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Swissminiatur: 50 Jahre Schweiz im Taschenformat

Swissminiatur: Der Stockalper-Palast in Brig zum Greifen nah. swissinfo.ch

Schlösser, Berge, historische Gebäude, Kathedralen, Denkmäler, Züge: alles detailgetreu nachgebildet. Swissminiatur, seit seiner Gründung von über 20 Millionen Menschen besucht, ist ein Spiegel der Symbole der Schweiz.

Man fühlt sich wie Gulliver im Land Liliput, ist für einmal im Leben grösser als Berge und stakst zwischen mächtigen Gebäuden umher, die Schweizer Geschichte geschrieben haben.

Eine gewisse Euphorie kommt auf. Ohne Anstrengung und Seil kommt man zum Matterhorn, von wo aus das Bundeshaus zum Greifen nah ist.

Diese Schweiz im Kleinen findet sich in Melide im Südschweizer Kanton Tessin, am Ufer des Luganersees. Der Park ist einzigartig in der Schweiz.

Um ihn herum ragen der Monte Generoso, der San Salvatore und der Monte San Giorgio in die Höhe, die zum Unesco Welterbe gehören.

Ein traumhafter landschaftlicher Rahmen für einen Park, in dem besonders “die Grossen” wieder zu Kindern werden dürfen und der im Juni seinen 50. Geburtstag feiert.

Ein Jubiläum, das mit einer ganzen Reihe von Festivitäten und abendlicher Beleuchtung des Parks gefeiert wird.

Hinter dem Erfolg steht die gesamte Dynastie Vuigner. Denn zuallererst ist Swissminiatur eine Familiengeschichte: Vom Sippenoberhaupt Pierre, der am 6. Juni 1959 den Park gegründet hat, über seine Söhne Dominique und Jean-Luc, den derzeitigen Direktoren, bis zu Joël, dem Sohn von Dominique und designierten Nachfolger als Chef des Parks.

Jährlich eine Viertelmillion

Die ganze Schweiz auf einem kleinen Fleckchen Erde löst Kommentare, Bewunderung, Staunen und Neugier aus. Doch auch der eine oder andere Besserwisser findet sich im Publikum und bemerkt ein kleines Detail, das nicht stimmt.

“Wie nehmen diese Einwände sehr ernst”, erklärt Direktionsassistentin Nicoletta Forzani gegenüber swissinfo.ch. “Und wenn an einem Modell etwas wirklich nicht stimmt, korrigieren wir das.”

Der Park beschäftigt eine festangestellte Restauratorin, die sich auch um die kleinsten Details der Replikate kümmert. Eine ernsthafte Angelegenheit, da jede ihrer Arbeiten anhand von zahlreichen Dokumenten kontrolliert und überprüft wird.

Die Pingeligen gehören aber einer Minderheit der rund 250’000 Menschen an, die den Park in Melide pro Jahr besuchen. Der Grossteil der Besuchenden (etwa 80 Prozent) stammt aus der deutschsprachigen Schweiz.

Derzeit nehmen aber die Besucherzahlen aus der Westschweiz und dem Ausland zu, nicht zuletzt auch dank einer Werbekampagne in neuen Märkten wie China, Indien, Russland, Fernost und den arabischen Ländern.

Italiener verrückt nach Swissminiatur

Am Tag unseres Besuches ist Dominique Vuigner unterwegs nach Russland. Eine Reise mehr für den Direktor mit dem Koffer in der Hand, der vor vier Jahren eine Partnerschaft mit dem chinesischen Park “Splendid China” eingegangen ist.

“Die Länder in Fernost bergen ein grosses Potenzial”, erklärt Forzani. “Seit Jahren knüpfen wir geschäftliche Kontakte mit dieser Region. Die ersten indischen und chinesischen Besucher haben denn auch nicht lange auf sich warten lassen.”

Ein Ziel, das nach jahrelanger Arbeit erreicht wurde, während der sich das Familienunternehmen konsolidierte. Die ersten Jahre waren tatsächlich sehr schwierig gewesen. Zu Beginn zeigte Swissminiatur nur rund ein Dutzend Modelle, die direkt im Park gebaut worden waren.

Zuerst kamen die Italiener, eigentlich der viel billigeren Produkte wegen wie Zigaretten, Kaffee, Zucker und Schokolade. Dabei legten sie oft einen Zwischenhalt in Melide ein.

