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Von Bern-Bümpliz nach Berne, Indiana

Deborah Tonini aus Bern zusammen mit ihrem Mann Andy Steiner in Berne, Indiana. Rita Emch

Deborah Tonini ist 2008 aus Bümpliz bei Bern ins kleine Städtchen Berne im US-Bundeststaat Indiana ausgewandert. Dort arbeitet sie heute als Küchenchefin eines Restaurants und sorgt mit Gerichten aus der Schweiz und Italien fürs leibliche Wohl der Gäste.

Wie kam die gelernte Hotelfachangestellte aus Bümpliz in den Mittleren Westen der USA? “Der Liebe wegen”, strahlt sie übers ganze Gesicht und schenkt ihrem Mann Andy einen liebevollen Blick, den dieser gleich erwidert.

Bevor sie jüngst ihre Stelle als Küchenchefin antrat, hatte sich Deby mit Kulinarischem bereits einen Namen gemacht: Sie hatte auf dem Wochenmarkt Brote, “Züpfe” (Butterzopf), Spaghetti-Saucen und selbstgemachte Teigwaren verkauft. “Das lief gut, die Leute mochten meine Ware”, erklärt Deborah im Gespräch mit swissinfo.ch.

Schweizer Klassiker

Als man ihr dann den Job als Küchenchefin anbot, sagte sie gleich Ja. “Da brauchte ich nicht lange zu überlegen.”

Zu ihrem Menu-Angebot gehören Schweizer Klassiker wie Rösti oder Älpler-Macaroni. “Und ich backe jeden Morgen richtiges Brot”, lacht sie. “Das kommt sehr gut an.”

Deby ist in einer grossen Familie aufgewachsen, sie hat drei Schwestern und einen Bruder. Schon früh lernte sie von ihrer Mutter und Grossmutter zu kochen. Diese Erfahrung kommt der jungen Frau nun in ihrem neuen Leben in Amerika zugute.

Debys Vater, aufgewachsen in Bern, hat italienische Wurzeln, ihre Mutter kommt aus einer Bauernfamilie in Kerzers im Seeland. “Bei uns wurde oft auch italienisch gekocht.”

Bisher scheint der Betrieb im Bella Tower Grill gut zu laufen. An einem Sonntag im August gab es kaum einen freien Tisch, die Gäste lobten die Küche der Schweizerin.

Gottvertrauen

Deby fand in Berne nicht nur ihren Mann, sondern auch einen Ort, an dem sie ihren christlichen Glauben leben kann, ohne wie in Bern früher oft belächelt oder gehänselt zu werden.

Berne wurde 1853 von Schweizer Mennoniten gegründet. Der Glaube spielt im Sozialleben der Menschen im Ort bis heute eine wichtige Rolle.

Dies war auch in der Familie Tonini so. Debys Vater ist ein Pastor im Ruhestand. “Gott war in meinem Leben immer wichtig. Der Glaube ist in den USA viel stärker Teil des täglichen Lebens als in der Schweiz. Es ist einfach anders als in Europa.”

Deby ist 1983 geboren. Nach der Schule machte sie eine Lehre als Hotelfachangestellte und arbeitete danach in zwei Hotels in Bern. Sie gewann Einblick in verschiedene Aspekte des Hotelfachs und liebte den Kontakt mit den Menschen, sei es mit dem Personal, für das sie zuständig war, sei es mit den Gästen.

Ein Bandscheibenschaden zwang sie nach ein paar Jahren dazu, Monate lang flach zu liegen. Sie habe viel Geduld gebraucht, bis sich ihr Zustand verbesserte und sie wieder eine Stelle suchen konnte.

Zur selben Zeit suchte eine Kollegin eine Reisegefährtin für einen Besuch in New York. Sie sagte gleich zu und die beiden verbrachten einige Wochen in New York und reisten dann nach Berne, wo Debys Kollegin ein Jahr als Austauschschülerin verbracht hatte.

Liebe auf den ersten Blick

“Als ich das Städtchen zum ersten Mal sah, musste ich fast etwas lachen, dieser kleine Ort, der ‘auf Schweiz macht’, die Häuser, die an Chalets erinnern, Geranien und Berner Wappen.”

Bei einer Geburtstagsfeier des Gastvaters traf sie dann Andy Steiner. “Und dabei hat es mich gleich erwischt”, strahlt sie.

“Dieser Mann kam herein, und mein Herz begann wie irr zu klopfen. Ich hörte die Stimme des Herrn, ‘dies wird einmal Dein Mann sein’.” Andy erging es ähnlich, wie er erklärt. Die Anziehung war gegenseitig und stark.

Viel gemeinsame Zeit hatten die beiden nicht, Debys Heimreise stand vor der Tür. “Wir gingen spazieren, redeten viel miteinander. Ich hatte ein Gefühl der Geborgenheit, das ich noch nie erlebt hatte.”

1200 E-Mails

Doch vorerst hiess es Abschied nehmen. Sie blieben per E-Mail und Telefon in Kontakt. “Wir schrieben 1200 Mails in drei Monaten.”
Sie habe oft mit Gott gesprochen.

