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Elektroautos und ihre Batterien: “Es braucht verbindliche Regeln”

Die Direktorin der Global Battery Alliance, Inga Petersen, im Gespräch. Www.farges-photographe.com - Tous Droits Réservés

Das Bündnis "Global Battery Alliance" erarbeitet einen Batterie-Pass für Elektroautos, der in einigen Jahren in der gesamten EU Pflicht sein wird. "Um den Kauf von umweltfreundlicheren Batterien zu fördern, kommen wir nicht umhin, strengere Vorschriften zu erlassen", sagt Inga Petersen, Direktorin der Allianz.

Elektrofahrzeuge haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen und die EU-Kommission plant sogar ein Verkaufsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2035. Dennoch müssen ökologische und soziale Probleme im Zusammenhang mit E-Autos, insbesondere im Hinblick auf die Batterien, angegangen werden.

Problematisch ist die Gewinnung des für die Batterien wichtigen Rohstoffs Kobalt, der häufig in Kleinminen in Zentralafrika durch Kinderarbeit abgebaut wird. Zudem wird für die Herstellung von Batterien viel Energie benötigt, die nicht immer umweltfreundlich erzeugt wird.

Um diese Herausforderungen anzugehen, wurde 2017 im Rahmen des Weltwirtschaftsforums (WEF) die Global Battery Alliance gegründet. Die Initiative setzt sich unter anderem dafür ein, dass Automobilhersteller ab 2027 Informationen zu den ökologischen und sozialen Aspekten ihrer Batterien ausweisen müssen. Die EU plant, einen solchen Batterie-Pass in wenigen Jahren zur Pflicht zu machen.

Geleitet wird die Allianz, die sich 2021 vom WEF unabhängig gemacht hat, von Inga Petersen in Genf.

Die deutsche Staatsbürgerin Inga Petersen hat einen Executive Master-Abschluss in Global Leadership des Weltwirtschaftsforums (WEF) erworben. Seit Mai 2022 bekleidet sie die Position der Executive Director bei der Global Battery Alliance.

In ihrer vorherigen Position beim WEF arbeitete Petersen eng mit globalen Wirtschaftsführer:innen und hochrangigen Politiker:innen zusammen, um den Übergang des Bergbau- und Metallsektors hin zu mehr Nachhaltigkeit zu fördern. Danach war sie als Beraterin für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen tätig.

SWI swissinfo.ch: Ihr Bündnis setzt sich für einen “Batterie-Pass” ein, um die ökologische Nachhaltigkeit und den Schutz der Menschenrechte zu fördern. Was ist genau Ihr Ziel?

Inga Petersen: Unser Ziel ist, dass jedes neue Auto mit einem Batterie-Pass ausgestattet wird, der zuverlässige und detaillierte Informationen enthält, zum Beispiel via QR-Code. Mit anderen Worten: Wir wollen potenziellen Kund:innen und Stakeholdern vollständige Transparenz bieten.

Welche Infos beinhalten die Batterie-Pässe?

Sie enthalten technische Details zu den Batterien sowie Informationen zur Herkunft der Rohstoffe. Darüber hinaus liefern sie Daten zu ökologischen und sozialen Auswirkungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, von der Rohstoffgewinnung in den Minen bis zur Integration in den Fahrzeugen.

Selbstverständlich zeigen sie auch Informationen zu Recycling-Möglichkeiten und zur Verlängerung der Batterielebensdauer.

Wer sind Ihre Stakeholder?

In zweijähriger Arbeit haben wir über 130 Mitglieder gewonnen, die gemeinsam über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg aktiv sind. Darunter sind Unternehmen, internationale Organisationen, Regierungen, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen.

Obwohl wir uns 2021 vom WEF unabhängig gemacht haben, bleibt unsere Nähe zu dieser Stiftung stark, insbesondere dank einer strategischen Partnerschaft.

Wann werden diese Pässe fertig sein?

Mit unseren Mitgliedern haben wir bereits allgemeine Betriebsregeln sowie die Messung einer Vielzahl von Parametern festgelegt. Wir haben auch gerade drei Pilotprojekte erfolgreich gestartet, um die Machbarkeit unseres Projekts zu beweisen.

Der nächste Schritt wird sein, ein “Minimum Viable Product” auf den Markt zu bringen, also eine erste vereinfachte Version unseres Passes. Dazu müssen wir noch eine Reihe von Parametern definieren, wie zum Beispiel Biodiversität oder Zwangsarbeit.

