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Gewerkschaften gegen Sonntags-Arbeit

Das Shop Ville im Hauptbahnhof Zürich. Keystone

Die Gewerkschaften hinter dem Referendum gegen die erweiterte Sonntags-Arbeit betonen die zentrale gesellschaftliche Bedeutung eines arbeitsfreien Tages.

Über die Änderung des Arbeitsgesetzes entscheidet das Stimmvolk am 27. November.

Die Gewerkschaften haben für den Abstimmungskampf 600’000 Franken bereit gestellt. Sie sorgen sich um den Sonntag und machen vor allem gesellschaftspolitische und arbeitnehmerrechtliche Gründe geltend.

Eine Lockerung des Gesetzes sieht vor, den Sonntagsverkauf an wichtigen Flughäfen und 24 Bahnhöfen einzuführen, die mehr als 20 Mio. Franken Umsatz im Personenverkehr machen oder von grossem regionalem Interesse sind.

Gemeinsamer Frei-Tag

Falls der Sonntag grundsätzlich als arbeitsfreier Tag weg falle, habe dies nicht nur für das Familienleben unabsehbare Folgen, sondern für das gesellschaftliche Leben überhaupt, sagte Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) vor den Medien.

Viele soziale Ereignisse seien nur deshalb möglich, weil die Menschen grundsätzlich am gleichen Tag frei hätten. Der arbeitsfreie Sonntag sei wohl die älteste Institution des Arbeitnehmerschutzes.

Unsoziale Sonntagsarbeit

Laut dem Komitee “Nein zu mehr Sonntagsarbeit” ist die Änderung auch aus anderer Sicht unsozial. Am Sonntag arbeiteten heute mehrheitlich Beschäftigte mit tieferen Löhnen, sagte André Daguet, Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Unia. Wenn es um ihre eigene Person gehe, hätten es die Manager begriffen: Ihnen sei der Sonntag heilig.

Auch bei den Zulagen müssten die Arbeitnehmer Einbussen hinnehmen, sagte Daguet. Weil es nur für unregelmässige Sonntagsarbeit einen Lohnzuschlag gebe und mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung die regelmässige Sonntagsarbeit stark zunehmen würde, würden die Entschädigungen sinken.

Nullsummenspiel

Travail.Suisse-Präsident Hugo Fasel äusserte die Befürchtung, dass ein gelockertes Arbeitsverbot nur ein erster Schritt zu weiteren Liberalisierungen sei. Die grossen Läden in den Innenstädten würden es nicht lange zulassen, dass am Sonntag ab Bahnhofsausgang andere Regeln gelten. Sie würden Wettbewerbs-Gleichheit verlangen.

Die Liberalisierung der Sonntagsarbeit werde keinen zusätzlichen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen, sagte Fasel weiter. Es handle sich um ein Nullsummenspiel, bei der die Arbeitsplätze nur verlagert würden.

Gewerbe in Angst

In dieselbe Kerbe schlägt der Schweizerische Detaillistenverband (sdv), dessen Mitglieder sich gegen die Liberalisierung ausgesprochen haben: Die Öffnung führe nicht zu einer Vergrösserung des Gesamtumsatzes, sondern nur zu einer Verlagerung der Umsätze weg von den Fachgeschäften. Diese Wettbewerbsverzerrung gehe zu Lasten des Detailfachhandels. Unternehmungen ohne Verkaufsflächen in Bahnhöfen würden diskriminiert.

Die Schweizer Hoteliers hingegen wollen die Liberalsierung: Würde die Vorlage abgelehnt, bestehe die Gefahr, dass auch die Ladenöffnungszeiten in den Tourismusorten eingeschränkt werden müssten. Das aber würde die Attraktivität der Tourismusgebiete schwächen.

“Einkaufen im Bahnhof ist ökologisch”

Das Komitee “Öffentlicher Verkehr für offene Bahnhöfe” argumentiert, es wolle nichts anderes, als den Status quo erhalten, wie SBB-Chef Benedikt Weibel vor den Medien ausführte. Die Vorlage bedeute indessen nicht, dass Sonntagsverkäufe generell erlaubt würden. Dass ausgerechnet die Nacht- und Sonntagsarbeit in Bahnhöfen auf Widerstand stosse, sei für ihn schwer verständlich.

Zehntausende Eisenbahner und andere Angestellte des öffentlichen Verkehrs arbeiteten ja ebenfalls an Sonn- und Feiertagen sowie in der Nacht. Die Abstimmungsvorlage betreffe weniger als 1000 Stellen.

Die Läden in den Bahnhöfen stellten für Bahnreisende praktische und ökologisch sinnvolle Einkaufsmöglichkeiten dar, sagte der sozialdemokratische Nationalrat und Präsident des Verbandes öffentlicher Verkehr, Peter Vollmer. Auch aus Sicht des Tourismus seien täglich offene Läden an Bahnhöfen ein Bedürfnis.

Gesellschaftliche Diskussion

Die Diskussion um längere Ladenöffnungszeiten läuft seit Ende der 1990er-Jahre, als in mehreren Kantonen entsprechende Vorlagen zur Abstimmung kamen. Befürworter argumentierten insbesondere, dass erweiterte Einkaufsmöglichkeiten neuen Bedürfnissen entsprächen.

Dass ansehnliche Teile der urbanen Bevölkerung ihre Einkäufe nicht unter der Woche erledigen, wird sichtbar, wenn die Grossverteiler in den Bahnhöfen von Zürich oder Bern am Sonntagmorgen ihre Tore öffnen.

Auch die Parteien können vor solchen Entwicklungen nicht die Augen verschliessen. So haben die Christlichdemokraten Ende August die Ja-Parole beschlossen. Auch die Freisinnigen vertreten diese Auffassung. Dagegen sind die Evangelische Volkspartei und die Sozialdemokraten.

swissinfo und Agenturen

Am 27. November wird über den Sonntagsverkauf in grossen Bahnhöfen abgestimmt.

Mit dem Referendum dagegen brachten der Schweizerische Gewekschaftsbund (SGB) und Travail.Suisse die Vorlage vors Volk.

Ende 2004 hatte das Parlament beschlossen, die Sonntagsarbeit auszuweiten.

Der Sonntagsverkauf soll an Flughäfen und grossen Bahnhöfen möglich sein.

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