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Eine neue SVP nach diesen Wahlen?

Keystone

Die Schweizer Presse wünscht sich nach dem erneuten Wahlsieg der SVP, dass die Partei künftig eine "zivilisiertere" und weniger aggressive Politik macht.

Laut den Zeitungskommentatoren sind auch die Sozialdemokraten, die grossen Wahlverlierer, gezwungen, ihre Politik zu überdenken. Und das Verbleiben von Christoph Blocher im Bundesrat ist nach dem Wahlsonntag kein Thema mehr.

Der Berner Bund sieht hinter dem Triumph der SVP einen beispiellosen Kraftakt: “Die Partei hat mit viel Geld eine gezielt emotionalisierende Wahlkampagne rund um Ausländer, gewalttätige Jugendliche und Messias Blocher geführt und vom Fall Roschacher und den Berner Krawallen profitiert.”

Die SP müsse umdenken, schreibt der Zürcher Tages-Anzeiger. “Ihre im Zweifelsfall konservative staatsgläubige Wirtschaftspolitik und das zu spät entdeckte, in breiten Kreisen vor sich hin schwelende Unbehagen über die Ausländerpolitik kosteten die SP massiv Wählerstimmen.”

Die SVP habe erneut zugelegt, weil sie die Probleme eines Teils der Bevölkerung ernster nehme als andere – “erfunden hat sie sie nicht”, kommentiert das St. Galler Tagblatt.

Ausländer und Christoph Blocher

Laut dem Boulevard-Blatt Blick bestand das Erfolgsrezept der SVP aus den zwei Zutaten Stimmungsmache gegen Ausländer und Christoph Blocher. “Die Schwarze-Schafe-Plakate schreckten zwar viele Wähler ab, aber sie lockten auch viele an.”

Die Grünen hätten von der Sorge der Bevölkerung um die Umwelt profitiert. Die SP habe die Rechnung für einen Wahlkampf bezahlt, “der Freund und Feind gleichermassen irritierte”, so der Blick.

Für die Basler Zeitung stehen zwei Drittel der Schweizer auf der Verliererseite: “Die SVP und ihre Anhänger setzen sich ein für eine konservative, isolationistische Schweiz. Was die Wertehaltung betrifft, stehen unter dem Strich alle anderen auf der Verliererseite – wohl mehr als zwei Drittel der Wähler.”

Wird die SVP moderater?

“Wer sich von diesen Wahlen eine Wende erhofft hat, wird enttäuscht”, schreibt der Corriere del Ticino. Denn die SVP werde auch in Zukunft nicht um die Bildung von Allianzen herumkommen, und die Mitte werde weiterhin die unverzichtbare Rolle der Vermittlerin spielen.

Der Genfer Le Temps spricht von einer Schweiz, die sich nicht mehr gleiche. Die äusserst polarisierende Kampagne dieser Partei habe einmal mehr die erhoffte Mobilisierung gebracht.

“Wird sich die SVP nach diesem Erfolg der Konkordanz verpflichten, diese konstruktiv umsetzen und sich weniger als Oppositionskraft sehen”, fragt Le Temps?

Der geradezu historische Wahlsieg der SVP dürfte die “Zivilisierung” der Partei beschleunigen, heisst es in der Neuen Luzerner Zeitung: “Denn in der Befehdung schlummert oppositionelle Energie, während klare Siege lösungsorientierte Zugänge erleichtern.”

Zurück zur Vernunft

Nach dem Erstarken der rechtsbürgerlichen SVP müssten ihre Gegner nun handeln, schreibt die Waadtländer Zeitung 24 heures: “Die Dominanz der SVP verlangt klare Antworten.”

Der Quotidien Jurassien spricht von einer “Blocherisierung”. Die SVP, welche die Ängste der Bevölkerung am besten habe ausnützen können, dominiere jetzt alle anderen Parteien.

Der Blick fordert von der Wahlverliererin SP, dass sie wieder vermehrt mehrheitsfähige Lösungsvorschläge präsentiert. Die Tribune de Genève ruft gar alle Parteien ausser der SVP auf, endlich zu erwachen. “Es reicht nicht, sich einfach in Opposition zu Blocher zu stellen.”

Ähnlich die Neue Zürcher Zeitung: “Die Linke, die mit dem armseligen Programm antrat, Blocher abzuwählen, geht damit – anders als vor vier Jahren – deutlich geschwächt aus den Wahlen hervor.”

Für verschiedene Zeitungen, so auch für die NZZ ist klar, dass nach den Wahlergebnissen 2007 eine Abwahl Blochers unmöglich wird. “Die SVP hat die Wahlen zum fünften Mal hintereinander gewonnen und damit die Frage, ob Christoph Blocher weiterhin in den Bundesrat gehört, gleich selber schlagend beantwortet.

swissinfo, Gaby Ochsenbein

Parteienstärken:

Schweizerische Volkspartei: 29% (+2,3% gegenüber 2003)
Sozialdemokratische Partei: 19,5% (-3,8%)
Freisinnig-Demokratische Partei: 15,6% (-1,7%)
Christlichdemokratische Partei: 14,6% (+0,2%)
Grüne Schweiz: 9,6% (+1,7%)

Sitze:

Schweizerische Volkspartei: 62 (+7)
Sozialdemokratische Partei: 43 (-9)
Freisinnig-Demokratische Partei: 31 (-5)
Christlichdemokratische Partei: 31 (+3)
Grüne Schweiz: 20 (+6)

Die Stimmbeteiligung betrug 48% (2003: 45,2%)

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