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Schweizer Missionar am Langen Marsch in China_RODRIGO

Eine Gruppe von Missionaren, die sich zusammen mit Bosshardt in Guizhou aufhielten. 作者提供

Im Laufe der Geschichte entsandte die Schweiz nicht wenige Missionare in den fernen Osten und nach China. Einer war der aus der französischen Schweiz stammende Rudolf Alfred Bosshardt Piaget. Er war der erste Westler, der über den Langen Marsch berichtete.

Ein am Nationalmuseum in Peking beschäftigter Historiker erwähnte vor einiger Zeit gegenüber einem Journalisten von swissinfo.ch die Geschichte eines einzigartigen Westlers.

Dieser habe den Langen Marsch über 560 Tage und durch 5 Provinzen zusammen mit der Roten Armee mitgemacht. Gemeint war der Schweizer Missionar Rudolf A. Bosshardt.

Da es nur wenige historische Belege über seine Person gibt und sein Leben und Wirken nicht kritisch erforscht wurde, ist er in China weitgehend unbekannt.

Deshalb ist auch über seine Geschichte im Zusammenhang mit dem Langen Marsch der Roten Armee kaum etwas nach aussen gedrungen.

Erst vor ungefähr neun Jahren wurde auf die Initiative einiger Historiker hin die Vergangenheit aufgearbeitet und der Rolle Bosshardts in den Jahren der Revolution Rechnung getragen.

Darüber hinaus machte das historisch autobiographische Buch Bosshardts, in dem er aus einem einzigartigen Blickwinkel über seine Erlebnisse berichtete, ihn zum ersten Westler, der auf internationaler Ebene über den Langen Marsch berichtete. Dies verdankte er dem Umstand, dass sein Werk ein Jahr früher als Edgar Snows “Red Star Over China” erschien war.

Zufällige Begegnungen

1922 wurde der vierundzwanzigjährige Schweizer, der eine Ausbildung am christlich-theologischen Seminar gemacht hatte, alleine und auf sich gestellt als Missionar nach Guizhou – eine der ärmsten Provinzen Chinas – entsandt.

Durch einen Zufall lernte er dort die Missionarin Rose Piaget kennen, die ebenfalls aus der französischsprachigen Schweiz stammte. Was mit Liebe auf den ersten Blick begann, mündete 1931 in der Hochzeit. Damals war Bosshardt Pfarrer an der Christlichen Kirche von Zhenyuan, Guizhou.

Drei Jahre später folgte ein weiterer Wendepunkt in seinem Leben: “Der 1. August 1934 war mein 12. Jahrestag in Guizhou. Ein Tag, den ich nie vergessen werde. Damals fand ein Treffen mit meinen Missionskollegen aus aller Herren Länder und unseren Familien statt. Herman Kewell und ich beschlossen, zusammen mit unseren Familien, den gemeinsamen Heimweg über einen verschlungenen Bergpfad abzukürzen”, schrieb er in seinen Memoiren.

“Wir waren kurz vor dem alten Städtchen Jiuzhou im Bezirk Huangping. Guten Mutes hatten wir den Gipfel einer kleinen Anhöhe erklommen und konnten die gesamte Ortschaft überblicken. Aber wir hatten noch nicht zum Abstieg angesetzt, da trat plötzlich ein bewaffneter Trupp von der Vorhut der sechsten Einheit der Roten Armee zwischen den Bäumen hervor und versperrte uns den Weg. Wer hätte gedacht, dass diese zufällige Begegnung mit der Roten Armee mein gesamtes Schicksal als Missionar so tiefgreifend verändern würde? Damals begannen die beschwerlichen 18 Monate an der Seite der Soldaten. Eine Zeit, welche ich wohl niemals vergessen werde.”

Eine Nacht lang Landkarte übersetzt

Da sich die Rote Armee im unwirtlichen Guizhou mit schwierigen geographischen Bedingungen konfrontiert sah und nur eine 20 Quadratzentimeter grosse Schullandkarte zur Orientierung hatte, irrte sie meist planlos umher und verlief sich oft.

Eines Tages entdeckten die Soldaten in einer verlassenen Ausländersiedlung in Jiuzhou eine Landkarte der Provinz Guizhou, die ihnen im Krieg von Nutzen sein würde. Sie war einen Quadratmeter gross, was sie für nicht ortskundige Soldaten der Roten Armee sehr wertvoll machte.

Weil die Beschriftung der Karte jedoch nicht in chinesischer Sprache war, konnten der Truppenkommandant Xiaoke und seine Offiziere, die nur wenig Englisch verstanden, lediglich herausfinden, dass es sich bei der Sprache nicht um Englisch handelte.

