Entspannte Lage auf dem Lehrstellenmarkt
Die mehr als 70'000 Schulabgänger in der Schweiz treffen dieses Jahr einen entspannten Lehrstellenmarkt an. Dank guter Konjunktur und der Schaffung neuer Lehrberufe dürften deutlich weniger Jugendliche als in den letzten Jahren ohne Lehrplatz ausgehen.
„Auf dem Lehrstellenmarkt ist in diesem Sommer gegenüber dem Vorjahr eine wesentliche Entspannung zu beobachten“, sagte Patrick Lucca, Pressesprecher des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), zum Beginn des neuen Lehrjahres.
Die prekäre Situation vor drei bis vier Jahren gehöre der Vergangenheit an. Ein gutes Omen sei auch, dass die kantonalen Berufsbildungsämter keinen Alarm geschlagen hätten, was in den Vorjahren noch der Fall gewesen sei. Bisher hätten über 70’000 Lehrlinge einen Lehrvertrag unterschrieben. Es gebe aber noch viele offene Stellen.
Grosse Unterschiede zwischen den Branchen
Auch Rolf Peter von Geschäftsleitung des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT) rechnet damit, dass dieses Jahr die Zahl der Schulabgänger, die keine Lehrstellen finden, gesamtschweizerisch weiter sinken wird. Allerdings gebe es grosse Unterschiede zwischen den Branchen.
Zu wenig Informatik- Lehrstellen
Die gegen 3’500 Informatik-Lehrstellen – allein 600 neue wurden in diesem Jahr geschaffen – vermochten die Nachfrage bei Weitem nicht abzudecken. Umgekehrt blieben weniger begehrte Stellen im Gast- und Baugewerbe unbesetzt.
Eine Entspannung zeigten auch kürzliche Erhebungen bei den Kantonen, sagte Peter. Kurz vor Lehrbeginn seien im Kanton Bern beispielweise noch halb so viele Jugendliche ohne Lehrvertrag wie 1999.
Eine „massiven Entspannung“ zeichne sich im Kanton Zürich ab, sagte Hans Gnehm vom Zürcher Berufsbildungsamt. Im Kanton Aargau waren anfangs August knapp 90 Prozent der 5’550 Lehrstellen besetzt, wie der Vorsteher des Berufsbildungamtes, Ady Bütler, sagte. Momentan seien noch 50 Schulabgänger auf Lehrstellensuche, das seien halb so viele wie zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 1999.
Die gesamtschweizerischen Erhebungen über den Lehrstellenmarkt durch die Berufsbildungsämter-Konferenz und das BBT sind auf Ende August, respektive Anfang September vorgesehen.
Laut den Experten ist die verbesserte Lage auf dem Lehrstellenmarkt darauf zurückzuführen, dass Firmen wegen der guten Wirtschaftslage neue Lehrstellen schaffen. Auch das verbesserte Marketing von Bund und Privaten habe dazu beigetragen, sagte SGV-Sprecher Patrick Lucca.
Recyclist statt „Kehrichtmann“
Der Schritt von der Schule in die Berufswelt ist laut dem SGV-Sprecher dieses Jahr auch durch die Schaffung neuer Berufe attraktiver geworden. In dem bisher wenig geschätzten Berufsgebiet der Abfallentsorgung gebe es beispielsweise erstmals den Lehrgang zum Recyclist.
Bei dieser modernen Version des „Kehrichtmanns“ können Lehrlinge innerhalb von drei Jahren einen eidgenössisch anerkannten Lehrabschluss erwerben. Gemäss BBT, das den Beruf lanciert hat, starten diese Woche in der Deutschschweiz und der Romandie zwei Recyclisten-Klassen mit insgesamt rund 50 Lehrverhältnissen bei privaten Recyclingfirmen.
Neue Berufe
Neu sind auch die Berufe des Telematikers und des Multimedia- Elektronikers, die zu eidgenössischen Fähigkeitsausweisen führen. Erstmals werden werden zwischen 100 und 200 so genannte Telematiker- Lehrlinge für die Installation und Reparatur von Telefon-, PC- und anderen Netzwerken geschult.
Die Berufslehre zum Multimediaelektroniker befasst sich mit elektronischen Geräten von der Unterhaltungselektronik bis zum Heimbereich.
Verkehrswegbauer ist eine weitere neue Berufsbezeichnung mit entsprechender dreijähriger Lehre. Der Verkehrswegbauer soll von Bahn-, Strassenbauunternehmen und Gemeinden eingesetzt werden und sowohl Blumen pflegen als auch Rohre reparieren können.
Aufgewertet zu einer dreijährigen Lehre mit eidgenössischem Fachausweis wurde das Haushaltslehrjahr und zwar zum Beruf der Hauswirtschafterin oder des Hauswirtschafters. Der ökologische Umgang mit Produkten steht dabei im Zentrum.
Laut BBT befinden sich neben den neuen Lehrberufen rund 90 von insgesamt 250 Berufen in ständiger Revision.
swissinfo und Agenturen

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch