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schmutzige neuigkeiten aus dem labor

Der Smog-Raum im PSI zieht Wissenschaftler aus ganz Europa an. PSI

Das Labor für Atmosphärenchemie am Paul Scherrer Institut im Kanton Aargau ist den genauen Ursachen der Luftverschmutzung auf der Spur.

Ausgerüstet mit Simulationsanlagen, einer mobilen Ausrüstung und einem Messzentrum hoch in den Alpen, ist das Labor eine der führenden Institutionen auf diesem Gebiet.

Smog war in den letzten Jahren ein regelmässiges Thema in den Medien. Die atmosphärische Verschmutzung liegt mittlerweile das ganze Jahr hindurch oft tagelang über dem Grenzwert.

Besondere Beachtung haben in letzter Zeit vor allem die PM10-Feinpartikel gefunden. Diese Feinstaub-Partikel haben einen Durchmesser von weniger als einem zehntausendstel Millimeter.

Laut der schweizerischen Umweltschutzbehörde können PM10-Partikel Atemnot und Bronchitis verursachen sowie Asthma-Attacken bei Kindern und Erwachsenen auslösen. Sie führen auch zu Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Lungenkrebs und vorzeitigem Tod.

Für Urs Baltensperger, Chef des Laboratoriums für Atmosphärenchemie, unterstreicht dies die Dringlichkeit solcher Forschung. “Wir müssen unbedingt herausfinden, was diese Verschmutzung verursacht”, sagt er im Gespräch mit swissinfo. “Danach suchen wir.”

Treibende Kraft

Baltensperger lässt keinen Zweifel daran, dass gesundheitliche Bedenken diese Forschung vorantreiben.

Doch Grenzwerte für Feinstaub können nur festgelegt werden, wenn die gesundheitlichen Auswirkungen der PM10-Partikel genau bekannt sind – und hier gibt es immer noch offene Fragen. Die

Mannschaft von Baltensperger ist technologisch bestens ausgerüstet, um diese Fragen zu beantworten: eine Smogkammer zum Simulieren atmosphärischer Bedingungen, ein mobiles Messgefährt und eine Messstation auf dem Jungfraujoch im Berner Oberland stehen zur Verfügung.

Besonders interessiert sind die Forscher an atmosphärischen Aerosolen, die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen, gleichzeitig aber auch aus natürlichen Quellen, z.B. der Vegetation, stammen können.

Daneben gibt es auch sekundäre organische Aerosole (SOA), welche sich erst in sekundären atmosphärischen Prozessen unter dem Einfluss der Einstrahlung der

Sonne bilden. Das Messfahrzeug und die alpine Messstation versorgen die Wissenschafter mit zwar ausreichenden Datenmengen, doch lange Zeit fehlte ein Gerät, das ihnen half, die Zahlen zu erklären. Hier kommt die Smogkammer ins Spiel.

Goldenes Labor

Um die Luftzusammensetzung zu studieren, baute das Team von Baltensperger beim PSI in Villingen im Kanton Aargau eine Kammer, die einem riesigen Plastiksack gleicht.

Wenn man diese mit einer Gasmischung voll pumpt und in ihrem Inneren mit starken Xenonlampen das Sonnenlicht simuliert, dann lässt sich die Luftzusammensetzung eines x-beliebigen Tages simulieren.

Die bisherigen Resultate vermögen zu erklären, warum gewisse Konzentrationen von Aerosol höher sind als aufgrund früherer Modelle angenommen.

Anscheinend ist es gar nicht so einfach, die atmosphärischen Verhältnisse der Schweiz zu simulieren. Abrupte Terrainwechsel sorgen laut Baltensperger für eine viel komplexere Situation als beispielsweise im Luftraum über den grossen amerikanischen Ebenen.

Doch die Resultate des Labors hätten internationale Beachtung gefunden, sagt Baltensperger, und der Schweiz zu einer wichtigen Stellung in der internationalen Atmosphärenforschung verholfen. “Unsere Forschung hat Folgen. Unsere Smogkammer wird auch

von ausländischen Forschern benutzt, zum Beispiel aus den USA, Grossbritannien und Deutschland.”

Zusammenarbeit

Die internationale Zusammenarbeit mit den besten Spezialisten für Atmosphären ist ebenfalls wichtig für die Forschung.

“In der Schweiz sind nicht genug Mittel frei, um derartige Aktivitäten zu finanzieren”, gibt der Forscher zu.

“Ohne Beiträge aus der EU könnten wir nicht in diesem Umfang tätig sein. Gegenwärtig werden drei Projekte von der EU finanziert.”

Eines dieser Projekte geht über das Messen der atmosphärischen

Zusammensetzung hinaus. Baltensperger koordiniert nämlich ein EU-Projekt mit medizinischen Spezialisten.

Lungenzellen in Smogkammer

Diese liefern ihm speziell präparierte Lungenzellen, die dann in der Smogkammer dem Einfluss von SOA ausgesetzt werden. So kann der direkte Einfluss der Partikel auf die Zellen gemessen werden.

Baltensperger zweifelt keinen Moment daran, dass interdisziplinäre Forschung dieser Art in Zukunft immer wichtiger wird: “In Zukunft müssen wir vermehrt solche Forschung betreiben.

Gewisse Gesundheitsprobleme können wir nur lösen, wenn

Spezialisten für Atmosphären mit medizinischen Teams zusammenarbeiten.”

swissinfo, Scott Capper, Villigen (Übertragen aus dem Englischen: Dieter Kuhn)

Das Labor für Atmosphärenchemie gehört zur allgemeinen Energieabteilung des PSI.
Erforscht werden hier u.a. die Prozesse, welche die Zusammensetzung von Gasen und Aerosolen in den verschmutzten atmosphärischen Schichten steuern, sowie Herkunft und Senken dieser Partikel.
Das Labor untersucht auch die Auswirkungen der Luftverschmutzung in den Alpen.

Das Paul Scherrer Institut (PSI) ist ein Forschungszentrum für Wissenschaft und Technologie im aargauischen Villigen.

Das PSI arbeitet zusammen mit Universitäten, anderen Forschungsanstalten und der Industrie.

Es beschäftigt sich mit Festkörperphysik, Materialwissenschaften, elementarer Teilchenphysik, Biowissenschaften, nuklearer und nicht-nuklearer Energieforschung sowie energie-bezogener Ökologie.

Mit 1200 Mitarbeitern ist es das grösste nationale Forschungsinstitut und das einzige seiner Art in der Schweiz.

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