Die Namen der angrenzenden Orte und Gewässer vermochten sie aber weder zu lesen geschweige denn zu verstehen. Als Xiaoke zu Ohren kam, dass Bosshardt etwas Chinesisch sprach, befahl er seinen Leuten den “alten Bo” – wie man ihn zu nennen pflegte – zu ihm zu bringen.

Eine ganze Nacht hindurch übersetzte Xiaoke zusammen mit Bosshardt im fahlen Licht einer Kerosin-Militärlampe die Namen von jedem Ort, jedem Berg und Gewässer ins Chinesische. Ein Offizier schrieb neben den französischen Worten die chinesische Übersetzung hin.

Grosse Hilfe

Xiaoke schien die Zeit an der Seite von Bosshardt zu vergessen. Die beiden unterhielten sich heiter und humorvoll und waren durchwegs guter Dinge. Es graute schon der Morgen als sie die Karte fertig übersetzt hatten.

In seinen Memoiren schrieb Bosshardt später, dass dies das erste Mal gewesen sei, dass er der Roten Armee auf dem Langen Marsch wirklich eine grosse Hilfe war. Dass die Rote Armee mit ihren Guerilla-Taktiken erfolgreich gegen die Truppen der Guomindang vorgehen konnte, war nicht zuletzt auf diese Karte zurückzuführen. Im Kampfgeschehen der Einheit war die Karte von entscheidender Bedeutung.

Auch in seinen Memoiren weist Bosshardt mehrmals darauf hin, dass während der ganzen Expedition in Ost-Guizhou bis ins angrenzende Xiangxi diese Landkarte benutzt wurde.

Unzertrennliche Bande

Während der Übersetzungsarbeit plauderte Bosshardt mit Xiaoke und erzählte, was er während den turbulenten zwölf Jahren als Missionar in Guizhou so alles gesehen und erlebt hatte. So lernten auch die Männer der Roten Armee seine Welt besser verstehen.

“Die Gespräche mit Bosshardt eröffneten mir wichtige Einblicke in die lokalen Gegebenheiten und Bräuche von Guizhou und ich erhielt viele Informationen von militärischem Wert”, schrieb Xiaoke fast ein halbes Jahrhundert später in seinen Memoiren.

“So erfuhren wir über mögliche unerwartete Schwierigkeiten, auf die wir in den Siedlungen der dortigen ethnischen Minderheiten hätten stossen können. Dies half uns, unnötige Umwege zu vermeiden; Ich selbst erhielt zudem gute Informationen, auf die ich weitere Schritte der Truppen stützen konnte.”

Im weiteren Verlauf des Marsches trafen sich Xiaoke und Bosshardt noch einige Male persönlich auf ein Schwätzchen, bei dem sie ihr gegenseitiges Verständnis und ihre Freundschaft vertiefen konnten.

18 Monate unterwegs

Ganze achtzehn Monate reiste Bosshardt mit der Roten Armee durch fünf Provinzen (Guizhou, Sichuan, Hubei, Hunan und Yunan). Am Ostertag, dem 12. April 1936 kamen sie in Fumin (Yunan) an, wo Bosshardt entschied, die Rote Armee zu verlassen und seine missionarischen Tätigkeiten fortzusetzen. Zu diesem Anlass gab Xiaoke für diesen speziellen Mitstreiter auf dem Langen Marsch ein Abschiedsbankett und entschädigte ihn für seine Reisekosten.

Weil Bosshardt die Rote Armee in ihren schwierigsten Zeiten unterstützte und ihr bei unzähligen Gelegenheiten eine helfende Hand geboten hatte, sollte er Kommandant Xiaoke noch ein halbes Jahrhundert als aussergewöhnliche Person in Erinnerung bleiben. In Xiaokes Memoiren fand diese fast legendenhaft anmutende Begegnung mit Bosshardt zahlreiche Erwähnung.

Als 1984 der berühmte amerikanische Schriftsteller Harrison Salisbury nach China ging, um über den Langen Marsch zu berichten, bat ihn die chinesische Regierung, ihnen bei der Suche nach Rudolf Bosshardt zu helfen. General Xiaoke wandte sich mit dem Anliegen persönlich an die französische Botschaft.

Es folgte ein langes Hin und Her. Am Ende konnte man mit Hilfe der französischen Botschaft eine Verwandte von Bosshardt, Madame Bigguet, in der Schweiz ausfindig machen. Nach einem halben Jahrhundert wurde so der Kontakt zwischen General Xiaoke und dem ehemaligen Missionar Bosshardt wiederhergestellt.