Drei Monate später kehrte sie nach Berne zurück. Sie wollte Andy besser kennenlernen, um dann entscheiden zu können, “was ich mit meinem Leben tun würde: Bern oder Berne?”

Am 13. Dezember 2008 war sie wieder in Berne. “Andy öffnete die Tür seines Hauses und sagte ‘Willkommen zu Hause’. Genau so fühlte ich mich, geborgen und zu Hause.”

In den folgenden Wochen wurde immer klarer, wie viele Interessen und Sehnsüchte sie gemeinsam hatten, darunter der Glaube und der Wunsch, auch seelsorgerisch tätig zu sein. Andy ist Mitbegründer eines Missionswerks, das in der Bodybuilding-Industrie der USA aktiv ist.

“Schritt für Schritt zeigte sich: Wir sind gemacht füreinander, sind zusammengeführt worden”.

An Weihnachten machte Andy Deby einen Heiratsantrag. Am 4. März 2009 folgte die zivilrechtliche Trauung. Vier Monate später erhielt Deby ihre Green Card (Aufenthaltsbewilligung). Am 11. Juni gab es eine grosse kirchliche Hochzeitsfeier im Beisein der beiden Familien.

Deby war seit dem 13. Dezember 2008 nicht mehr in der Schweiz. Weihnachten soll es nun soweit sein. Für Andy wird es die erste Reise in die Schweiz sein. Seine Vorfahren kamen aus Signau, er gehört zur vierten Generation der Auswandererfamilie.

Clock Tower und Zytglogge

Deby wird ihm dann den Berner Zytgloggeturm zeigen können. Seit kurzem steht in Berne ein dem Original nachempfundener Turm, mit dem das Städtchen seine Gründergeneration ehrt.

Vermisst sie Bern manchmal? “Ja. Ich habe dort ja recht viel zurückgelassen. Manchmal vermisse ich es etwa, durch die Stadt zu bummeln, auf dem Bärenplatz in der Sonne einen Kaffee zu trinken und mit meinen Freundinnen zu plaudern.”

Auch ihre Familie fehlt ihr ab und zu, nicht zuletzt ihre Schwestern. “Zum Glück habe ich hier neue Freundinnen gefunden, von denen einige heute so etwas wie Schwestern für mich sind.”

Sie fühle sich sehr wohl in Berne, sie möge das Ländliche, das insgesamt etwas weniger hektische Leben. Und sie sei von den Leuten sehr warm und herzlich aufgenommen worden. “Aber meine Heimat ist die Schweiz, und ich habe immer gerne in Bern gelebt.”

“Als Bernerin in Berne freue ich mich auch über den hiesigen Zytglogge-Turm. Anfangs war ich fast etwas überwältigt von der Grösse – er wirkt, wie er so alleine da steht, sehr imposant.”

Sie hofft, dass sich das Bauwerk und der Platz darum zu einem Treffpunkt für Berne entwickeln werden, wo sie später zum Beispiel auch einmal mit ihren Kindern Zeit verbringen kann. Andy hat aus erster Ehe zwei Kinder, die regelmässig Zeit beim Vater und seiner neuen Frau verbringen.

Andy und Deby denken auch an weitere Kinder. “Aber vorerst wollen wir noch etwas arbeiten, Geld sparen für ein etwas grösseres Haus mit genügend Platz für eine Familie.”

Rita Emch, Berne, Indiana, swissinfo.ch

Rund 1,2 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner haben Schweizer Wurzeln. Die Einwanderungswellen aus der Schweiz waren zwischen 1830 und 1860 sowie zwischen 1870 und 1890 am grössten.

Die grösste Dichte von Amerikanern mit Schweizer Wurzeln findet sich in Kalifornien, New York, Ohio, Wisconsin und Pennsylvania.

Insgesamt haben rund 5000 Städte, Dörfer und andere Orte in den USA einen Namen, der auf die Schweiz hinweist.

Ende 2009 waren 74’966 Schweizer Staatsangehörige in den USA registriert, 54‘351 davon Doppelbürgerinnen und Doppelbürger.

1852 lässt sich eine Gruppe von 70 Mennoniten aus dem Jura in der Gegend nieder.

1871 wird die Gemeinde als Berne registriert. Erstmals fährt ein Zug durch Berne.

Heute leben in Berne rund 4150 Personen. Um das Städtchen herum leben zudem etwa 4000 Amische.

Berne pflegt seine Schweizer Wurzeln. Die Nachfahren der Siedler legen Wert auf die Traditionen der alten Heimat.

Geranien und anderer Blumenschmuck zieren Fensterbänke und Strassenränder.

Seit kurzem hat das Städtchen ein neues Wahrzeichen: Eine dem Original in der Schweizer Hauptstadt nachempfundene Replika des Zytglogge-Turms. Das Glockenspiel mit 12 Figuren erinnert an die Siedlungsgeschichte.

Von den Schweizer Wurzeln zeugen nicht zuletzt die Familiennamen wie Graber, Habegger, Amstutz, Lehmann, Neuenschwander, Liechty oder Sprunger.

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