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Rumantsch is fun

Mike Evans - Rumantschkenner und Verfasser von MyPledari. swissinfo.ch

Seit kurzem existiert ein Online-Wörterbuch Rätoromanisch-Englisch. Schöpfer dieses bislang einmaligen Werks ist ein sprachbegeisterter Brite, der in der Schweiz lebt.

Mit MyPledari erhalten auch Interessierte aus dem englischen Sprachraum Zugang zur romanischen Sprache.

Mike Evans kennt die Schweiz seit vielen Jahren. Am vertrautesten ist ihm der Kanton Graubünden, wo er unzählige Male mit seiner Familie die Ferien verbrachte.

Vor über 10 Jahren kam der 52-jährige Dolmetscher und Übersetzer aus dem Südwesten Englands erstmals mit dem Rätoromanischen in Kontakt und war fasziniert. Er fing an, sich mit dieser lateinischen Sprache zu befassen und anzufreunden.

Später begann Evans, der damals noch in Deutschland wohnte, das Rätoromanische systematisch zu studieren. Er erlernte die Schriftsprache Rumantsch Grischun sowie Sursilvan, das im Bündner Oberland gesprochen wird. Beides spricht er inzwischen fliessend.

Der Linguist machte den Beruf zum Hobby, aus seiner Neugierde entstand eine Passion. “Dass meine Leidenschaft gerade das Romanische traf, ist ein Zufall. Ich hätte mich für jede andere Sprache auch interessiert, auch für eine grössere”, sagt er gegenüber swissinfo.

Wörterbuch in zwei Richtungen

Die Idee, ein romanisch-englisches Wörterbuch zu verfassen, kam ihm, als er selber mit dem Studium dieser Sprache anfing und realisierte, dass es überhaupt kein Lehrmittel in Englisch gab.

“Da es aber auch Leute gibt, die sich für Rumantsch interessieren, jedoch keine Deutschkenntnisse haben, begann Mike Evans seine mit der Zeit entstandenen Computer-Notizen zu ordnen und aufzuarbeiten. Als weitere Quelle diente ihm der Wortschatz von zwei Romanischkursen.

Die Lia Rumantscha, Dachorganisation aller rätoromanischen Sprach- und Kulturvereine, die sich für die Förderung der rätoromanischen Sprache und Kultur einsetzt, war von der Idee eines Internet-Wörterbuchs begeistert. Sie unterstützt das Projekt sowohl linguistisch wie auch logistisch.



“Das Interessante an MyPledari ist die doppelte Kombination”, betont Werner Carigiet, Koordinator bei der Lia Rumantscha. “Wir machen das Wörterbuch nicht nur für Englisch-Sprachige, die Rätoromanisch lernen wollen, sondern auch für Rätoromanen, die Englisch lernen wollen. Früher fand Englisch lernen immer im Umweg über das Deutsche statt.”

Zudem, so Cariegiet, sei die digitalisierte Datenbank natürlich auch für Schulen interessant. “Der Zugang übers Internet ist attraktiv, auch didaktisch.”

Passionierter Sammler

Im Moment umfasst MyPledari 4300 Begriffe. Nochmals so viele sollen in den nächsten Monaten hinzukommen. “9000 Stichwörter sind noch in meiner Arbeitsdatei, die ich täglich durchackere.”

Rund 1000 Stunden hat der britische Rumantsch-Liebhaber in den letzten drei Jahren in sein Werk investiert. “Das Projekt hat mir geholfen, meine Romanisch-Kenntnisse auszubauen. Ich habe viel gelernt und bin auch noch nicht am Ende”, erklärt Evans.

Dass sich mit MyPledari kaum Geld verdienen lässt, ist für den vielsprachigen Evans klar: “Meine Dienstleistung hat einen gewissen Wert, aber keinen grossen Preis. Dafür ist der Markt zu klein.”

Interessenten in aller Welt

Der engagierte “Rätoromane” Evans, der seit einem Jahr im Kanton Graubünden wohnt, erhält immer wieder Anfragen aus aller Welt, von Leuten, die sich aus irgendeinem Grund für das Romanische interessieren.

“Linguisten aus Rumänien, aus Katalonien, aber auch Studierende aus Nordamerika gelangen immer wieder mit Fragen an mich.” Ebenso ein Professor aus Slowenien, der eine Liste mit Namen aus Fauna und Flora im Alpenraum in ein paar Dutzend Sprachen zusammenstellte, suchte seinen Rat. Oder ein Paar, das nach einem urschweizerischen Namen für sein Erstgeborenes suchte.

MyPledari – ein Baustein im Gebäude

Für den Briten Mike Evans könnte das Online-Wörterbuch durchaus mithelfen, die rätoromanische Sprache, die nur noch von 35’000 Personen als Erstsprache angegeben wird, zu stützen.

Laut dem Wahlbündner sollte das Rätoromanische vermehrt auf Beschriftungen, Briefköpfen, amtlichen Formularen ersichtlich sein. “Präsenz ist wichtig”, sagt er. “Und dabei ist MyPledari ein Baustein im Gebäude.”

swissinfo, Gaby Ochsenbein, Chur

MyPledari heisst: mein Wörterbuch. (my = Englisch, Pledari = Romanisch).
MyPledari enthält 4300 Einträge in Englisch, Rumantsch Grischun und den fünf Idiomen Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Puter und Vallader.

Das Online-Wörterbuch MyPledari existiert seit Dezember 2003.
Es ermöglicht die Wortsuche in zwei Richtungen: Englisch-Romanisch und Romanisch-Englisch.
Es können Ausdrücke in allen romanischen Schriftformen eingegeben und gesucht werden.
In der letzten Volkszählung bezeichneten noch 35’000 Personen Romanisch als ihre Erstsprache, das sind rund 0,5% der Bevölkerung und ein Drittel weniger als 1980.

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