Kriegsparteien verletzen Genfer Konventionen

Am Wochenende zeigten sowohl irakische wie amerikanische TV-Stationen Bilder von Kriegsgefangenen. Das internationale Rote Kreuz verurteilte die Zurschaustellung.
Sie verletze die Genfer Konventionen zur Behandlung von Kriegsgefangenen.
Trotz ihrer Zusage, Gefangene korrekt zu behandeln, haben beide Konfliktparteien im Irak-Krieg Kriegsgefangene öffentlich zur Schau gestellt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) intervenierte bei den Konfliktparteien erneut und forderte sie auf, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren.
«Es ist verboten, Kriegsgefangene öffentlich zur Schau zu stellen. Wir haben beide Seiten daran erinnert, dass Kriegsgefangene in Sicherheit gebracht und human behandelt werden müssen», erklärte der Schweizer Jakob Kellenberger, Präsident des IKRK.
Kriegsgefangene müssten zudem gepflegt werden, wenn sie verletzt oder krank seien.
IKRK-Sprecherin Nadia Doumani ergänzte, dass ihre Organisation Kontakt zu Irak, den USA und Grossbritannien aufgenommen hätte. «Sie wissen, wie wir arbeiten, und sie kennen die Genfer Konventionen.»
Zugang verlangt
Das Rote Kreuz hat die Kriegsparteien am Montag aufgefordert, der Organisation Informationen über Kriegsgefangene zu übermitteln. Die Konventionen aus dem Jahr 1949 ermächtigen das IKRK, Kriegsgefangene zu besuchen und ihre Behandlung zu überwachen.
Eine Mitteilung Iraks über gefangene US-Soldaten sei noch nicht beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) eingegangen, erklärte IKRK-Pressechefin Antonella Notari. Die US-Armee hält nach eigenen Angaben mehr als 2000 irakische Kriegsgefangene fest.
Gemäss Artikel 13 der dritten Genfer Konvention, die den Status und die Behandlung von Kriegsgefangenen regelt, müssen Kriegsgefangene «jederzeit vor Gewalt, Einschüchterung, Beschimpfungen und öffentlicher Neugier geschützt» werden.
«Es geht auch darum, die Familien der Gefangenen davor zu schützen, diese Bilder in den Medien sehen zu müssen», sagte IKRK-Sprecher Florian Westphal gegenüber swissinfo.
«Für die Medien ist dies der Moment, ihre eigene Ethik, ihre Standards zu hinterfragen und dann die richtige Entscheidung zu treffen», ergänzte er.
Kriegsgefangene als Show-Element
Am Sonntag hatte der arabische Fernsehsender El Dschasira Bilder des staatlichen irakischen Fernsehens von mutmasslich getöteten US-Soldaten und amerikanischen Kriegsgefangenen gezeigt.
Zuvor hatten Sender in aller Welt auch Bilder irakischer Gefangener im Gewahrsam der verbündeten Truppen ausgestrahlt.
Das IKRK will aber nicht wertend eingreifen. Westphal macht klar, dass die Organisation strikt neutral bleibe, um den freien Zugang während Konflikten nicht zu gefährden.
«Wir sind nicht da, um das Verhalten der einen oder anderen Seite zu beurteilen, oder um zu sagen, welche Partei ’schlechter› als die andere ist», sagte Westphal.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte die UNO auf, Beobachter nach Irak zu schicken, um dort die Situation von Gefangenen zu prüfen.
Kriegsverbrechen oder nicht?
Auch die Internationale Juristenkommission (IJK) kritisierte das Zeigen von Kriegsgefangenen am Fernsehen. Vor allem das Zeigen der Gesichter sei ein Verstoss gegen die dritte Genfer Konvention, es handle sich jedoch nicht um ein Kriegsverbrechen, erklärte IJK-Generalsekretärin Louise Doswald-Beck.
Der Internationale Strafgerichtshof definiere Kriegsverbrechen als Gräueltaten. Pikant: Im Gegensatz zu anderen Staaten hielten die USA jeden Verstoss gegen die Genfer Konventionen für ein Kriegsverbrechen, so Doswald-Beck.
swissinfo, Anna Nelson und Christian Raaflaub
Das IKRK ist eine der wenigen internationalen Hilfsorganisationen, die noch in Irak tätig sind.
Neben Dutzenden einheimischen Helfern befinden sich zehn ausländische Mitarbeiter dort.
Sechs arbeiten in Bagdad (darunter zwei Schweizer) und vier im nordirakischen Erbil (darunter eine Schweizerin).

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