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Der Schweizer Bankier, der die Bank eines senegalesischen Milliardärs leitet

Olivier Santi
Für Olivier Santi, Generaldirektor der Bank Outarde in Dakar, besteht kein Zweifel daran, dass die Schweizer Erfahrung im Bankenwesen ein "Qualitätssiegel" ist. ©SWI/Pauline Turuban

Nach fünfzehn Jahren in der Finanzbranche in Genf ist Olivier Santi nach Dakar ausgewandert, um die Leitung der Bank zu übernehmen, die von einem der reichsten senegalesischen Geschäftsmänner gegründet wurde. Sein Werdegang veranschaulicht die zentrale Rolle der Schweiz im Finanzwesen und im Rohstoffhandel, aber auch die rege Aktivität des Bankensektors in Westafrika.

Die Bank OutardeExterner Link (La Banque Outarde, LBO) verdankt ihren Namen und ihr Logo einem vom Aussterben bedrohten Vogel. ”Die Trappe ist ein sehr seltener Vogel”, sagt der Generaldirektor der Institution, Olivier Santi. “Der Legende nach werden Sie reich, wenn Sie eine Trappe wegfliegen sehen.”

Die Allegorie wurde nicht zufällig gewählt. Die Bank ist seit nunmehr vier Jahren im pulsierenden Geschäftsviertel Plateau in Dakar tätig. Ihre Gründung war eine fixe Idee des reichen, sprichwörtlich diskreten senegalesischen Geschäftsmannes Abdoulaye Diao.

Der in Frankreich ausgebildete Mann machte sein Vermögen mit Erdöl. Er geniesst das Vertrauen von Präsident Macky Sall und ist Sonderberater des Staatschefs. Der Sitz der Bank befindet sich übrigens nur einen Steinwurf vom Präsidentenpalast entfernt.

Der heute 75-jährige Abdoulaye, genannt “Baba” Diao, ist im Senegal eine sehr einflussreiche und angesehene Persönlichkeit, nicht nur als Geschäftsmann, sondern auch als moralische Führungskraft. Abdoulaye Diao kam in Thiès (70 km östlich von Dakar) und er hat sich den Ruf eines genialen Autodidakten und Philanthropen erarbeitet.

Er erwies sich als sehr intelligent und erhielt im Rahmen eines damaligen Kooperationsabkommen mit Frankreich Zugang zu einem Studium in Elite-Ingenieurschulen in Paris.

Nach seiner Rückkehr in den Senegal Anfang der 1970er-Jahre wurde er Berater im Energieministerium. Dort war er unter anderem an der Ausarbeitung von Gesetzen zur Regelung der Erdölforschung und -exploration von Petrosen (Société des pétroles du Sénégal) beteiligt. Seine Freundschaft mit Macky SallExterner Link, damals ein Geologie-Ingenieur, geht auf diese Zeit zurück.

Cheikh Fall (der erste Vorstandsvorsitzende der Fluggesellschaft Air Afrique), ein anderer bedeutender westafrikanischer Unternehmer, ermutigte ihn dazu, in die Welt des Rohstoffhandels einzusteigen: 1985 gründete Abdoulaye Diao die erste senegalesische Handelsgesellschaft für Kohlenwasserstoffe, International Trading Oil and Commodities (ITOC), mit der er sein Vermögen aufbaute, bevor er in die Agrarindustrie und ins Bankgeschäft diversifizierte.

Abdoulaye Diao hatte seit Jahren den Ehrgeiz, in seinem Land die erste Bank mit nationalem Privatkapital zu gründen. Bis zum Markteintritt von LBO hatte die Bankenlandschaft im Senegal fast ausschliesslich aus ausländischen, insbesondere nordafrikanischen und französischen sowie aus staatlichen Banken bestanden, wie Olivier Santi erläutert.

Der gebürtige Pariser, der in der Schweiz eingebürgert wurde und sich als “Wahl-Senegalese” bezeichnet, sagt daher gerne, er leite “eine der wenigen senegalesischen Banken im Senegal”.

Fotos von Olivier Santi und Abdoulaye Diao
In Olivier Santis Büro stehen unter anderem eine Statuette einer Trappe, mehrere Fotos mit Abdoulaye Diao und ein Wecker der Schweizer Marke Mondaine, die Uhren für die Schweizerischen Bundesbahnen herstellt. Der Banker sagt, er sei der Schweiz noch immer sehr verbunden. ©SWI/Pauline Turuban

Erste Schritte als Trader in Genf

Wie ist er hier gelandet? In der französischen Hauptstadt hatte der junge Olivier Santi Wirtschaft und Finanzen studiert. Nach dem Studium trieb ihn sein “Durst nach Unabhängigkeit” dazu, von Paris nach Genf zu ziehen, wo er Verbindungen hatte: Sein Grossvater Paul Santi hatte mehrere Jahre lang im französischen Konsulat in Genf gearbeitet. Und sein Onkel leitete zu dieser Zeit dort einen grossen Hedge-Fonds. So machte Olivier Santi seine ersten Erfahrungen im Finanzhandel in der Rhonestadt.

Seine französischen Diplome und seine Sprachkenntnisse, insbesondere in Arabisch, das er in Paris studiert hatte, sorgten bei der Schweizer Niederlassung von BNP Paribas für Aufmerksamkeit. 2004 stiess er als Direktor für den Nahen Osten und Afrika zu dem Bankriesen.