1971 waren die Italiener die Protagonisten des ersten Rekords bei Swissminiatur: Von den 600’000 Besuchenden bis dahin stammten 80 Prozent aus Italien. Viele hatten den Besuch des Parks von Generation zu Generation weitergegeben.

“Eine Familie aus Varese besucht den Park bereits in der dritten Generation”, erzählt Direktionsassistentin Forzani. “Ihnen haben wir eine Art Ehrenbürgerschaft verliehen.”

Familie als Wert und Stütze

Die Familie, so scheint es, hat bei Swissminiatur einen ganz besonderen Wert und ist die Stütze, um die sich vieles dreht. Schliesslich ist der Park besonders auf die Bedürfnisse von Familien zugeschnitten.

Ausserdem ist er ein Spiegelbild der Familiengeschichte der Dynastie Vuigner, die heute sehr multikulturell ist. Und im Park arbeiten Frauen und Männer, die nicht nur die gleichen Aufgaben von ihren Eltern übernommen haben, sondern diese auch mit der gleichen Leidenschaft und Loyalität ausführen.

“Auch ich wurde mit Brot und Swissminiatur aufgezogen”, erzählt Joël Vuigner. “Mein Vater Dominique sagte mir immer: ‘Wenn du eines Tages die Zügel im Park in die Hände nehmen willst, musst du dich von ganz unten hocharbeiten. Denn du musst die gesamte Struktur kennen dafür.’ Und das habe ich dann getan.”

Nach seinem 14. Geburtstag entschied sich Joël, mit seinem Vater zu arbeiten, der ihn zuerst wie einen Tellerwäscher einsetzte. “Eine Lebensschule”, unterstreicht der heute 26-Jähige.

“Joël wird kein leichtes Erbe haben”, betont Nicoletta Forzani. “Als sein Grossvater das Familienunternehmen gegründet hat, waren die Boom-Jahre, und solche Parks gab es noch nirgends. Joël wird sich mit der Krise und mit der Konkurrenz herumplagen müssen. In Italien beispielsweise gibt es diese Art von Parks allenthalben.”

Mit jugendlichem Elan, aber mit grossem Realismus, wirkt der designierte Chef extrem motiviert. Auch weil sicher ist, dass wir alle von Zeit zu Zeit den Wunsch verspüren werden, wieder einmal ein wenig Kind zu sein.

Françoise Gehring, Melide, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)

Swissminiatur nimmt eine Fläche von 14’000 Quadratmetern ein.

Darauf stehen über 120 Modelle von Herrschaftshäusern, Schlössern, Kathedralen und anderen wichtigen Gebäuden der Schweiz, alle im Massstab 1:25.

Als einziges ausländisches Gebäude wurde dem Dom von Mailand vor einigen Jahren Einlass in den Park gewährt.

Durch den Park führen über 3,5 km Geleise, auf denen 33 Lokomotiven und 320 Waggons verkehren.

Auch Standseilbahnen, Zahnradbahnen, Schwebebahnen und auf Seen verkehrende Schiffe fehlen nicht.

Gartenfans finden über 1550 verschiedene Pflanzen und über 15’000 Blumen.

Garten und Modelle werden ständig instand gehalten. Zweimal jährlich werden fast 9000 Pflanzen und Blumen ausgewechselt.

Der Pachtvertrag für das Terrain läuft zwar 2042 aus, aber der Besitzer und Direktor Dominique Vuigner hat bereits alles in die Wege geleitet, diesen zu verlängern.

Swissminiatur wurde 1959 von Pierre Vuigner gegründet, der sich von Madurodam inspirieren liess, einem ähnlichen Miniaturpark in den Niederlanden.

Auf der Suche nach einem Standort reiste Vuigner durch die ganze Schweiz.

Einen geeigneten Ort fand er schliesslich in Melide, einer Südschweizer Gemeinde am Luganersee im Kanton Tessin.

Derzeit teilen sich seine beiden Söhne Dominique und Jean-Luc in der Leitung des Parks.

Swissminiatur achtet nicht nur die schweizerischen Traditionen, sondern setzt sich auch für den Umweltschutz ein.

Zusammen mit Pro Specie Rara wurde ein Garten mit vom Aussterben bedrohten Pflanzen errichtet.

Mit der Alpinen Stiftung für die Lebenswissenschaften wurde ein Gemüsegarten mit medizinischen und aromatischen Pflanzen angebaut.

Zudem organisiert Swissminiatur auch Events und Veranstaltungen rund ums Jahr.

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