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Mässiges Auslandinteresse an Schweizer Wahlen

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Die Wahlen in Polen haben international mehr Aufmerksamkeit geweckt als diejenigen in der Schweiz. Doch hat auch der eidgenössische Urnengang in der internationalen Presse Reaktionen ausgelöst.

Für “Le Monde” steht im Zentrum der Sieg des “populistischen und ausländerfeindlichen” Christoph Blocher, während die deutschsprachige Presse eine Abkehr vom Harmoniebedürfnis feststellt.

Langfristig wackle die Konkordanz, ist “die Süddeutsche Zeitung” überzeugt. “Schluss mit Kuscheln”, betitelt sie ihren Kommentar. Jede einzelne Wahl zeige: “Immer mehr Schweizer hätten viel lieber eine Richtungsregierung statt der Berner Super-Koalition”.

Für das “Handelsblatt” entwickeln “auch die harmoniebedürftigen Schweizer, die bislang stets nur eine Allparteienregierung als politische Führungsmannschaft kennen, eine Neigung zu klaren Positionen”.

Aus der beginnenden Polarisierung der Schweiz auf ein Auseinanderdriften der eidgenössischen Willensnation zu schliessen, wäre jedoch ein gewaltiger Trugschluss. Denn das politische System der Schweiz sei wie kein anderes auf der Welt geprägt von Misstrauen und Korrekturmöglichkeiten gegenüber den Mächtigen.

“Kaum haben die Eidgenossen den Politikern ihre Stimme gegeben, da haben sie bei der nächsten Abstimmung auch schon wieder die Möglichkeit, deren Entscheidungen in Frage zu stellen”, schreibt das “Handelsblatt”.

“Kein Sonderfall”

“Die Schweiz – kein Sonderfall”, stellt “Die Presse” in Österreich fest. Von einer Machtübernahme durch die SVP sei das Land trotz allem weit entfernt. Auch “Spiegel online” ortet nur “ein bisschen Sieg für Blocher”. Denn “eine Revolution findet nicht statt: das Schweizer System des Ausgleichs wird auch künftig regieren”.

Die “Stuttgarter Zeitung” warnt: “In einem Land, in dem in Moscheen viel Schwyzerdütsch zu hören ist, vermochte die rechte Volkspartei mit einem Volksbegehren gegen den Bau von Minaretten sowie Warnungen vor einer Islamisierung und dem Vormarsch der islamischen Scharia-Gesetze zu punkten. Das Wahlergebnis muss daher eine Warnung für Europa sein”.

Zwei politische Lager

Die französische Zeitung Le Monde bezeichnet die SVP als “ultranationalistische Rechte” und Christoph Blocher als charismatischen Bundesrat, der allerdings im Wahlkampf die Regeln der helvetischen Politik über Bord geworfen habe und “sich eher wie ein Parteichef als wie ein Justizminister” verhalten habe.

Für den “Corriere della Sera” ist die Schweiz am Sonntag ein “normales Land” geworden. Die Schweiz sei nicht mehr in drei Landesteile geteilt. Wie fast überall auf der Welt sei das Land nun in zwei politische Lager gespalten.

“La Repubblica” geht gar davon aus, dass die SVP ihre “fremdenfeindliche und populistische Propaganda” nun aufgeben werde, um ihre Allianzpartner nicht länger in Verlegenheit zu bringen.

Vorbild für populistische Zauberlehrlinge

Ganz anders sieht dies der belgische “Le Soir”. Das Land, “das zu den reichsten des Planeten gehört, ist seit 15 Jahren ein Labor für Populisten”, schreibt der Kommentator.

Es werde ein Vorbild für solche Zauberlehrlinge: “Schlagt fest zu, habt die Unterstützung von Wirtschaftskreisen, greift nicht die wirklichen Probleme auf, sondern schiebt den Misskredit aufs Ausland. Morgen seid ihr an der Macht.”

In der iberischen Presse ist von Fremdenfeindlichkeit die Rede: Die spanische Zeitung “El Pais” schreibt unter dem Titel “Helvetische Intoleranz”, der Sieg einer xenophoben Partei sei bedrohlich. Der portugiesische “Diario de Noticias” berichtet, eine rassistische Wahlkampagne habe die Rechte in der Schweiz an die Macht gebracht.

swissinfo und Agenturen

Parteienstärken:

Schweizerische Volkspartei: 29% (+2,3% gegenüber 2003)
Sozialdemokratische Partei: 19,5% (-3,8%)
Freisinnig-Demokratische Partei: 15,6% (-1,7%)
Christlichdemokratische Partei: 14,6% (+0,2%)
Grüne Schweiz: 9,6% (+1,7%)

Sitze:

Schweizerische Volkspartei: 62 (+7)
Sozialdemokratische Partei: 43 (-9)
Freisinnig-Demokratische Partei: 31 (-5)
Christlichdemokratische Partei: 31 (+3)
Grüne Schweiz: 20 (+6)

Die Stimmbeteiligung betrug 48% (2003: 45,2%)

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