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Bessere Arbeitsbedingungen dank der WM

Wie hier in Durban demonstrieren die privaten Sicherheitsleute fast täglich vor den WM-Stadien Keystone

Die Rechte der Bauarbeiter in Südafrika konnten dank der Fussball-WM verbessert werden. Dieser Meinung ist der Gewerkschafter Vasco Pedrina, für den die Streiks vor den Stadien zeigen, dass die Arbeiterbewegung in Südafrika stärker geworden ist.

Seitdem der Anpfiff der Weltmeisterschaft erfolgt ist, haben hunderte von privaten Sicherheitsleuten täglich vor den südafrikanischen Stadien demonstriert. Vergangenen Montag haben die Buschauffeure gestreikt und tausende Fans neben dem Stadion Soccer City von Johannesburg stehen lassen.

Diese Demonstrationen, peinlich für die Organisatoren, sind häufig in Südafrika, in einem Land, wo das Arbeitsrecht weit entwickelt ist. Der Präsident des Organisationskomitees, Dany Jordaan, ist der Meinung, dass “der Streik ein demokratisches Recht ist, das mit viel Kampf erreicht wurde.”

Der Vizepräsident der Bau- und Holz Internationale (BHI) und Generalsekretär der Gewerkschaft Unia, Vasco Pedrina, konnte sich von der Wichtigkeit der Arbeiterbewegungen in Südafrika überzeugen.

Dank einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften aus dem Norden und denen aus dem Süden verbesserten sich die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter der Stadien.

swissinfo.ch: Rechnen Sie damit, dass sich die Demonstrationen vor den Stadien der Weltmeisterschafts-Spiele ausweiten?

Vasco Pedrina: Die Leute demonstrieren, weil sie Versprechungen in Bezug auf Löhne und Arbeitsbedingungen erhalten haben, die nicht eingehalten wurden. Ihre Forderungen sind berechtigt.

Der Dienstleistungssektor profitiert nicht von einem Gesamtarbeitsvertrag und den Fortschritten, die in anderen Branchen realisiert wurden. Gemäss meiner Erfahrung mit Südafrika können sich die Konflikte rasch ausweiten. Die latenten Frustrationen belasten das Herz der Bevölkerung.

Dazu kommt, dass Südafrika ganz klar ein führendes Land in Bezug auf die Gewerkschaftsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent ist. Die Tradition des Kampfes der Gewerkschaften hat ihre Wurzeln im Kampf gegen die Apartheid.

Die Gewerkschaften setzen erfahrene Vertreter in den Unternehmen ein. Die Vernetzung ist stark und sie erlaubt den Arbeitern regelmässig, ihre Forderungen auf nationaler Ebene zu stellen.

Die südafrikanische Gesetzgebung ist den Gewerkschaften günstig gesinnt, noch mehr als in der Schweiz.

swissinfo.ch: Hat die Weltmeisterschaft die Gelegenheit gebracht, die Rechte der Arbeiter zu verbessern?

V.P.: Mehr als vier Milliarden Franken wurden von der südafrikanischen Regierung in den Neubau und in die Renovierung der Stadien und der Flughäfen investiert.

Eine neue Bahnlinie, die Pretoria mit Johannesburg verbindet, wurde realisiert. Es war eine gute Gelegenheit, würdige Arbeitsbedingungen für die südafrikanischen Arbeitnehmenden zu fordern.

Die Kampagne “Fair Games – Fair Play” die in der Vorbereitungsphase der Weltmeisterschaft durchgeführt wurde, war von Erfolg gekrönt. Was die Sicherheitsbestimmungen und die Gesundheit am Arbeitsort betrifft, wurden sehr grosse Fortschritte erzielt.

Die gute Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften im Norden und denen im Süden war der Schlüssel dieses Erfolgs. Die südafrikanischen Gewerkschaften können ihre Leute gut mobilisieren.

Wir haben sie finanziell unterstützt und ihnen ermöglicht, Kontakte zur Fifa zu knüpfen. Internationale Rahmenverträge konnten mit den multinationalen Bauunternehmungen der Stadien unterzeichnet werden. So konnten die Stadien für Südafrika zu guten Bedingungen gebaut werden.

swissinfo.ch: Trotzdem hat das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH), dem Sie selbst angehören, dem Weltfussballverband Fifa und Sepp Blatter eine gelbe Karte ausgestellt. Warum diese verschiedenen Botschaften?

