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Notenbank packt grosse Keule gegen Frankenstärke aus

Franken und Euro - eine wechselhafte Beziehung. Keystone

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sagt den Devisenspekulanten, die den Franken immer wieder in die Höhe getrieben haben, den Kampf an: Die Notenbank legte am Dienstag einen Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro fest.

Mit unbeschränkten Devisenkäufen wollen die Währungshüter um SNB-Präsident Philipp Hildebrand verhindern, dass der Euro unter diese Marke fällt.

Damit soll vor allem Spekulanten das Geschäft verdorben werden. Diese konnten bisher damit rechnen, dass ein neuer Schub in der Euro-Schuldenkrise oder ungünstige Wirtschaftsdaten aus den USA zu einer Flucht verunsicherter Anleger in den Franken und damit zu einer Aufwertung der Schweizer Währung führen würde. Dann konnten die Spekulanten zuvor erworbene Franken mit Gewinn wieder verkaufen.

Am 9. August stand der Franken zum Euro praktisch bei 1:1, hatte also Parität. Anfang 2010 war der Schweizer Franken erst 68 Cents wert gewesen. Dies bedeutete einen Kursanstieg von rund 30% in eineinhalb Jahren.

Am Markt kam das starke Signal der SNB an: Nach der Ankündigung schnellte der Eurokurs von 1.10 Franken auf 1.20 hoch.

Regierung erleichtert 

Der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann begrüsste den Entscheid der Nationalbank ausdrücklich und betonte, dass der Bundesrat hinter dem Schritt stehe.

«Ich bin ausserordentlich froh, dass sie den Schritt gemacht haben», sagte Schneider-Ammann in  mehreren Radio-Interviews. Der Schritt bringe eine Entlastung und Sicherheit. Die Firmen wüssten nun, mit welchen Vorgaben sie budgetieren müssten. Zudem sei der psychologische Effekt nicht zu unterschätzen.

Der Schweizer Franken sei zwar auch bei einem Eurokurs von 1,20 Franken noch «sehr überbewertet», räumte Schneider-Ammann ein. Dass die SNB die besagte Untergrenze für den Eurokurs gesetzt habe, sei aber «zum jetzigen Zeitpunkt richtig.»

Harscher Ton 

Nicht nur im Inhalt, auch im Ton legten die SNB-Verantwortlichen die Zurückhaltung ab. Die Nationalbank werde den Mindestkurs «mit aller Konsequenz» durchsetzen, um eine «deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens» anzustreben, hiess es in einer Mitteilung.

Deshalb toleriere die SNB am Devisenmarkt «ab sofort keinen Euro-Franken-Kurs unter dem Mindestkurs von 1.20».

Die gegenwärtig massive Überbewertung des Schweizer Frankens sehen die Notenbanker als eine «akute Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft», die das Risiko einer deflationären Entwicklung berge.

Besonders betroffen von der Frankenhausse sind die Exportindustrie und der Tourismus. Zu deren Entlastung hatte die Nationalbank Anfang August den bereits tiefen Leitzins auf null gesenkt, um den Markt mit Liquidität zu fluten.

Das hatte zwar ein vorübergehendes Absinken des Frankenkurses um knapp 20% zur Folge. Aber die verstärkten Hinweise von vergangener Woche auf eine mögliche Rezession der Weltwirtschaft verstärkten den Druck auf die SNB, erneut zu handeln.

Thomas Flury, Währungsspezialist bei der Grossbank UBS, geht davon aus, dass der jüngste Schritt mehr Wirkung zeigen werde als die Überflutung des Marktes mit Franken.

Buchverluste in Kauf nehmen

«Eine klar gezogene Linie im Sand ist eine einfachere Verteidigungs-Position als vage Erklärungen ohne verbindlich festgelegte Grenzen», sagte Flury gegenüber swissinfo.ch.

Angesprochen auf die massiven Buchverluste, welche für die SNB 2009 und 2010 nach den Euro-Käufen in grossen Mengen resultierten, geht der Devisenexperte davon aus, dass die Notenbank in naher Zukunft erneut tief in ihre Taschen greifen werde.

«Die SNB muss ihre Worte sehr wahrscheinlich mit einigem Geld unterlegen», glaubt Flury. Damit könne sie zeigen, dass auch der Franken an Wert verlieren könne, wenn der Euro infolge politischer Änderungen schwächer werde. «China und Japan haben vorgemacht, dass Buchverluste für Zentralbanken kein grosses Problem darstellen», sagt der UBS-Spezialist.

