Generation ohne Haus: So unmöglich ist es, in der Schweiz ein Eigenheim zu kaufen

In vielen Gesellschaften können sich jüngere Generationen kein Wohneigentum mehr leisten. So auch in der Schweiz; Blick auf den gnadenlosen Häusermarkt im Alpenland.
«Ihr habt es einfach nicht genug gewollt.» Die Aussage der Verkäuferin, einer Erbin, geht dem jungen Paar noch lange nach.
Sie hatten in einer mittelgrossen Schweizer Stadt um ein einseitig angebautes Haus mitgeboten. Ein Haus, das rund 100 Jahre alt ist und seit einem halben Jahrhundert keine Renovation mehr gesehen hat.
1,49 Millionen Franken sei diese Immobilie wert, «maximal», hatte die Bank gesagt. Geboten hat das Paar 1,7 Millionen Franken – über 200 000 Franken mehr.
Es war nicht genug. Oder wie es die Verkäuferin fasste: «Bei weitem nicht.»
Geplatzte Träume
Es ist eine Erfahrung, wie sie viele Paare und Familien machen in der Schweiz. Der knappe Boden, die tiefen Zinsen und der stete Zustrom von Arbeitskräften aus dem europäischen Umfeld haben die Nachfrage nach Immobilien immer weiter angekurbelt.
Die Preise für Häuser und Eigentumswohnungen sind in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Allein in den Jahren 2017 bis 2024 betrug der Anstieg im schweizerischen Durchschnitt über 30 Prozent.
Nach der Corona-Pandemie habe es einen «unglaublichen Preisschub» gegeben, sagt Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research bei der Zürcher Kantonalbank ZKB.
Dabei seien die gefragten Lagen noch einmal deutlich teurer geworden. Aber selbst in abgelegenen Gebieten sind die Preise gestiegen. «Die Flut hebt alle Schiffe», so Kubli.
Fürs laufende Jahr erwartet die ZKB im Kanton Zürich eine Preissteigerung um 4,5 Prozent, für 2026 in derselben Höhe. Das bedeutet: Im Kanton Zürich, dem bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz, wird sich ein durchschnittliches Einfamilienhaus in nur zwei Jahren um über 140’000 Franken verteuern.
Die Sparguthaben von Normalverdienenden können da nicht mehr mithalten. Konsequenz: Der Traum vom Eigenheim driftet vor den Augen des Mittelstandes immer weiter davon.
2024 konnten sich laut ZKB noch 9 Prozent der 30- bis 40-jährigen Paare ein durchschnittliches Einfamilienhaus im Kanton Zürich leisten, 4 Prozent weniger als 5 Jahre zuvor.
Spitzenverdiener können mithalten
Über alle Eigentumstypen und Altersgruppen sowie die gesamte Schweiz liegt die Eigenheimquote heute bei 36 Prozent – das ist der Anteil von Menschen, die in der Schweiz in den eigenen vier Wänden leben.
«Diese Zahl hat in den letzten Jahren abgenommen», sagt Robert Weinert, Chefanalyst von Wüest Partner.
Das Beratungsunternehmen hat Löhne und Immobilienpreise der Schweiz nach Regionen ins Verhältnis gesetzt.
Für 58 Prozent der Schweizer Haushalte mit zwei erwerbstätigen Personen sind die Preise zu hoch, um sich eine Eigentumswohnung leisten zu können. Und ein Einfamilienhaus ist für 79 Prozent unerschwinglich geworden.
«Die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen führt dazu, dass wenige viel Geld haben, aber es sind immer noch genug, um die Preise zu treiben», sagt Weinert. Das gilt insbesondere für Einfamilienhäuser.
Denn hier wächst das Angebot nicht mehr, sondern schrumpft, zumindest an zentralen Lagen, wo alte Einfamilienhäuser abgerissen und durch Überbauungen mit Eigentumswohnungen ersetzt werden.
Claudio Saputelli, Leiter Immobilienanalyse bei der Schweizer Grossbank UBS, teilt die Einschätzung von Weinert. Er ergänzt: Wer die Medianeinkommen mit den bezahlten Preisen vergleiche, blicke aus der falschen Perspektive auf den Markt.
«Schaut man nur die Gruppe an, die sich ein Haus leisten kann, ist die Entwicklung weniger dramatisch», so Saputelli. Die Löhne der Gutverdiener könnten mit dem Immobilienmarkt Schritt halten.
«Ein Keil in der Gesellschaft»
Welche Gefühle die Entwicklung der Häuserpreise bei der breiten Bevölkerung auslöst, spiegeln die Kommentare in den sozialen Medien wider.
Auf Reddit beispielsweise kommentiert ein User den Post eines anderen, der in der Schweiz ein Haus kaufen will, beispielhaft so: «Wo willst du denn kaufen? Wenn es in Zürich ist, vergiss es… Im Moment ist nichts überteuert… Nur dein Geld ist nichts mehr wert.»
Erst kürzlich titelte der Zürcher Tages-Anzeiger: «Selbst wer 200’000 Franken verdient, kann sich kein Wohneigentum mehr leisten». «Housing affordability crisis» oder nur «Housing crisis» nennen die angelsächsischen Länder diesen Zustand.
Grossbritannien, die USA und auch Australien haben damit ihre Erfahrungen gemacht, um nur einige Beispiele zu nennen.
«Die Krise treibt einen Keil in das Gefüge der Gesellschaft», sagt der auf den Immobilienmarkt spezialisierte Ökonom Christian Hilber, der sowohl an der London School of Economics als auch an der Universität Zürich lehrt.
Verglichen mit Grossbritannien ist die Schweiz mit ihrer Krise laut Hilber allerdings eher spät dran. Vergleiche man die Preise heute mit jenen der 70er-Jahre, hätten sie sich in Grossbritannien teuerungsbereinigt um 405 Prozent erhöht (Q1 1970 bis Q4 2024), in der Schweiz «nur» um 106 Prozent.