“Meine Kunden waren grosse Unternehmenschefs, wohlhabende Familien, ich verwaltete auch die Konten von Unternehmen oder Investmentfonds, die in der Region tätig waren”, sagt er. Neun Jahre wird der Banker bei BNP verbringen. Während dieser Zeit kreuzte sich der Weg Olivier Santis, dieses “puren Produkts des Finanzplatzes Genf”, mit dem von Abdoulaye Diao.

Diao steht einigen grossen Schweizer Konzernen nahe, führenden Händlern ebenso wie internationalen Unternehmen. Die Firma, die im Handel mit und der Versorgung von afrikanischen Ländern mit Öl und Gas tätig ist, ist für BNP ein sehr wichtiger Kunde.

Der Untergrund Senegals ist reich an Rohstoffen. Gold, verschiedene andere Mineralien und Phosphate machten 2019 fast einen Viertel der ExporteExterner Link des Landes aus. Bald dürften Kohlenwasserstoffe hinzukommen: 2014 wurden ein Öl- und ein Gasfeld entdeckt. Deren mehrfach verzögerte kommerzielle Nutzung ist nun für 2023Externer Link geplant.

Die Schweiz, ein bedeutender internationaler Handelsplatz für Rohstoffe, ist die zweitwichtigste Exportdestination Senegals (95% der Exporte sind Gold).

“Die Chance”, eine Bank zu errichten

2009 wurde der Geschäftsbereich Addax Petroleum für mehr als 8 Milliarden Franken an das staatliche chinesische Unternehmen Sinopec verkauft. “Abdoulaye Diao konnte endlich seine Bank gründen”, sagt Olivier Santi.

“Er bat mich, beim Aufbau der Bank zu helfen und sie dann zu leiten. Das war eine Chance, die ich beim Schopf gepackt habe.” 2013 verliess er BNP Paribas, gründete seine eigene Finanzmanagement-Firma in Genf und begann damit, das Projektteam zu beaufsichtigen.

Der Aufbau erforderte “viel Zeit und Geduld”, denn “eine Bank von Grund auf zu errichten, ist aufwendig, sowohl in finanzieller als auch in technischer Hinsicht”, führt Olivier Santi aus. 2017 erhielt LBO die ZulassungExterner Link von der Zentralbank der westafrikanischen Staaten (BCEAO) und wurde damit zum 25. BankinstitutExterner Link auf dem Finanzplatz Dakar.

Im Januar 2018 nahm die Bank schliesslich ihre Tätigkeit auf. 84,5% der Anteile befinden sich in senegalesischem Privatbesitz, davon 59% bei Abdoulaye Diao, dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats. Noch ist die junge Bank Outarde nicht profitabel. Aber ihre Bilanz wächst alle sechs Monate um 25-30%, und laut Olivier Santi hat sie heute fast 1000 Kunden und Kundinnen.

Der Generaldirektor glaubt, dass er dem Unternehmen eine helvetische Note verliehen hat. “Ich bin davon überzeugt, dass die Schweiz in Bezug auf die Regulierung von Banken das Beste ist, was die Welt zu bieten hat”, sagt er.

“Ich wurde nach den Vorgaben der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) ausgebildet und habe versucht, diese Fachkenntnisse hier einzubringen. Die Erfahrung, die unsere Kunden und Kundinnen machen, soll eine Erfahrung sein, wie sie für Schweizer Banken typisch ist, das heisst diskret, effizient und transparent.”

Olivier Santi im Büro mit Mitarbeitenden
Olivier Santi mit einem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin, die am Hauptsitz in Dakar arbeiten. Die Bank beschäftigt derzeit rund 60 Personen an drei Standorten. ©SWI/Pauline Turuban

Chancen und Herausforderungen

Die Bank richtet sich hauptsächlich auf die Unterstützung von Unternehmen aus, die 80% ihrer Kundschaft ausmachen. “Das reicht vom Kleinstbetrieb bis zum Grossunternehmen, wobei wir uns auf bestimmte Tätigkeitsbereiche wie Energie und Landwirtschaft spezialisieren”, erläutert Olivier Santi.

Die Werte des Bankinstituts deckten sich mit denen seines obersten Chefs, unterstreicht der Generaldirektor: ”Abdoulaye Diao glaubt fest daran, dass die Entwicklung des Senegal über die Entwicklung einer lokalen Produktion erfolgen muss, die lokale Arbeitsplätze schafft.”

Wirtschaftlicher Patriotismus und Philanthropie sind aber sicherlich nicht die einzigen Triebfedern. Das grosse Wachstumspotenzial der Wirtschaft und des Bankensektors in Westafrika, das vor allem durch die Entwicklung der Mittelschicht getragen wird, sorgt für regen Appetit.

Anfangs 2018, kurz nachdem die Bank Outarde ihre Tätigkeit aufgenommen hatte,  veröffentlichte das Magazin Jeune AfriqueExterner Link eine Hintergrundreportage über die Begeisterung afrikanischer, insbesondere senegalesischer Unternehmer für diesen wachsenden und “sehr rentablen” Sektor. Viele von ihnen investierten in den letzten Jahren kräftig in diesen Bereich.

Dieses Interesse erklärt sich durch die Einflussmöglichkeiten, die der Besitz einer Bank mit sich bringt, wie es in dem Artikel heisst, und durch das Bestreben, “neue Wachstumsfelder zu erschliessen”. In einer Region, in der die FinanzierungExterner Link eines der  grössten Hindernisse für die Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist, und in der 80% der HaushalteExterner Link bis heute kein Bankkonto haben, ist das Entwicklungspotenzial in der Tat gross.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

Lesen Sie auch unser Interview mit Andrea Semadeni, dem Botschafter in Dakar, der über die wirtschaftlichen Chancen spricht, die sich der Schweiz im Senegal bieten:

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