V.P.: Wir haben der Fifa eine gelbe Karte ausgestellt, nicht eine rote. Einige Versprechen wurde nicht eingehalten und die Zusammenarbeit war nicht immer einfach. Was die Fifa über den sozialen Fortschritt, der durch den Fussball erreicht werden könne, verlauten lässt, entspricht nicht immer der Realität.

Mit ihrer finanziellen und politischen Macht hätte die Fifa einen grösseren Beitrag zur Verbesserung des Lebensstandards der südafrikanischen Bevölkerung leisten können. In der Phase vor dem Bau der Stadien wurden Leute mit Gewalt umgesiedelt. Auch andere Ungereimtheiten wurden festgestellt.

Ich persönlich sehe das Glas lieber als halbvoll an. Es wurden Fortschritte in Bezug auf die anstehende Weltmeisterschaft erzielt.

Es ist das erste Mal, dass die Fifa die Baustellen für die internationalen Gewerkschaften geöffnet hat.

Die Zusammenarbeit mit der Uefa, dem Europäischen Fussballverband, in Bezug auf die Europameisterschaft 2012 zum Beispiel ist viel schwieriger. Die Euro wird in Polen und in der Ukraine stattfinden.

swissinfo.ch: Die nächste Fussball-Weltmeisterschaft wird in Brasilien stattfinden. Brasilien ist, wie Südafrika, eines der Länder, in denen der Lebensstandard sehr unausgeglichen ist. Werden Sie mit Ihren Aktionen weiterfahren?

V.S.: Diese erste Erfahrung hat gezeigt, dass sich die internationale Solidarität auszahlt. Die Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften des Südens und des Nordens wird deshalb weitergehen. Unsere brasilianischen Kollegen haben uns gebeten, ihnen zu helfen, damit sie eine ähnliche Kampagne auf die Beine stellen können.

Brasiliens Präsident Lula hat sich schon offen für eine Zusammenarbeit gezeigt, damit die Weltmeisterschaft in Brasilien auch ein Instrument für den sozialen Fortschritt wird.

In diesem Land sind fünf Millionen Arbeiter an den Bauarbeiten beteiligt. Wenn es gelingt – wie in Südafrika -, die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Weltmeisterschafts-Stadien zu verbessern und dies dann auf die ganze Branche auszuweiten, wäre das ein Sieg.

Die Fifa hat, nachdem sie eine gewisse Offenheit gezeigt hat, in letzter Zeit eher zurückhaltend auf unsere Anliegen reagiert. Wenn sie ihr Image nicht ruinieren will, müsste sie andere Absichten signalisieren.

Samuel Jaberg, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Eveline Kobler)

Die Kampagne “Fair Games – Fair Play” wurde am Sozialforum 2007 in Nairobi von der Bau- und Holz Internationalen (BHI) und den südafrikanischen Gewerkschaften lanciert. Sie ist ein Teil der weltweiten Kampagne “Decent Work für a Decent Life” (anständige Arbeit für ein anständiges Leben), die im gleichen Jahr von mehreren Gewerkschaften und Nicht-Regierungsorganisationen gestartet wurde.

Das Ziel dieser Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften des Südens und des Nordens war, die Arbeitsbedingungen, Sicherheitsbedingungen und die Hygiene auf den Baustellen der Weltmeisterschaft zu regeln, aber auch die südafrikanischen Baugewerkschaften zu stärken.

Zwischen 2007 und 2009 ist das Mindesteinkommen der Bauarbeiter der Stadien von 2200 auf 3000 Rands (ungefähr 430 SFR.) gestiegen. Diese Errungenschaften konnten nach einem Streik 2009 auf den ganzen Bausektor übertragen werden. Die Gewerkschaften schätzen, dass ein Einkommen von 4500 Rands (640 SFR.) nötig ist, um den Lebensunterhalt zu decken.

In der Schweiz hat der Gewerkschaftsbund, die Unia und das Schweizerische Arbeiterhilfswerk eine wichtige Überzeugungsarbeit bei der Fifa, deren Sitz in Zürich ist, geleistet. Erstmals wurden Inspektionen der Baustellen gestattet. Die Fifa hat auch explizit auch die Ziele der Kampagne “Decent Work for a Decent Life” gutgeheissen.

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