Hilber führt das auf raumplanerische Restriktionen zurück, die in Grossbritannien schon lange die Bautätigkeit bremsen.
In der Schweiz hingegen sei die Raumplanung bis Anfang der 2010er-Jahre recht flexibel gehandhabt worden. Tatsächlich entfällt ein grosser Teil des Preisschubes auf die Zeit danach.
Das zeigt sich auch in einem kürzlich von Wüest Partner veröffentlichten Vergleich der relativen Preisentwicklung von Immobilien in den OECD-Staaten in den letzten 10 Jahren.
Einseitige Vermögensbildung
In den USA, wo die «Housing Crisis» seit Jahren schwelt, bezeichnen unterdessen drei Viertel der Bevölkerung die Finanzierbarkeit von Wohnraum als wachsendes ProblemExterner Link.
Sarah Dickerson, Wissenschaftlerin am Kenan Institute of Private Enterprise, das zur Wirtschaftsschule der Universität von North Carolina gehört, beobachtet bei jüngeren Generationen eine gewisse Resignation.
«Ein eigenes Haus ist immer noch ein wichtiger Teil des amerikanischen Traums, aber die Erkenntnis setzt sich durch, dass dieser für viele unerreichbar bleibt.»
Dickerson sieht eines der Hauptprobleme dabei in der Schere zwischen Arm und Reich, die sich immer weiter öffne. Wohneigentum sei in den USA für weite Teile der Gesellschaft ein Instrument gewesen, um Wohlstand zu akkumulieren. Nun blieben viele von dieser Möglichkeit ausgeschlossen.
Mittun könne nur noch, wer wohlhabende Eltern habe. So werde der soziale Unterschied langfristig verstärkt.
Nicht Teil der Altersvorsorge
Auch in der Schweiz sind viele Vermögen aus Immobilienkäufen gewachsen. Die soziale Bedeutung von Wohneigentum ist aber, wegen der gut ausgebauten Altersvorsorge und Gesundheitsversorgung, weniger ausgeprägt.
Dieser Aspekt spiegelt sich in der Eigentumsquote. Sie war in der Schweiz im internationalen Vergleich schon immer tief.
Während hier bloss etwas mehr als ein Drittel eine eigene Immobilie bewohnt, sind es in den USA und in Grossbritannien zwei Drittel.
In Ländern mit einer schwachen Altersvorsorge wie Rumänien beträgt der Eigentumsanteil über 95 Prozent.
Die tiefe Eigentumsquote der Schweiz ist insofern ungewöhnlich, als hier äusserst günstige Finanzierungsbedingungen herrschen.
So muss eine Hypothek, solange sie zwei Drittel des Immobilienwertes nicht übersteigt, nicht amortisiert werden – ja, es gibt sogar steuerliche Anreize, die Schulden nicht abzubauen.
Bei der Hypothekenvergabe, also zur Berechnung der Bonität der Käufer, legen die Banken allerdings einen kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent zu Grunde.
Dazu kommen 1 Prozent des Immobilienwertes für den Unterhalt sowie die Nebenkosten. Die Summe aus beidem darf nicht mehr als ein Drittel des Bruttojahreseinkommens betragen. Dann ist die sogenannte Tragbarkeit gegeben.
Die Hypothekarzinsen sind im internationalen Vergleich tief – bei aktuell 1,4 bis 1,6 Prozent für eine zehnjährige Festhypothek.
Durch die letzten Zinssenkungen ist Kaufen in der Schweiz aktuell wieder günstiger als mieten, was die Preissteigerung weiter anheizt.
Kaufstrategien
In der Schweiz bleibt jungen Mittelstandsfamilien heute oft nur noch, ihre Ansprüche zu reduzieren. Zum Beispiel, indem sie ihren Suchradius erweitern.
Genau das passiere auch, wie die Daten von Immobilienplattformen zeigten, sagt ZKB-Expertin Kubli.
Oder aber man übernehme ein Haus aus der Familie. Es ist ein häufiges Szenario. «Rund die Hälfe aller Häuser werden familienintern weitergegeben», so Kubli.
Eine gangbare Strategie, die in Grossbritannien stark, aber in der Schweiz kaum verbreitet ist, besteht darin, zu kaufen, was man sich leisten kann, auch wenn ein Haus nicht perfekt passt, nur um sich mit dem Markt mitzuentwickeln. Später verkauft man das Haus und kauft etwas Passenderes.
Hingegen verspricht das Warten auf eine grosse Korrektur in der Schweiz wenig Erfolg. Bei anhaltender Zuwanderung aus der EU und einer Leerstandsquote, die unter ein Prozent zu fallen droht, dürfte sich die Wohnungskrise in der Schweiz weiter zuspitzen.
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Ausserdem wird durch das billige Geld und die unsichere Lage an den Finanzmärkten das sogenannte «Buy to let» attraktiv, also der Kauf insbesondere von neu gebauten Eigentumswohnungen, um diese gewinnbringend zu vermieten.
Beim Kauf von Stockwerkeigentum sehen sich junge Familien deshalb der Konkurrenz von finanziell etablierten Baby-Boomern gegenüber, die ihr Vermögen anlegen wollen.
Dass die Preise demnächst fallen könnten, ist nicht absehbar – diese Einschätzung teilen fast alle von SWI swissinfo.ch befragten Expertinnen und Experten.
Saputelli von der UBS sieht als einzige Möglichkeit für eine Korrektur am Immobilienmarkt eine anhaltende Rezession – für Mittelstandsfamilien nicht unbedingt ein Wunschszenario.
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Editiert von Balz Rigendinger

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