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Blocher beharrt auf Revision der Antirassismus-Strafnorm

Bundesrat Blocher verteidigt seine Aussagen in der Türkei. Keystone

Nach seiner Rückkehr aus der Türkei bekräftigte Bundesrat Christoph Blocher am Freitag auf dem Flughafen Zürich-Kloten seinen Plan, die Antirassismus-Strafnorm zu überarbeiten.

Der Justizminister zeigte sich vor den Medien zudem erstaunt über die Kritik, die seine in der Türkei gemachten Aussagen zur Antirassismus-Strafnorm ausgelöst haben.

Der Artikel über die Rassismusstrafnorm mache ihm Bauchschmerzen, sagte Justizminister Christoph Blocher am Mittwoch vor den Medien in Ankara. Er kritisierte damit den Artikel 261 bis des Strafgesetzbuches, die Anti-Rassismusstrafnorm.

Diese beschneide seines Erachtens die Meinungsäusserungsfreiheit – eines der
höchsten Güter in einer Demokratie – in unzumutbarer Weise.

Blocher drückte in Ankara sein Bedauern aus, dass aufgrund dieses Artikels in der Schweiz Strafuntersuchungen gegen prominente Türken laufen. So einerseits gegen den türkischen Historiker Yusuf Halacoglu, der als Chefideologe der türkischen Regierung gilt. Andererseits ermittelt die Schweizer Justiz auch gegen den Chef der linksnationalen türkischen Arbeiterpartei, Dogu Perinçek.

Beide leugnen öffentlich den Völkermord an den Armeniern von1915 bis 1919 im damaligen Osmanischen Reich.

Blocher sagte weiter, er habe in der Türkei keine Versprechungen irgendwelcher Art gemacht. Er habe den Vertretern der türkischen Regierung klar gemacht, dass er das Gesetz prüfen lassen und allenfalls einen Antrag stellen könne. Beschlüsse fassten in der Schweiz aber Regierung, Parlament und Volk.

Antrag noch offen

Eine Arbeitsgruppe in seinem Departement sei eingesetzt. Was ihm Bauchweh mache, sei das Spannungsfeld zwischen der Meinungsäusserungsfreiheit und der Bekämpfung des Rassismus, sagte Blocher.

Ob er dem Bundesrat einen Antrag auf Änderung der Rassismusstrafnorm stellen werde oder nicht, sei aber noch offen.

Der SVP-Bundesrat sagte weiter, seine Reise in die Türkei sei im Regierungskollegium mehrmals besprochen worden. Dabei habe er auch sein Missbehagen gegenüber der Rassismusstrafnorm zum Ausdruck gebracht.

Niemand im Bundesrat habe sich dagegen geäussert. Den Weg der Überprüfung der Rassismusstrafnorm habe er im Bundesrat allerdings nie zur Sprache gebracht.

Schritt zur Entspannung

Insgesamt sei sein Besuch in der Türkei ein “gewaltiger Schritt” in Richtung Verbesserung der angespannten Beziehungen zwischen den beiden Ländern gewesen, sagte der Justizminister.

Bedeutungsvoll sei, dass Cemil Cicek die Einladung zu einem Gegenbesuch angenommen habe. Man sei bereits daran, einen Termin festzulegen.

Der türkischen Forderung nach einem Verbot von “terroristischen Organisationen” habe er zwar Verständnis entgegengebracht. Er habe sie aber klar zurückgewiesen und erklärt, dass die Schweizer Praxis in Sachen Verbote äusserst zurückhaltend sei.

Am Freitag lehnte es der Nationalrat an der Herbstsession in Flims ab, über die Aussagen von Justizminister Christoph Blocher zur Antirassismus-Strafnorm zu diskutieren. Einen entsprechenden Antrag lehnte der Rat ab.

swissinfo und Agenturen

Die historische Deutung der Ereignisse, bei denen zwischen 1915 und 1919 rund 1,8 Mio. Armenier getötet wurden, ist seit Jahren Grundlage für Spannungen zwischen der Türkei und europäischen Staaten, darunter befindet sich auch die Schweiz.

Die Parlamente verschiedener Staaten, unter ihnen Frankreich, Russland und Italien, haben das Massaker an den Armeniern als Völkermord anerkannt.

1987 hatte sich das europäische Parlament dieser Betrachtungsweise angeschlossen.

2003 folgte der Schweizerische Nationalrat, die grosse Parlamentskammer. Die Schweizer Regierung zieht es vor, von “Deportationen” und “Massakern” zu sprechen.

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