1. Mai: Reden, Regen und Scharmützel
Linke, grüne und Gewerkschafts-Exponenten haben am Tag der Arbeit die Grossbanken, ihre Boni-Skandale, die Revision der Arbeitslosenversicherung kritisiert und das Wirtschaftssystem als gescheitert erklärt. Am Nachmittag begannen in Zürich die ersten Scharmützel zwischen Polizei und 'Autonomen'.
Die 1. Mai-Demonstrationen und Kundgebungen in der Schweiz waren während des Tages gekennzeichnet durch viele Reden, viel Regen und Tausende von Manifestierenden. Am Tag der Arbeit gab es, fast schon aus Tradition, für die Polizei in der Stadt Zürich viel Arbeit.
In seiner Rede in Chur warf der Präsident der Sozialdemokratischen Partei, Christian Levrat, den bürgerlichen Parteien eine ‹Peitschenpädagogik› im Zusammenhang mit der Revision der Arbeitslosenversicherung (ALV) vor. Pascale Bruderer Wyss, Nationalrats-Präsidentin und Aargauer SP-Nationalrätin, setzte sich in Baden für eine Regulierung von überrissenen Boni aus, und zwar über die Parteigrenzen hinaus.
In Basel kritisierte Unia-Co-Präsident Andreas Rieger harsch die Grossbanken. Es sei «höchste Zeit, die Herrschaft der Riesenkraken Grossbanken abzuschütteln». Rieger forderte auch den Rücktritt von Bundesrat und Finanzminister Hans-Rudolf Merz.
In Uster sagte der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Paul Rechsteiner, es sei Zeit für eine politische Wende zu mehr Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit. Er prangerte das herrschende korrupte System an, und die Ratingfirmen, die «als Komplizen der Investmentbanken das Weltfinanzsystem beinahe in Grund und Boden gefahren» hätten.
Die grüne Zürcher Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber sagte an der Schlusskundgebung der 1.-Mai-Demonstration in Zürich, dass in der «deftigsten Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren» das Gefälle zwischen Arm und Reich in krasser Weise gewachsen sei. Auch forderte sie eine «anständige Arbeit, die Freude macht».
Der SGB-Chefökonom Daniel Lampart erinnerte in Aarau daran, dass es Aufgabe der Gewerkschaften sei, für mehr Gerechtigkeit und damit auch für eine sicherere Wirtschaft zu kämpfen.
Den Vorschlag des Bundesrates, eine Boni-Steuer einzuführen, wertete er zwar positiv, er sei aber zurzeit nur eine ‹Nebelpetarde› ohne Biss.
In Genf interpretierte der Präsident der Grünen Schweiz, Ueli Leuenberger, die derzeitige Krise als Scheitern eines Wirtschaftssystems.
Bundesrätin Micheline Calmy-Rey hat in Thun zur Solidarität mit den Benachteiligten aufgerufen: «Die Stärke des Volks misst sich an den Schwachen». Sie warnte aber auch, der Soziale Friede in der Schweiz sei in Gefahr. Top Manager seien in der Schweiz deutlich besser bezahlt als anderswo.
In Zürich hatte sich unmittelbar nach Eintreffen des offiziellen Zürcher 1.-Mai-Umzugs am Bürkliplatz eine Gruppe schwarzer Vermummter abgetrennt, um zum Paradeplatz zu gelangen, wo sie eine rote Fahne hissen wollten. Sofort sperrte ein Polizeikordon die Bahnhofstrasse ab und Wasserwerfer wurden in Position gefahren.
Auch im Zürcher Kanzleiareal hatten sich bereits am frühen Nachmittag die ‹Autonomen› versammelt. Die Polizei nahm systematische Personenkontrollen vor.
swissinfo.ch und Agenturen

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