Berner Therapiezentrum für Folteropfer nun seit vier Jahren in Betrieb
Seit vier Jahren betreut das Therapiezentrum für Folteropfer in Bern anerkannte Flüchtlinge, die gefoltert wurden oder unter einem Kriegstrauma leiden. Das Zentrum wird vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) beim Berner Inselspital betrieben.
Seit vier Jahren betreut das Therapiezentrum für Folteropfer in Bern anerkannte Flüchtlinge, die gefoltert wurden oder unter einem Kriegstrauma leiden. Das Zentrum wird vom Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) beim Berner Inselspital betrieben und funktioniert wie eine Gruppenpraxis.
Das therapeutische Team besteht aus Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern, Physiotherapeuten, Dolmetschern sowie einer Ethnologin, die grösstenteils Teilzeit arbeiten.
80 Prozent Türken, Bosnier und Kosovaren
Die Patienten reisen aus der ganzen Deutschschweiz zur ambulanten Therapie an. Rund 250 Folteropfer sind in den letzten vier Jahren behandelt worden, wie der Leiter des Therapiezentrums, Conrad Frey,(l. im Bild), sagte. Drei Viertel sind Männer, ein Viertel Frauen. Die Warteliste ist lang, das Zentrum überlastet. Um Asylbewerber kann sich das Therapiezentrum nicht kümmern. Aufgenommen werden ausschliesslich anerkannte Flüchtlinge mit Ausländerausweis B oder C. Rund 80 Prozent der Patienten stammen aus der Türkei sowie aus Bosnien und Kosovo. Rund die Hälfte kommt zu Abklärungen und Kurzberatungen mit höchstens fünf Gesprächen, die übrigen beginnen eine längere Therapie, die Jahre dauern kann.
Seelische Wunden
Für Männer aus diesen Kulturen sei es besonders schwierig, psychologische Hilfe von Fremden in Anspruch zu nehmen, sagt Frey. Die meisten werden von kommunalen Sozialdiensten oder von Hilfswerken angemeldet; in letzter Zeit hätten die Selbstanmeldungen aber zugenommen, was für die Akzeptanz des Therapiezentrums spreche.
Folter hinterlässt beim Opfer bleibende Spuren an Leib und Seele, sagt Conrad Frey. Zu den körperlichen Verletzungen kommt eine seelische Erschütterung, mit der andere Schicksalsschlägen kaum vergleichbar sind. Die Misshandelten leiden unter einem tief verwurzelten Gefühl des Zweifels am Menschen und der Menschheit. Sie haben Schuld- und Schamgefühle. Es fehlt ihnen an Vertrauen, Respekt, Würde und Achtung vor sich selbst und den anderen.
Aber nicht alle Menschen zerbrechen an der Folter, unterstreicht Frey. Etliche entwickeln durch das Leiden eine besondere Reife und Humanität.
Überleben lernen
In der Therapie ist es oberstes Ziel, dass der Patient die Rolle des passiven Opfers abstreift und zum aktiven Überlebenden wird. Neben der Rehabilitation von körperlichen Störungen – weitaus am häufigsten sind Rücken- und Kopfschmerzen – soll das Vertrauen des Patienten in sich selbst und die anderen gestärkt werden.
Wichtig ist, dass die Beziehungen zur Familie und zum neuen, schweizerischen Umfeld gestärkt werden. Der Patient soll seine kulturelle und religiöse Identität bewahren und sich mit seinen Migrationserfahrungen konstruktiv auseinandersetzen.
Ein grosses Problem im Therapiezentrum ist das Geld: Rund 90 Prozent seiner Patienten sind erwerbslos und werden von der Fürsorge unterstützt. Zwar werden die Behandlungskosten von den Krankenkassen getragen, und die Reisespesen und ähnliches übernehmen häufig Hilfswerke. Letztere aber müssen mit immer weniger Mitteln auskommen, da die öffentliche Hand auf allen Ebenen Subventionen kürzt.
Kurzsichtige Sparpolitik
Diese Sparpolitik könnte sich aber als kurzsichtig erweisen, wie Conrad Frey sagt: «Flüchtlinge nehmen überdurchschnittlich viel medizinische Hilfe in Anspruch – und Folteropfer in besonderem Mass. Sie sind häufig krank, sie haben oft Schmerzen – auch psychosomatische, sie wechseln häufig den Hausarzt, sie nehmen viele Medikamente.» Daraus entstehen erhebliche Kosten, die die Krankenkassen zu tragen haben.
In Skandinavien, England und Deutschland gibt es seit längerem Behandlungszentren für Folteropfer. Weltweit existieren über 200 Zentren.
Mit dem Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention und der Unterzeichnung der Uno-Konvention gegen die Folter ist die Schweiz die humanitäre Verpflichtung eingegangen, Massnahmen zur Prävention der Folter zu treffen und den Betroffenen auch in Exilländern Behandlungsmöglichkeiten anzubieten.
Nach längeren Vorarbeiten konnte das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) im Herbst 1995 das Therapiezentrum für Folteropfer in Bern eröffnen.
SRI und Agenturen

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