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Tiere können nicht klagen, erhalten aber einen Anwalt

Die Tiere sollen nicht drei, sondern in jedem Kanton einen Anwalt erhalten. Keystone

Vertreter von Tierschutz-Organisationen und aus der Politik haben in Bern die Tierschutzanwalt-Initiative eingereicht, die von knapp 150'000 Stimmbürgern unterzeichnet wurde.

Ziel des Volksbegehrens ist, dass in allen Kantonen Tierschutzanwälte die Interessen geschundener Tiere vertreten. Die Abstimmung ist voraussichtlich 2009.

Drei in Anwaltsroben und gepuderten Perücken auftretende Personen mit Stofftieren in den Armen übergaben am Donnerstag der Bundeskanzlei in Bern die Unterschriften-Schachteln.

Etwa 30 Sympathisantinnen und Sympathisanten begleiteten sie mit Plakaten. “Tiere haben ein Recht auf Schutz”, stand darauf.

Die Volksinitiative “Gegen Tierquälerei und für einen besseren Rechtsschutz der Tiere (Tierschutzanwalt-Initiative)” war im Januar 2006 lanciert worden.

Kein Kavaliersdelikt

Nach Ansicht der Dachorganisation Schweizer Tierschutz (STS) besteht heute in der Schweiz ein “eklatanter Missstand” bei der Verfolgung von Verstössen gegen das Tierschutzgesetz. Tierquälereien gälten immer noch als Bagatelle. Falls jemand bestraft werde, dann häufig nur mit einer “läppischen Geldstrafe”.

Ein Tierschutzanwalt, wie ihn der Kanton Zürich kennt, verbessere die Situation. Auf diese Weise erhielten nicht nur Tierquäler, sondern auch die Tiere vor Gericht einen Beistand. Der Tierschutzanwalt soll nach Ansicht des STS auch Ermittlungen durchführen.

Am meisten Unterschriften stammen gemäss STS-Geschäftsführer Hansueli Huber aus den bevölkerungsreichen Kantonen Zürich, Waadt und Bern. Die Tierschutzanwalt-Initiative sei aber in allen Kantonen verhältnismässig auf etwa gleich viel Interesse gestossen, sagte STS-Präsident Heinz Lienhard.

Abstimmung frühestens 2009

Die Tierschutzinitiative wird von den 66 Tierschutzvereinen der Schweiz und Liechtensteins getragen, die sich unter dem Dach des STS befinden.

Weitere zielverwandte Organisationen tragen sie mit. Die Grüne Partei der Schweiz unterstützt die Volksinitiative ebenfalls.

Diese scheint aber parteiübergreifend Interesse zu wecken: Bei der Unterschriftenübergabe packten nacheinander der Berner Nationalrat Bernhard Hess (Schweizer Demokraten) und der sozialdemokratische Solothurner Nationalrat Boris Banga mit an. STS-Präsident Lienhard rechnet damit, dass die Volksabstimmung frühestens 2009 stattfindet.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Reaktion auf Parlamentsentscheid

Die Tierschutzanwalt-Initiative geht auf einen Entscheid der eidgenössischen Räte zurück. National- und Ständerat lehnten es im Juni 2005 bei der Revision des Tierschutzgesetzes ab, darin eine solche Institution zu verankern. Als Gegenargument wurde etwa angeführt, die Einführung eines solchen Amts sei Sache der Kantone.

Im Kanton Zürich gibt es seit über 15 Jahren einen Tierschutzanwalt. Diese Institution hat sich nach Ansicht des STS bewährt. Die Zahl der behandelten Tierschutzfälle sei dort deutlich höher als in der übrigen Schweiz. Auch die ausgesprochenen Strafen überschritten den Durchschnitt.

Gemäss Initiativtext ist es möglich, dass mehrere Kantone gemeinsam einen Tierschutzanwalt einsetzen. Der STS stellt sich vor, dass die Kosten für dessen Tätigkeit durch die höher ausfallenden Bussen gedeckt werden. Ausserdem verspricht sich der Tierschutz von spezialisierten Anwälten effizientere Verfahren.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz leben ungefähr 17 Mio. Tiere, darunter über 7 Mio. Haustiere.
Davon sind 1,3 Mio. Katzen und 400’000 Hunde.
Pro Jahr werden ungefähr 475’000 Tiere für Versuchszwecke gebraucht.
Beim Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) werden gemeldete Tierschutz-Strafentscheide erfasst.
Seit 1982 hat das BVET 3500 Verurteilungen wegen Tierquälerei registriert (Stand 2005).

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