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Nur noch Büsis tragen Katzenfell

Das letzte Bild von Murr. imagepoint

Ende des Katzenjammers in Sicht: Regierung und Parlament haben dem Handel mit Katzenfellen den Riegel geschoben. Ein Entscheid aus purlauterer Tierliebe? Schön wärs.

Kater Murr in seinem leuchtend roten Pelz ging gern auf die Walz. Nach drei, vier Tagen, spätestens nach einer Woche stand er jeweils wieder auf der Matte und verlangte laut miauend seinen vollen Katzenteller.

Doch diesmal kehrte er nicht mehr zurück. Die schlimmsten Befürchtungen vom Katzenmami oder –papi sind leider nicht aus der Luft gegriffen: Murr ist jetzt Teil einer Rheumadecke.

Empfindliche Tierfreundinnen und –freunde können beruhigt sein: Unser roter Murr hier ist nur eine Kunstfigur. Die schmerzlindernde Decke aus Katzenfellen hingegen ist Realität.

Zumindest noch bis 2009. Denn ab nächstem Jahr ist der Handel von Katzenfellen in der Schweiz verboten. Nach der grossen Kammer hat am Donnerstag auch die kleine Kammer eine entsprechende Motion des Genfer Nationalrats Luc Barthassat angenommen. Zuvor hatte sich auch die Schweizer Regierung für das Verbot ausgesprochen.

Deshalb gleich von einem Bundeshaus voller Katzenfreundinnen und -freunde zur sprechen, wäre aber verfehlt. Nicht Tierliebe stand beim Entscheid Pate. Sondern die Verhinderung eines voraussehbaren Katzenjammers in den ohnehin nicht ganz harmonischen Beziehungen mit Brüssel.

Autonomer Nachvollzug von Lex Brüssel

Denn die Europäische Union war auch beim Thema Tierschutz vorgeprescht. Ab Anfang 2009 sind unter den EU-Mitgliedstaaten Import, Export wie der Binnenhandel mit Katzenfellen verboten. Und nicht nur das. Auch Hundefelle sind tabu.

Hätte das Schweizer Parlament im sensiblen Bereich Katzenfellhandel eine isolationistische Haltung an den Tag gelegt wie in der EU-Beitrittsfrage, wäre das kleine Land zur internationalen Drehscheibe von Katzenfellen geworden, so die Befürchtung.

Das war den Parlamentariern dann doch zu heiss. Ihnen hat schon gereicht, dass die britische Zeitung The Guardian, die deutsche Bild oder gar die New York Times mit dem Finger auf das Land der Katzenfelljäger gezeigt und sich über die Bänkeler mit ihren seltsamen Feierabendsitten mokiert hatten.

Kämpferinnen für das Katzenwohl

Schuld ist aber nicht nur das Ausland, wie es in der Schweiz gern heisst. Zwei Katzenmütter, die ihr Heim im Neuenburger Jura mit über 250 misshandelten Katzen teilen, setzten Druck von innen auf. Die Petition ihrer Organisation SOS Chats, mit der sie das Verbot des Katzenfellhandels verlangten, haben 137’000 Menschen unterzeichnet.

Mit an Bord ist auch Prominenz: Die Ex-Schönheit Brigitte Bardot und Ex-Rennfahrer Michael Schumacher unterstützen die Kampagne. Letzterer gar als bekennender mehrfacher Hundehalter!

Mit vereinter Kraft wurde so das grösste Imperium in Sachen Internet-Versteigerungen in die Knie gezwungen: Seit Juli wechseln auf Ebay keine Katzenfelle mehr den Besitzer. Zumindest nicht mehr auf deutschsprachigen Seiten.

Auch nicht mehr auf den Teller

Tomi Tomek und Elisabeth Djordjevic, die beiden entschlossenen Katzenkämpferinnen aus Noiraigue, werden nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, sondern ihren Kampf um das Lebensrecht der Katzen fortsetzen. Nach den Fellhändlern wollen sie den Essern von Katzen- und Hundefleisch das Handwerk legen.

Dass es solche hierzulande noch gibt, darüber ist in regelmässiger Folge nicht nur in der Welt-, sondern auch der heimischen Presse zu lesen. In Milch eingelegt und zubereitet wie Kaninchen, soll Katzenragout besonders schmecken, war eine anonyme Quelle einmal zitiert worden.

Boomende Wirtschaftsbranche

Das sind bizarr-irritierende Signale in einer zivilisierten Welt mit subventionierter Nahrungsmittelproduktion. Ende des 19. Jahrhunderts war das noch anders. Büsimützen aus dem Zürcherischen Wädenswil waren im Winter der Renner. Und auch der Polarheld Nansen und seine mutigen Crew, denen gegen die Kälte am Nordpol nur das Beste gut genug war, trugen Mützen aus Katzenfell.

Heute schützen Hightech-Materialien wie Gore-Tex- und Windstopper-Membrane vor eisiger Kälte, entwickelt in hermetisch abgeschlossenen Laboren. Herr und Frau Schweizer lassen sich die Leckereien für ihre Katzen und Hunde jährlich über 300 Millionen Franken kosten.

Fachmärkte mit allem, was angeblich das Katzen- und Hundeherz begehrt, schiessen allenthalben aus dem Boden. Und immer mehr Menschen leisten sich für ihren vierbeinigen Freund ein Grab auf einem Tierfriedhof. Ein solches hätte auch Murr verdient.

swissinfo, Renat Künzi

Am 1. September dieses Jahres ist die neue Tierschutzverordnung in Kraft getreten.

Sie enthält neue Haltungsvorschriften für Haus- und Nutztiere.

Die Verordnung ist umstritten. Kritiker monieren, dass die Bestimmungen für die Nutztiere zu wenig streng, für die Haustiere dagegen zu rigoros seien.

In Art. 80 ist die Haltung von Hauskatzen geregelt.

Demnach müssen einzeln gehaltene Katzen täglichen Umgang mit Menschen oder Sichtkontakt mit Artgenossen haben.

Sie dürfen nur vorübergehend einzeln in Gehegen gehalten werden. Solche müssen Mindest-Anforderungen erfüllen.

In Gehegen gehaltene Katzen müssen sich mindestens an fünf Tagen pro Woche zeitweilig ausserhalb des Geheges bewegen können.

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