Im folgenden Briefkontakt liessen sie alte Zeiten und vergangene Erlebnisse wieder aufleben. Über die Auslandvertretungen liess Xiaoke dem “alten Bo” ein Erinnerungsbild vom Langen Marsch schicken und auch Bosshardt meldete sich oft mit besten Grüssen.

Erinnerungen in der Literatur

Nachdem Bosshardt die Rote Armee verlassen hatte, führte er seine Missionarstätigkeiten in Yunan fort.

In Erinnerung an seine Erlebnisse schrieb er in vier Monaten das erste Buch über den Langen Marsch in westlicher Sprache. Die Erstausgabe erschien unter dem Titel “The Restraining Hand”.

Da das Manuskript des ersten Buches in Englisch verfasst war, wurde es im Dezember 1936 durch das Londoner Verlagshaus Hodder&Sloughton herausgegeben. 1978 veröffentlichte Bosshardt ein weiteres Buch in englischer Sprache mit dem Titel “The Guiding Hand”. Kurz darauf erschien die französische Übersetzung “Conduit par sa main” im Goupes Missionaires-Verlag.

In seinem Buch beschrieb Bosshardt die widrigen Umstände, unter welchen die Rote Armee den Langen Marsch unternahm und schilderte gleichzeitig auch seine persönlichen Erlebnisse.

“Als meine Schuhe auf dem beschwerlichen Weg kaputt gingen, zog ein Soldat die seinen aus und gab sie mir. Wenn wir nachts unser Lager aufschlugen, liessen sie mich stets auf einer mit Stroh ausgelegten Unterlage oder in einem Tempel schlafen. Meine Kameraden jedoch nahmen oft mit dem feuchten Boden vorlieb”, ist da zu lesen

“Unter den schwierigsten Umständen stellten sie mir eigens ein Pferd zur Verfügung. Wann immer möglich, erhielt ich mit Zucker versetzten Reisbrei und sie dachten sich sogar etwas aus, um mir Fleisch oder etwas von der damals sehr schwer erhältlichen Kondensmilch oder anderen wertvollen Lebensmitteln besorgen zu können.”

Bosshardt widmete sich in vielen Kapiteln eingehend seiner Beziehung zur Roten Armee, den gemeinsam durchlebten Höhen und Tiefen, wie man sich gegenseitig unterstützte usw.

Pullis gestrickt

Um sich zu revanchieren, kaufte Bosshardt etwa Schafwolle und strickte den Soldaten daraus Socken und Pullover, wie er es von seiner Mutter gelernt hatte.

Die frisch geborene Tochter des berühmten Generals He Long trug sogar einen eigens von Bosshardt gestrickten Pullover. Neben dem gelegentlichen Übersetzen ausländischer Zeitungen führte Bosshardt mit den Soldaten auch eingehende Diskussionen über religiöse und weltliche Themen.

Nach eingehender Untersuchung einer grossen Menge an historischem Material anerkannte das Nationale Chinesische Militärmuseum kürzlich Bosshardts Werk als erste westliche Monographie, welche den Langen Marsch der Roten Armee beschreibt.

Yu Da, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Chinesischen: Benjamin Stauffer)

Rudolf Alfred Bosshardt Piaget wurde als Sohn eines Schweizer Ehepaares 1897 in Manchester geboren.

1920 schickte man ihn auf die China-Mission nach Zhenyuan (Kreis Huangping Jiuzhou, Provinz Guizhou), wo er seine spätere Ehefrau Rose kennenlernte und insgesamt 12 Jahre verbrachte.

Nach einer Begegnung mit der Roten Armee reiste er durch fünf Provinzen bis nach Yunnan. Rose zog nach Shanghai um.

Im April 1936 trennte sich Bosshardt von der Roten Armee, um seine Missionarstätigkeiten in Fumin (Yunnan) fortzusetzen. Rose verliess Shanghai, um ihren Ehemann bei seiner Arbeit zu unterstützen.

Vier Monate nachdem Bosshardt die Rote Armee verlassen hatte, waren seine ersten Memoiren fertiggestellt.

1939 reiste das Ehepaar Bosshardt wieder nach Guizhou, um im Auftrag der “Great Commission Church International” Missionaren bei ihrer Arbeit in China zu helfen.

Neben dem Missionieren gehörten auch kostenlose medizinische Versorgung und Schulunterricht für die Einheimischen zu ihrer Arbeit.

1951 kehrten sie nach Europa zurück. 1966 ging Bosshardt in den Ruhestand und zog zu seiner Familie nach Manchester.

Bosshardt starb 1993 im Alter von 96 Jahren.

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