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Acht Schweizer Segler im Alinghi-Team

Obwohl stets die Internationalität der Alinghi-Segeltruppe betont wird, spielen die Schweizer eine Hauptrolle.

Im multikulturellen, 31-köpfigen Team aus 11 Nationen befinden sich acht Schweizer mit wichtigen Rollen auf oder neben dem Boot.

Nur zwei von acht Schweizern waren bisher in mehr als der Hälfte aller Regatten auf dem Boot. Syndikatschef Ernesto Bertarelli hatte als Navigator einen Stammplatz, und Enrico De Maria kam oft als Grinder zum Einsatz.

Für die Finalserie darf sich nun auch Dominik Neidhart gute Chancen ausrechnen, weil mit dem Franzosen Christian Karcher (Fr) sein Grinder-Konkurrent für die Finalserie verletzungsbedingt ausfällt.

Generell wird die Leistung der acht Schweizer hoch eingeschätzt. «Sie haben enorme Fortschritte gemacht», sagt Skipper Russell Coutts mehr als nur höflich.

Von einem Bonus können die Inhaber des rotweissen Passes aber nicht profitieren; den knallharten Coutts interessiert auf dem Weg zum möglichen persönlichen Hattrick die Nationalität nicht.

Dass in der Stammformation stets sechs Neuseeländer stehen, erklärt sich einzig durch Leistung und Erfahrungsvorsprung.

Ein Lebenslauf mit Spätfolgen

Dass sich von den Schweizern neben Bertarelli ausgerechnet Enrico De Maria regelmässig in die Regattaformation gearbeitet hat, ist erstaunlich, denn sein Weg auf ein America’s-Cup-Boot verlief ungewöhnlich.

Das Mitglied des YC Rapperswil schickte Alinghi-Pressechef Bernard Schöpfer einen Lebenslauf, hörte dann aber rund zwei Monate nichts und dachte schon, er sei kein Thema.

Gross war das Erstaunen, als er plötzlich von Jochen Schümann kontaktiert wurde. «Er hat mich zu einem zweitägigen Training eingeladen und danach war ich noch eine Woche in Südfrankreich, ehe wir den Vertrag unterzeichneten», berichtete der 26-Jährige.

Der diplomierte Maschinen-Ingenieur kam ohne grosse Erwartungen in die Crew, auch deshalb, weil er keine Erfahrungswerte besass. Als Vertreter der Schweiz, deren Routine im Bereich America’s Cup sich auf die komplett missratene letzte Kampagne mit der «Fast 2000» beschränkte, musste er mehr beweisen als andere, schon im Training:

«Beide Besatzungen und Boote sind sehr ausgeglichen. Wir mussten immer voll gehen, und meine Leistungen wurden kritisch betrachtet wie die der anderen auch.»

Job mit beschränkter Übersicht

Die Beweisführung ist dem Starboot-Segler aus Rüti ZH eindrücklich gelungen, obwohl für ihn am Anfang fast alles Neuland war: «Ich hatte keine Ahnung, was ein Grinder zu tun hat.»

Mittlerweile weiss er dies aus dem Effeff. Unzählige Einheiten im Kraftraum, zumeist zu unchristlicher Zeit (ab 06.30 Uhr), machten aus dem 190-cm-Hünen einen Kraftbrocken von 103 Kilogramm, der für das Hissen der Vorsegel und die Grobeinstellung bei den Manövern zuständig ist.

Den Rennüberblick vermag er dabei nicht immer zu wahren: «Manchmal sieht man das andere Boot aus unserer Position gar nicht. Aber ich muss mich ohnehin auf meine Arbeit konzentrieren. Schon ein kleiner Fehler von einem der 16 Leute kann eine Regatta kosten.»

De Maria möchte noch ein paar Jahre mit ersten beruflichen Einsätzen als Maschinen-Ingenieur warten; zunächst will er Segelprofi bleiben.

Nach der Rückkehr in die Schweiz («ich freue mich vor allem aufs Skifahren») beginnt am 22. März bereits das nächste Abenteuer. Zusammen mit Flavio Marazzi, dem Sohn des Berner Stadionbauers Bruno Marazzi, will sich De Maria im Starboot für die Olympischen Spiele qualifizieren.

Vorläufig verschwendet er jedoch keinen Gedanken an Athen und 2004: «Zuerst wollen wir den Cup gewinnen.»

Scherrers Realismus

Kaum eine Chance auf Aufnahme in die Stammformation hat Christian Scherrer. Der Winterthurer hat das Pech, dass sein Konkurrent ein Ausnahmekönner ist; Simon Daubney ist auf der Position des Genoa-Trimmers weltweit eindeutig die Nummer 1.

Auch Scherrer anerkennt dies neidlos: «Wenn ich das Rennteam zu nominieren hätte, würde ich mich selber auch nicht aufstellen.»

Für Scherrer bleibt es damit aller Voraussicht nach – eine Verletzung Daubneys ausgenommen – bei zwei wettkampfmässigen Einsätzen gegen Stars and Stripes sowie Le Défi Areva.

Die Reservistenrolle bereitet Scherrer, der am ersten Finalrenntag 33 Jahre alt wird, zumindest gegen aussen wenig Mühe: «Klar wäre es schöner, wenn ich mehr auf dem Schiff gewesen wäre. Ab einem gewissen Punkt steht jedoch das Teamdenken einfach deutlich im Vordergrund.»

Dieses Teamdenken leben die Ersatzleute perfekt vor: Sie tun alles, um der Regattacrew die Arbeit zu erleichtern und haben einen ebenso langen Arbeitstag wie Coutts und Co.

Scherrer hat, wie die andern Schweizer, allen Grund, stolz zu sein. Die Vertreter des Binnenlandes haben durch Leistung überzeugt.

«Es ist toll, dass es uns gelungen ist, das vorher doch grosse Loch zu den Neuseeländern zu schliessen», freut sich Scherrer, für den mit dem Auslaufen seines Vertrags (Ende März) bereits die dritte America’s-Cup-Kampagne zu Ende geht.

1995 war er bei der «Young Australia» dabei, allerdings primär als Segelmacher, darauf beim verunglückten Abenteuer mit der «Fast 2000».

Der Vergleich fällt deutlich zu Gunsten der Alinghi aus: «Die Intensität hier ist am grössten, alles ist gut strukturiert. Es wird direkt kommuniziert, und wir können auch viel mitentscheiden.»

Im Gegensatz zu De Maria steht Scherrer im Frühling nicht sofort wieder unter «Segelstress», wenn er in die Schweiz zurückkehrt. Seine unmittelbare Zukunft ist noch ungeklärt: «Ich bin für alles offen. Ich habe verschiedene Projekte laufen, werde aber nichts überstürzen.»

swissinfo und Marco Keller, Auckland (SI)

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