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Veganer Käse: Warum es die Produzent:innen im Milchland Schweiz schwer haben

zwei Personen in einem Lager mit weissen Käselaiben
Käseherstellung braucht Präzision und Geduld, auch wenn der Käse vegan produziert wird. Lou Stucki

Der Schweizer Hersteller New Roots produziert gewinnbringend veganen Käse nach traditionellen Methoden. Die Firma ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert, darunter die Ablehnung durch die mächtige Schweizer Milchwirtschaft.

Es war letztlich die Liebe zur Fermentation die Alice Fauconnet und Freddy Hunziker dazu bewogen hat, sich an der Herstellung von veganem Käse zu versuchen.

Vor acht Jahren experimentierten Fauconnet, eine vegane Schokoladeherstellerin, und Hunziker, ein professioneller Mountainbiker, in ihrem Haus in Thun mit der Produktion ihrer Lieblingsprodukte.

“Wir spielten mit der Fermentation, stellten Produkte wie Kombucha und Sauerkraut her und beschlossen, auch Käse zu machen. Damals gab es auf dem Schweizer Markt keinen veganen Käse, nur Tofu”, erzählt Fauconnet.

Durch Versuch und Irrtum gelang es ihnen, einen Weichkäse nach Camembert-Art aus Cashew-Nüssen zu kreieren. Die Rinde kann man nicht von jener eines klassischen Käses unterscheiden, das Innere jedoch ist fester und etwas milder im Geschmack.

Dank eines Grossauftrags der Supermarktkette Coop und einer Finanzierung durch die nachhaltige Investmentfirma Blue Horizon wandelt sich das Unternehmen von einem Marktstand in Thun im Kanton Bern in kurzer Zeit zu einer Firma mit einer 4000 m2 grossen Produktionshalle. Diese liegt in Oberdiessbach, eine halbe Zugstunde von der Schweizer Hauptstadt entfernt.

Trotz des Erfolgs  – das Unternehmen war von Anfang an profitabel und verkaufte im Jahr 2023 drei Millionen Produkte – blieb die Expansion nicht ohne Herausforderungen.

Vorurteile gegenüber veganem Käse

Die Verkaufsschlager von New Roots sind der weiche Weisskäse und in den Wintermonaten das vegane Fondue. Rund 30% der Kund:innen der Marke sind Veganer:innen (gemäss einem Bericht von Swissveg 2022 bezeichnen sich rund 1% der Schweizerinnen als Veganerinnen und Veganer, gegenüber 0,2% der Männer).

Der Rest sind Laktoseintolerante, Schwangere oder Menschen, welche die Produkte aus ethischen, nachhaltigen oder gesundheitlichen Gründen kaufen.

Veganer Käse ist in der Schweiz noch ein Nischenprodukt. Fauconnet schätzt, dass er etwa 0,5% des Schweizer Käsemarkts ausmacht.

Ein Hindernis bei der Ausweitung des Marktanteils ist, dass sich das Branding von New Roots um Tierrechte und Tierwohl dreht, was bei den Schweizer:innen wenig Anklang findet. Sie konsumieren durchschnittlich 293 Kilo Milch und Milchprodukte wie Käse, Joghurt und Butter pro Jahr.

“Die Menschen glauben, dass Kühe auf natürliche Weise Milch aus Gras für den Menschen produzieren. Sie empfinden das Umweltargument als weniger verurteilend als das Tierschutzargument”, sagt Fauconnet.

Trotz des Drucks von Seiten der Investor:innen, die Bezeichnung “vegan” zu streichen und sich stattdessen für “pflanzlich” zu entscheiden, hält das Unternehmen an seiner Vision fest. Es will die Tiere in den Vordergrund der Markenidentität stellen.

Rohstoffbeschaffung

Ein weiteres Problem sind die Kosten. Der meistverkaufte Weichkäse von New Roots kostet bei Coop 6,63 Franken für 100 g, während die gleiche Menge Schweizer Bio-Camembert im Supermarkt nur 2,68 Franken kostet.

Der Preisunterschied ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Cashewkerne als Hauptzutat importiert werden. Es ist eine teure Zutat, die unter ethischen Gesichtspunkten beschafft werden muss, da das Schälen der Cashewnüsse ohne adäquaten Schutz Verätzungen an den Händen der Landarbeiter:innen verursachen kann.

“Milch ist in der Schweiz hoch subventioniert. Wir hingegen verwenden hochwertige, biologisch angebaute und fair gehandelte Cashewkerene, die nicht subventioniert werden”, sagt Fauconnet.

Es ist geplant, mehr lokale Zutaten zu verwenden, aber es erweist sich als schwierig, einen Ersatz für Cashews zu finden, der das richtige Verhältnis von Fetten, Zucker und Proteinen aufweist.

Seit 2022 hat das Unternehmen in einigen seiner Produkte mit Schweizer Lupinensamen und italienischen Kichererbsen experimentiert.