Inflationsrisiko 

Letztmals hatte die SNB im Jahr 1978 eine Kursobergrenze zur damaligen Deutschen Mark festgesetzt. Es bestünden grosse Parallelen zwischen damals und heute, strich der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann gegenüber swissinfo.ch hervor. 1978 habe der Franken nach innerhalb dreier Wochen nach der Ankündigung gegenüber der D-Mark um 20% verloren gehabt.

«Ich halte die Erfolgschancen deshalb für gross, weil der Markt nun über eine klare Absichtserklärung verfügt», sagte Straumann. Falls die Märkte glaubten, dass die SNB tatsächlich die Preisstabilität aufs Spiel setzen wolle, würden sie nicht gegen das gesetzte Kursziel handeln, ist Straumann überzeugt. «Die SNB muss nur dann Geld drucken, wenn das Kursziel in Gefahr gerät.»

Unisono Lob

Angesichts des drohenden Arbeitsplatzverlustes sei die Massnahme nötig, sagte Rudolf Minsch, Chefökonom des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Der Wechselkurs von 1,20 sei aber nicht in Stein gemeisselt. Bei Bedarf könne er später nach oben angepasst werden, so Minsch.

Auch der Schweizerische Gewerbeverband wertet die Intervention der Nationalbank positiv. «Wir begrüssen, dass die SNB den Willen gezeigt hat, den Franken abzuschwächen», sagte Direktor Hans-Ulrich Bigler. Kritisch beurteile er jedoch das Inflationspotenzial, das eine Kursuntergrenze mit sich bringe.

Der Schritt gehe in die richtige Richtung, hiess es beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Dessen Chefökonom Daniel Lampart wiederholte indessen die Forderung nach einem Kursziel von 1,40 für den Euro.

In seltener Einmütigkeit stellten sich die politischen Parteien hinter das Kursziel der Notenbank.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) merkte an, die Bank strebe erträgliche Wechselkurse für die Wirtschaft an. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) bekräftigte ihre im August nach einer Kehrtwende ausgedrückte Unterstützung. Die SNB müsse ihr Ziel nun konsequent erreichen.

Die Sozialdemokraten (SP) sahen unmissverständliche Signale gegen die Spekulation mit der Frankenstärke, verlangten aber weitere Schritte hin zur Kaufkraftparität bei einem Eurokurs von 1,40 bis 1,45 Franken.

Die Christlichdemokraten (CVP) schrieben, mit dem Schritt der SNB entstehe eine gewisse Inflationsgefahr. Angesichts der tiefen Teuerung lasse sich damit aber leben.

Der Euro ist die offizielle Währung der Euro-Zone. Zur Euro-Zone gehören Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien Spanien und Zypern.

Der Euro wird noch in fünf weiteren Ländern (Kleinstaaten) gebraucht: Andorra, Monaco, Montenegro, San Marino und Vatikanstaat.

Der Euro ist nach dem Dollar die zweitstärkste Währungsreserve und die zweitmeist gehandelte Währung der Welt.

Der Schweizer Franken ist eine so genannte «sichere» Währung: Investoren und Spekulanten kaufen ihn, wenn andere Währungen wie z.B. der Euro oder der US-Dollar unter Druck stehen.

Der steigende Wert des Schweizer Frankens ist ein Problem für die Schweizer Exportwirtschaft, weil deren Produkte beim Verkauf im Ausland, insbesondere in der Euro-Zone, teurer werden.

Am 11. August war der Franken auf Rekordstärke: Ein Euro kostete 1,04 Franken. Ein Jahr zuvor war der Euro noch bei 1,38 Franken.

Als der Euro am 1. Januar 2002 eingeführt wurde kostete er 1,47 Franken. Am teuersten war der Euro im Oktober 2007 mit 1,67 Franken.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) betonte früher, dass sie kein bestimmtes Wechselkursziel anstrebe, sondern ihre Geldpolitik auf der Basis ihres gesetzlichen Mandates durchführe.

Dieses Mandat legt fest, dass «die SNB Preisstabilität garantiert, wobei sie wirtschaftliche Entwicklungen mit einbezieht».

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