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Für verbindliche Regeln bei Staats-Pleiten

Die Proteste gegen die Sparmassnahmen in Griechenland richten sich auch gegen den Finanzminister. Reuters

Die Schweiz soll sich dafür einsetzen, dass Staatsinsolvenzen künftig nach klaren Regeln ablaufen und auch private Investoren zur Kasse gebeten werden. Das verlangt eine Motion, die von 28 Ständeraten unterzeichnet worden ist.

Die Motionäre sind der Meinung, dass ein unabhängiges und geregeltes Insolvenzverfahren dazu beitragen könnte, in Zukunft Schuldenkrisen zu verhindern und die Stabilität des Finanzsystems zu wahren.

“Darüber hinaus muss sich die Regierung dafür einsetzen, dass dieser Vorschlag international unterstützt und realisiert wird”, verlangt die Motion.

Dass die Prozesse bei staatlichen Insolvenzverfahren geregelt werden müssen, zeige sich am Beispiel Griechenlands, schreiben die Motionäre weiter: “Noch wird versucht, eine Insolvenz des Landes mit neuen Refinanzierungen zu vermeiden. Dennoch wird es immer wahrscheinlicher, dass Griechenland es nicht mehr schafft, sich von seiner erdrückenden Schuldenlast zu befreien. Es mehren sich deshalb die Stimmen, die Griechenland in die Insolvenz schicken wollen. Eine ungeregelte Insolvenz würde mit Sicherheit gravierende Folgen haben.”

Bereits in 1990er-Jahren ein Thema

Motionär ist der freisinnige Zürcher Ständerat Felix Gutzwiller. 27 seiner Ständerats-Kolleginnen und -Kollegen aus allen Regierungsparteien haben die Motion mitunterzeichnet. Auch verschiedene Nichtregierungs-Organisationen stehen hinter dem Anliegen.

“Wenn die Kreditgeber nicht wissen, was genau passiert, wenn ein Staat Bankrott geht, kann das zu gefährlichen Situationen führen”, sagte Gutzwiller gegenüber swissinfo.ch.

“Mit klar definierten Prozeduren können die Unsicherheiten reduziert werden. Allein schon das ist eine wichtige Aufgabe im Interesse der grossen wirtschaftlichen Kräfte in Europa und anderswo.”

Die Schweiz hat bereits in den frühen 1990er-Jahren den Vorschlag lanciert, international gültige Regeln für Staatsinsolvenzen einzuführen. Wegen der fehlenden internationalen Unterstützung wurde die Idee später jedoch fallen gelassen.

Bewusstsein gestiegen

André Rothenbühler, Geschäftsleiter der Nichtregierungs-Organisation Aktion Finanzplatz Schweiz sagt, die Situation in Griechenland verleihe der Idee wieder Rückenwind. Norwegen und Exponenten der deutschen Politik, inklusive Kanzlerin Angela Merkel, seien grundsätzlich einverstanden mit der Einführung von internationalen Regeln für Staatsinsolvenzen.

“Die Idee ist Bestandteil der internationalen Debatte. Das Bewusstsein über die Problematik ist zweifelsohne stärker, als noch in den 1990er-Jahren”, sagte Rothenbühler gegenüber swissinfo.ch. “Die Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit betrifft nun ein europäisches Land. Das Ganze passiert in unserer Nachbarschaft und nicht irgendwo auf der Welt.”

Laut Rothenbühler umfassen die Diskussionen auch die Idee eines unabhängigen Schiedsgerichtes als erste Instanz. Erst danach käme dann ein internationaler Finanzgerichtshof ins Spiel, um die Regelung der Schulden zwischen einem Staat und seinen Gläubigern 

zu übernehmen.

Widerstand der Hedge Fonds erwartet

Gutzwiller erwartet, dass die meisten Geldgeber positiv auf das Anliegen reagieren werden. Widerstand erwartet er von einigen Hedge Fonds und anderen Investoren mit Interessen in gefährdeten afrikanischen Ländern. Diese wünschten sich “mehr Freiheit bei der Wahl der Druckmittel, als den Kontext eines internationales Regelwerkes”.

Für Gutzwiller und Rothenbühler ist klar, dass die Schweiz als international bedeutender Finanzplatz und Mitglied der Internationalen Finanzregulierungs-Organisationen (Weltbank, “Financial Stability Board”) dafür prädestiniert ist, das Modell auf internationaler Ebene zu vertreten und zu propagieren.

“Die Schweiz ist in den internationalen Organisationen, die das Thema angehen sollten, sehr gut positioniert”, sagte Gutzwiller. “Als wichtiger Finanzplatz kann sich die Schweiz damit auch abgrenzen und profilieren.” Er sei optimistisch, dass der Bundesrat die Motion annehmen und dem Parlament einen Vorschlag unterbreiten werde.

Der Bundesrat wird beauftragt, einen Vorschlag für ein faires und unabhängiges internationales Insolvenz-Verfahren für Staaten vorzulegen, das auch private Investoren einbezieht und dazu beiträgt, künftige Schuldenkrisen zu vermeiden und stabile Währungs- und Finanzverhältnisse zu gewährleisten.

Zudem soll sich der Bundesrat auf internationaler Ebene für eine Unterstützung und Umsetzung dieses Vorschlags einsetzen.

Eine Motion beauftragt den Bundesrat, einen Erlassentwurf vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen.

Die Motion wird von einem oder mehreren Ratsmitgliedern unterzeichnet.

Wenn ihr der Rat des Motionärs und anschliessend auch der andere Rat zustimmen, gilt die Motion als an den Bundesrat überwiesen.

Der Zweitrat kann auf Antrag der vorberatenden Kommission oder des Bundesrates Änderungen am Text vornehmen.

Über die Änderungen des Zweitrates beschliesst der Erstrat nochmals, ohne selber Änderungen vornehmen zu dürfen.

(Quelle: Parlament)

(Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

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