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Presseschau vom 30.04.2003

Das Schicksal der schlingernden Fluggesellschaft Swiss liess die Schweizer Zeitungskommentatoren in die Tasten greifen.

Die Wochenzeitschriften liegen wegen der 1.-Mai-Feiern schon heute im Briefkasten.

“Lassen sie heute die Swiss fallen?”, fragt der BLICK in Riesenlettern neben den Fotos der sieben Bundesräte.

“Nach dem aufsehenerregenden Ultimatum von Swiss-Chef André Dosé – ‘Ich will ein Bekenntnis aus Bern’ – muss der Bundesrat heute endlich Klartext reden.”

“Unverfrorene Forderung”

Die Forderung nach Geld des Bundes kommentiert der TAGES ANZEIGER als “unverfroren”. Es sei dem Unvermögen der Swiss-Führung zuzuschreiben, dass die Chance verpasst worden sei, “die Dimension der Swiss-Flotte auf Grund der Markt- und Konkurrenzlage festzulegen”.

“Der Bund hat deshalb nicht die Aufgabe, der Swiss nochmals Geld zuzuschanzen. Er muss, als Hauptaktionär, heute für gleich lange Spiesse sorgen, indem er der Swiss zu einem gleich fähigen Management wie andernorts verhilft.”

Die AARGAUER ZEITUNG spricht Klartext: “Das kann nicht gut gehen.” Doch sie zeigt auch Möglichkeiten auf, wie der Staat der Swiss ohne Geld unter die Arme greifen könnte: Mit Erleichterungen bei Landegebühren, Flugsicherheit oder Kerosin-Zoll.

“Ergo ist die Ausgangslage klar: Der Finanzmarkt hilft nicht, die öffentlichen Hände auch nicht. Mit den Marktrisiken muss Dosé selber fertig werden. So ist er, der Kapitalismus.”

Erinnerungen an Swissair-Debakel

Die BASLER ZEITUNG sieht alten Zeiten entgegen: “Wie damals bei Swissair”, so die spontane Reaktion der Redaktion auf “das Schwarzpeterspiel”. Denkbar sei, dass es zu einem Teilgrounding kommen könnte.

“Für eine radikale Redimensionierung, wie sie wahrscheinlich nötig wäre, fehlt derzeit der Mut – oder der Leidensdruck ist noch nicht gross genug. Wie bei Swissair. Als zum Schluss nicht nur das Geld fehlte, sondern auch die Zeit. Wie damals.”

Die Wochenzeitschrift FACTS widmet dem Thema Swiss ganze sieben Seiten: “Schweiz ohne Swiss: Langfristige Standortnachteile sind nicht zu befürchten”, so ihre Analyse.

“International tätige Unternehmen arrangieren sich auch ohne nationale Airline. Für den Schweizer Wirtschaftsstandort ist Swiss gemäss Fachleuten nicht entscheidend.”

Die gestohlene Kindheit

Die WELTWOCHE führte eine Reise zu den Kindersoldaten in Liberia: “Gespräche mit Kannibalen.” Sie zeigt eine schmutzige Seite des Bürgerkrieges im geschlissenen afrikanischen Land.

“Mehr als die Hälfte der Krieger waren Kinder. Die ‘small boys units’, in denen auch Mädchen kämpften, galten als besonders grausam.”

Diese Kinder müssen sich nun an eine Zivilgesellschaft gewöhnen, die sie gar nicht kennen.

Die WOCHENZEITUNG schaut voraus, auf die Abstimmungen vom 18. Mai, wo ganze neun Vorlagen an die Urne kommen. “Der Tag, der die Schweiz verändern könnte”, titelt das Wochenblatt.

“Am 18. Mai stimmt die Schweiz über das Erbe der Französischen Revolution ab.”

Auch die Westschweizer Zeitung LE TEMPS thematisiert den 18. Mai: “Un aiguillon pour l’après-nucléaire”, der Stachel der Nach-Atom-Ära. Solarstrom und Windenergie zu fördern sei zwar sympathisch, doch ungenügend. Denn diese beiden Ressourcen würden immer eine Nischenrolle spielen.

Abzocken trotz Spardruck

“Hohe Löhne, tiefer Gewinn”, titelt die HANDELSZEITUNG, und nimmt die Kaderlöhne der bundesnahen Betriebe unter die Lupe.

“Die Chefs bundesnaher Betriebe wie Ruag und Suva haben ihre Löhne kräftig erhöht – trotz teils schlechterer Ergebnisse als im Vorjahr.”

Und trotz der Sparmassnahmen des Bundes seien “keine Lohnlimiten geplant”.

Die Sozialdemokratische Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga will in den Ständerat. “Die SP wahrt ihre Chance”, meint die BERNER ZEITUNG.

“Immerhin wird sich die SP nicht im Nachhinein den Vorwurf machen müssen, die Gunst der Stunde nicht mit dem zurzeit wohl stärksten Zugpferd genutzt zu haben.”

“Nur Siegerinnen” sieht der Berner BUND in der SP. Trotz der innerparteilichen Konkurrenz von Margrit Kiener Nellen hätten alle gewonnen: Sommaruga im internen Duell, die Partei in den Medien und Kiener Nellen habe mit ihrer “kalkulierten Niederlage ein Resultat erreicht, mit dem sie leben kann, und hat so – nicht nur nebenbei – ihren Nationalratswahlkampf medienwirksam gestartet”.

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG verabschiedet sich von Max Frenkel, der in Pension geht: “Ein ungewöhnlicher Journalist.” Er habe der Aussenpolitik auf die Finger geschaut und “falsche Ambitionen und Eitelkeiten, aber auch deplaciertes Duckmäusertum in unserer Aussenpolitik angeprangert”.

swissinfo, Christian Raaflaub

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