Würdigungen: Eine soziale Kämpferin geht
Rundum wird der Rücktritt von Ruth Dreifuss bedauert. Auch politische Gegner würdigen ihr Engagement für sozial Schwächere.
Ihre politische Bilanz wird von bürgerlicher Seite aber kritisch beurteilt.
Grosses Lob und Dank kommt von den Gewerkschaften für ihren Einsatz zu Gunsten einer solidarischen Gesellschaft. Sie habe sich wie kein anderes Mitglied der Landesregierung für die Interessen der Arbeitnehmer und der sozial Schwächeren eingesetzt, lobt etwa der Christlichnationale Gewerkschaftsbund.
Dreifuss habe es während ihrer Amtszeit geschafft, die neoliberalen Attacken der Wirtschaft auf die Sozialwerke abzuwehren, schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB). Vor ihrer Wahl in die Landesregierung war Dreifuss während zwölf Jahren als Zentralsekretärin im SGB tätig.
Politische Gegner respektvoll
Auch politische Gegner attestieren Ruth Dreifuss einen ehrenvollen Platz in der Schweizer Geschichte. «Ich habe ihre Arbeit als sehr klar und gradlinig geschätzt», sagte CVP-Parteipräsident Philipp Stähelin gegenüber swissinfo.
Doch diese Hartnäckigkeit habe ihr vielleicht das eine oder andere Mal den Blick für pragmatischere Lösungen, etwa bei der Krankenversicherung, etwas verstellt. «Aber im Ganzen gesehen hat sie sich sehr für das Wohl unseres Landes eingesetzt.»
Sie lasse jedoch viel Arbeit zurück, einige nahrhafte Geschäfte seien noch offen. «Ausnahmslos alle Sozialversicherungen stehen in Revision und wären noch abschliessbar gewesen bis Ende der Amtszeit.»
Die Freisinnige Partei FDP würdigt Dreifuss als «engagierte Kämpferin für sozialdemokratische Überzeugungen im Bundesrat». Sie habe sich während ihrer zehn Jahre in der Regierung für die Anliegen der Frauen und für den Ausbau des Sozialstaates Schweiz stark gemacht.
Trotz der gegenteiligen Sichtweise sei die politische Auseinandersetzung von gegenseitigem Respekt und Fairness geprägt gewesen, schreibt die FDP.
«Falsche Politik»
Einzig die Schweizerische Volkspartei SVP begrüsst den Rücktritt von Ruth Dreifuss. «Ich habe Frau Dreifuss als sehr hartnäckige und schnörkellose Politikerin geschätzt», sagte Parteipräsident Ueli Maurer gegenüber swissinfo.
Doch die Kritik überwiegt bei Maurer: «Sie machte eine falsche Politik: Sie hinterlässt uns zahlreiche ungelöste Probleme in den Sozialversicherungen. Und aus dieser Sicht ist ihr Rücktritt zu begrüssen.»
Kaum Feuerprobe für Zauberformel
Die SVP will denn auch erneut versuchen, am 4. Dezember die Zauberformel zu sprengen. Dezidiert äussert sich Ueli Maurer: » Wir haben als stärkste Partei weiterhin nur einen Sitz. Und damit brechen nicht wir die Zauberformel, sondern die andern haben sie eigentlich gebrochen.»
Maurer geht davon aus, dass sich rund ein halbes Dutzend Kandidaten oder Kandidatinnen finden würden, die als Sprengkandidaten antreten könnten. Namen will er aber noch keine nennen.
Ganz klar gegen diese Idee sträuben sich die beiden anderen bürgerlichen Bundesratsparteien FDP und CVP. Obwohl sie natürlich eine bürgerliche Übermacht in der Regierung begrüssen würden. Aber nicht auf diese Art und Weise.
CVP-Präsident Stähelin will «keine stärkere Vertretung einer Partei, welche selbst im bürgerlichen Lager nur Unfrieden stiftet. Und welche die bundesrätliche Politik über weite Strecken nicht mitzutragen gewillt ist.»
swissinfo, Christian Raaflaub

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