Internationaler Strafgerichtshof: Schweiz kurz vor Ratifizierung

Die Schweiz steht kurz davor, den Vertrag für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu ratifizieren. Am 11. Oktober läuft die Referendums-Frist gegen den Vertrag ab.
Das Gericht nimmt seine Tätigkeit auf, sobald 60 Staaten das so genannte Römer Statut ratifiziert haben. Bisher sind 42 Nationen dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beigetreten.
«Zur Zeit kommen täglich neue dazu», sagt Jürg Lindenmann von der Direktion für Völkerrecht an der permanenten UNO-Beobachtermission der Schweiz in New York. Es sei nur noch «eine Frage von Monaten» bis der Strafgerichtshof seine Arbeit aufnehmen könne.
160 Staaten beschlossen im Juli 1998 auf einer UNO-Konferenz in Rom die Gründung des Tribunals. Die Schweiz gehörte von Anfang an zur Gruppe von etwa 60 gleichgesinnten Staaten, die sich für einen starken und unabhängigen Gerichtshof einsetzten.
Gericht soll auf «stand by» laufen
Der Internationale Strafgerichtshof soll eine Lücke im Regelwerk des Völkerrechts schliessen. Ziel ist die Schaffung eines wirksamen internationalen Mechanismus zur Durchsetzung des humanitären Völkerrechts.
Der Strafgerichtshof soll Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ahnden, wenn die zuständigen nationalen Behörden dazu nicht willens oder in der Lage sind.
Im Idealfall hätte der IStGH keine Fälle zu bearbeiten – das hiesse, dass der Justizapparat aller Länder funktionieren würde, sagt Lindenmann. Der IStGH soll auf «stand by» laufen gelassen und nur bei Bedarf aktiviert werden.
Für den IStGH wurden denn auch zwei Budgets ausgearbeitet. Im Ersten (16 Mio. Dollar) hätte das Gericht keinen Fall zu bearbeiten, im Zweiten (31 Mio. Dollar) müsste sich das Gericht mit sechs Verfahren beschäftigen.
Über Staaten, die dem IStGH nicht beitreten, hat das Gericht keine Jurisdiktion. Es ist nur zuständig für Verbrechen, die auf dem Gebiet eines Vertragsstaats verübt wurden sowie für Verbrechen, die von einem Staatsangehörigen eines Vertragsstaats verübt wurden.
Immunität kennt das Gericht nicht. Der IStGH beurteilt das Verhalten von Einzelpersonen, nicht von Staaten, aber ohne Rücksicht darauf, ob diese Personen offizielle Funktionen ausüben.
Keine Definition von Terrorismus
Nach Einschätzung von Lindenmann können Terroranschläge als Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter die Zuständigkeit des IStGH fallen, wenn die Folgen der Attacken «weitverbreitet» sind oder wiederholt Anschläge vorkommen.
Es habe bisher aber bereits zwölf UNO-Versammlungen über Terrorismus gegeben, ohne dass es gelungen wäre, sich auf eine Definition von Terrorismus zu einigen.
Widerstände
Sieben Staaten, darunter die USA und Israel, stimmten 1998 gegen einen Internationalen Strafgerichtshof. Bill Clinton hat das Statut zwar unterzeichnet, seinem Nachfolger aber empfohlen, es nicht zu ratifizieren.
Als mögliche Gründe für den Widerstand der USA nannte Lindenmann die Angst vor einer Politisierung des Gerichtes sowie die Befürchtung, US-Truppen könnten unter die Jurisdiktion des IStGH fallen.
Nach den Anschlägen vom 11. September würde die US-Regierung jedoch ihre Haltung in gewissen Gesichtspunkten bestimmt nochmals überdenken. Man habe erkannt, dass man auf gute Beziehungen zu den Partnerstaaten angewiesen sei.
swissinfo und Agenturen

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