Es hat sich auch mit der in Zürich ansässigen “TransFARMation” zusammengetan, um mehr Rohstoffe aus der Region zu beziehen und die Schweizer Bäuer:innen bei der Abkehr von der Tierhaltung zu unterstützen.

Einen Platz in die Schweizer Käselandschaft finden

New Roots hatte keine Probleme, die staatlichen Vorschriften zu erfüllen, obwohl die bestehenden Vorschriften für Lebensmittelsicherheit und Hygiene nicht für vegane Käseprodukte konzipiert wurden.

“Wir werden von den Behörden für Lebensmittelsicherheit wie eine Käserei behandelt. Es gibt strenge Kontrollen, aber sie haben uns geholfen, die Probleme der Hygiene und der Kreuzkontamination besser zu verstehen”, sagt Fauconnet.

Selbst der Schweizer Käseverband erkennt die wachsende Beliebtheit von pflanzlichen Alternativen bei den Konsumentinnen und Konsumenten an.

“Auch pflanzliche Proteine haben ihren Platz in unserer Ernährung. In der Tat werden sie in den nächsten Jahren wahrscheinlich immer wichtiger werden. Um ihre ernährungsphysiologischen Qualitäten zu bewahren, sollten sie jedoch nicht in industriellen Zubereitungen verwendet werden, die sehr oft auf der Rekonstituierung verschiedener Elemente mit Bindemitteln und anderen Texturgebern beruhen”, schreibt Martin Spahr, Marketingleiter von Switzerland Cheese Marketing per E-Mail.

Fauconnet gibt zu, dass es für ihre Marke eine Herausforderung ist, dass vegane Alternativen als verarbeitete Lebensmittel gelten.

“Ein Teil der negativen Reaktionen beruht auf dem Vorurteil, dass es sich um ein stark verarbeitetes Produkt mit vielen Zusatzstoffen handelt”, sagt sie. “Tatsächlich bestehen 95% unserer Produkte aus Cashewmus und Wasser”.

Der grösste Widerstand kommt von der Schweizer Milchlobby. New Roots sieht sich ständigen Drohungen ausgesetzt, wegen der Verwendung des Worts “Käse” verklagt zu werden, und seine Verpackungen, seine Website und seine sozialen Medien werden genau beobachtet.

Die einzige gesetzliche Definition von Käse findet sich in der “Verordnung über Erzeugnisse tierischer Herkunft”, die natürlich vegane Produkte ausschliesst.

In Artikel 50 heisst es: “Käse ist ein aus Milch gewonnenes Erzeugnis, das durch Einwirkung von Lab oder anderen Gerinnungsmitteln oder -verfahren von der Molke getrennt worden ist.”

Ein vom Schweizerischen Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen im Jahr 2021 veröffentlichtes Informationsschreiben versucht, etwas Klarheit über vegane Alternativen zu tierischen Produkten zu schaffen.

Vegane Versionen von generischen Lebensmitteln wie Käse, Steak oder Wurst sind auf dem Markt erlaubt, nicht aber solche, die traditionell mit tierischen Produkten in Verbindung gebracht werden, wie Camembert oder Brie.

Bei der Kennzeichnung und Vermarktung sind die Regeln strenger: Vegane Alternativen dürfen sich nicht als tierische Produkte ausgeben.

Das bedeutet, dass Etiketten mit der Aufschrift “veganer Käse” oder “vegane Mayonnaise” nicht zulässig sind, nur “vegane Alternative zu Käse” oder “veganer Ersatz für Mayonnaise”.

“In der Kommunikation mit der Öffentlichkeit legen wir grossen Wert auf eine faktenbasierte Kommunikation und fordern dies auch von anderen Marktteilnehmern. Die Verbraucher dürfen nicht durch falsche Informationen oder Kennzeichnungen in die Irre geführt werden. Gerade im Bereich der Ernährung kann dies schwerwiegende Folgen haben”, sagt Reto Burkhardt, Sprecher von Swissmilk.

“Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Sie können uns den Hahn abdrehen, da sie viel mehr rechtliche und finanzielle Macht haben”, sagt Fauconnet.

Sie hat allen Grund, sich zu fürchten. Die Schweizer Firma Planted wurde verklagt, weil sie sich weigerte, Produktnamen wie “planted.chicken” oder “Güggeli” (ein schweizerisch-deutscher Begriff für Huhn) aufzugeben.

Fauconnet glaubt, dass hinter dem restriktiven Umgang mit Namen andere Gründe als die Konsument:innensicherheit stecken.

“Die Schweizer Milch- und Fleischlobby ist nicht wirklich besorgt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten verwirrt werden, sondern will verhindern, dass ihrer eigenen finanziellen Interessen gefährdet werden”, sagt sie.

Editiert von Virginie Mangin/ts, Übertragung aus dem Englischen: Marc Leutenegger

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