung “La soupe est pleine” werde er als stets schläfriger Bundesrat dargestellt. “Zu Recht, denn die Sendungen, die mich interessieren, strahlt die SRG alle gegen Mitternacht aus.”

Zunehmend bröckle auch die “Chinesische Mauer” zwischen dem redaktionellen Teil und der Werbung. Die Darsteller von “Lüthi und Blanc” lebten seit einiger Zeit gefährlich. Immer, wenn sie die Strasse überquerten, ratterten gut sichtbar beschriftete Möbellastwagen heran, auf der Suche nach Publikum.

Es gebe aber immer noch die erratischen Blöcke, die sich nicht verrückt machen liessen – und die Erfolg hätten. Das “Echo der Zeit” des Deutschschweizer Radios stehe seit je und noch immer für seriöse Information und differenzierten Journalismus.

Homo sapiens statt homo zappiens

Ohne sich zur heiss umstrittenen Frage der beantragten Gebührenerhöhung zu äussern, kam Leuenberger auch auf die Gebühren zu sprechen. Die SRG habe eine öffentliche Aufgabe, sie finanziere sich vor allem mit Gebühren. “Diese Gebühren kompensieren nicht nur die Kleinheit der Märkte”, sagte er.

Gebühren ermöglichten Programme, die sich den Marktzwängen nicht unterwerfen müssten. Sie ermöglichten und verpflichteten vielmehr zu Programmen, die eine Bindung schaffen. Denn Kommunikation heisse Gemeinsamkeit.

“Der Homo sapiens mag vielleicht nicht zu einer maximalen Einschaltquote verhelfen, aber er schafft doch eine verlässlichere Bindung als der homo zappiens”, sagte Leuenberger weiter.

Die SRG-Direktion hat für die Jahre 2007 bis 2010 eine Gebührenerhöhung von 6,5% verlangt. Vor allem bürgerliche Politiker lehnen dies entschieden ab. Der Bundesrat wird am Freitag entscheiden.

Gegenüber dem Schweizer Radio sagte Leuenberger, dass er dabei auf einen rein technischen statt politischen Entscheid hoffe.

Verbindlichere Publikumsbindung

Wenn die SRG mit ihren Programmen Gemeinsamkeit schaffe, wenn sie den kulturellen Zusammenhalt und die nationale Kohäsion pflege, wenn sie sich durch diese Programme und nicht einfach durch das Signet von den anderen Sendern unterscheide, dann gebe es auch eine Bindung der Zuhörerinnen und der Zuschauer.

“Dann gibt es eine Gemeinde, die weiterhin überzeugt und auch willens ist: Der SRG gebühren auch Gebühren”, ist der Medienminister überzeugt.

Die Unabhängigkeit der SRG betonte auch Generaldirektor Armin Walpen: Die SRG müsse ihr Sorge tragen, sagte er seinem Grusswort. Jenseits aller Marktzahlen, so wichtig diese seien, müsse sich die SRG fragen, ob sie die Anforderungen an ein privates Medium mit öffentlichem Auftrag in etwa erfülle.

swissinfo und Agenturen

Die SRG nahm im letzten Jahr 1,5 Mrd. Fr. ein.
Davon waren 1,1 Mrd. Fr. Gebühren.
350 Mio. Fr. steuerten Werbung/Sponsoring bei.
75 Mio. kamen aus anderen Quellen wie der Verkauf von Sendungen an andere Sender.

Die SRG, öffentlich-rechtlicher Dienstleister im Medienbereich (Service public), feiert ihren 75. Geburtstag.

Sie bietet in der Schweiz sieben TV- sowie 16 Radio-Programme in allen Landessprachen an.

Neben den Internetauftritten der Fernseh- und Radiosender betreibt die SRG auch die Internetplattform swissinfo, die in neun Sprachen Informationen für Auslandschweizer und ein internationales Publimum anbietet.

Weil die einzelnen Sprachregionen wirtschaftlich nicht gleich stark sind, fliessen Gebührengelder aus der Deutschschweiz in die anderen Landesteile.

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SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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