Wir müssen uns auch auf die Datenverwaltung einigen, einschliesslich Zugriffsrechte und Prüfungsvereinbarungen. Ab 2027 müssen alle in der EU vermarkteten Elektrofahrzeuge einen Batterie-Pass haben. Bis dann wollen wir fertig sein.

Sie sind nicht die einzige Organisation, die an einem Batterie-Pass arbeitet. Wer sind Ihre wichtigsten Konkurrenten und wie unterscheiden Sie sich von ihnen?

In Europa gibt es mehrere Organisationen, die Batterie-Pässe im Sinne der EU entwickeln. Wir betrachten sie als Partner. Was uns von anderen unterscheidet, ist der globale Ansatz, der darauf abzielt, den Anforderungen und Rahmenbedingungen aller Regionen der Welt gerecht zu werden.

Obwohl es derzeit schwierig ist, die Einführung von Batterie-Pässen in aussereuropäischen Rechtsordnungen genau vorherzusagen, ist es wahrscheinlich, dass auch die US-Gesetzgebung früher oder später die Einführung einer Batteriekennung erfordern wird.

Ihr Ziel ist es, Autokäufer:innen zu informieren. Wird Transparenz ausreichen, um das Verhalten dieser Klientel zu ändern?

Wir sind realistisch und wissen, dass die Existenz eines Passes eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung sein wird, um Verhaltensänderungen bei Automobilkund:innen herbeizuführen.

Um den Kauf von E-Autos mit umweltfreundlicheren Batterien zu fördern, kommen wir nicht umhin, strengere Vorschriften zu erlassen.

In welchem Teil der Batterie-Wertschöpfungskette sehen Sie grosses Verbesserungspotenzial?

Wir sehen in der gesamten Wertschöpfungskette grosses Verbesserungspotenzial, von der Gewinnung über die Produktion bis hin zur Integration in den Autos.

Künftige technologische Verbesserungen bieten enorme Fortschrittsmöglichkeiten, wie zum Beispiel besseres Recycling und ein zirkuläreres Design von Batterien.

Die Studie, die wir gemeinsam mit McKinsey erarbeitet und im Januar 2023 veröffentlicht haben, zeigt, dass eine Reduktion der CO2-Emissionen um 90% möglich ist.

Planen Sie den Einsatz der Blockchain-Technologie, um die Zuverlässigkeit der Informationen in Ihren Pässen zu gewährleisten?

Technologisch sind wir völlig neutral. Unser System ist so konzipiert, dass jeder Stakeholder die Möglichkeit hat, die Technologie und Technologieanbieter auszuwählen, die am besten zu ihm oder zu ihr passen.

Wer sind Ihre aktivsten Mitglieder?

Wir haben viele sehr aktive Mitglieder, darunter diejenigen, die in unserem Vorstand und unseren drei Pilotprojekten vertreten sind.

Zusätzlich möchte ich den enormen Beitrag Kanadas, Deutschlands und Grossbritanniens hervorheben.

Werden Sie von den Schweizer Behörden unterstützt?

Zu diesem Zeitpunkt sind die Schweizer Behörden nicht involviert. Für einige Staaten ist es schwierig, Teil unseres Bündnisses zu werden, da die Zustimmung zu unserer Charta und ihren Leitprinzipien zwingend erforderlich ist.

Dennoch haben einige Regierungen und zwischenstaatliche Organisationen komplexe Verfahren eingeführt, die für die formelle Genehmigung von Chartas wie der unseren erforderlich sind.

Wir möchten aber den Beitritt zu unserer Allianz erleichtern und denken daher über eine Art Beobachterstatus nach.

Wer sind die wichtigsten Akteure in der Industrie, die nicht Mitglieder Ihrer Allianz sind?

Ich würde mir wünschen, dass amerikanische und japanische Autohersteller besser vertreten wären.

Wie hoch ist Ihr Budget und wer sind Ihre Geldgeber?

Unsere Mitglieder in der Privatwirtschaft zahlen Jahresbeiträge basierend auf ihrem Umsatz. Dies ist das Finanzierungsmodell des WEF.

Unser Jahresbudget liegt derzeit bei rund zwei Millionen Franken, wir werden aber bald versuchen, zusätzliche Mittel für konkrete Projekte zu akquirieren.

Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer.

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