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Warum das geplante Schweizer Weltraumgesetz wichtig ist

Emmanuelle David

Das von der Schweiz vorgeschlagene Raumfahrtgesetz mag weniger Schlagzeilen machen als der jüngste Raketenstart, könnte aber langfristig ebenso bedeutend für unsere Aktivitäten im Weltraum sein.

Als ich 2017 zum ersten Mal in die Schweiz kam, wusste ich wenig über das Erbe und die Innovation der Schweizer Raumfahrtindustrie. Ich hatte das Land mit Bergen, Schokolade und hohen Gehältern assoziiert, aber eigentlich bin ich gekommen, weil die Schweiz die Verkleidungen (welche die Nutzlast eines Raumfahrzeugs schützen) für die Trägerraketen Ariane 5 und Ariane 6 herstellt.

Meine Wahrnehmung änderte sich schnell, als ich ein Land entdeckte, dessen Präzisionsingenieurwesen und technische Exzellenz im Stillen eine bemerkenswerte Präsenz in der Weltraumforschung und -wissenschaft aufgebaut hat.

Anfang 2025 eröffnete das Schweizer Parlament eine öffentliche Konsultation für das erste nationale Weltraumgesetz der Schweiz.

Das von der Schweiz vorgeschlagene Gesetz über Weltraumoperationen macht vielleicht nicht so viele Schlagzeilen wie der jüngste Raketenstart. Aber seine Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir gemeinsam unsere Aktivitäten ausserhalb der Erdatmosphäre steuern, könnten sich langfristig als ebenso bedeutend erweisen.

Diese GesetzgebungExterner Link ist eine entscheidende Entwicklung, die internationale Aufmerksamkeit verdient. Aber warum sollten sich die Menschen jenseits der Schweizer Grenzen dafür interessieren?

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Die globalen Auswirkungen der Schweizer Raumfahrtaktivitäten

Wir alle sind in unserem Alltag auf Raumfahrttechnologien angewiesen. Navigationssysteme leiten uns durch (un)bekanntes Terrain. In der Schweiz liefern Erdbeobachtungssatelliten Daten für Meteoschweiz, Swisstopo und Dienste wie Google Earth, während Kommunikationssatelliten Fernsehsendungen, Datenübertragungen und Internetverbindungen über Dienste wie Starlink ermöglichen.

Ich habe schnell gelernt, dass die Schweiz trotz ihrer bescheidenen Grösse eine bemerkenswerte Präsenz in der Weltraumforschung und -wissenschaft aufgebaut hat. Das Land liefert die Atomuhren für die Galileo-Satelliten.

Der wissenschaftliche Beitrag der Schweiz begann mit den Apollo-Missionen, bei denen ein Schweizer Solarexperiment die Mondoberfläche erreichte. Als eines der zehn Gründungsmitglieder der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) engagierte sich die Schweiz schon früh für die Zusammenarbeit in der Raumfahrt, indem sie zwischen 1969 und 1978 alle Weltraumverträge der Vereinten Nationen (mit Ausnahme des Mondabkommens) ratifizierte.

Die ESA hat heute 23 Mitgliedstaaten. Ein grosser Teil der Schweizer Weltraumaktivitäten erfolgt durch die Teilnahme an ESA-Programmen und -Missionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation.

Seit 2008 nimmt die Schweiz am UNO-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) teil und leistet damit einen Beitrag zu den Diskussionen über die globale Raumfahrtpolitik.

Die Schweizer Flagge wurde von Claude Nicollier, Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), in den Weltraum getragen und demnächst wird Marco Sieber, einer der jüngsten Astronauten der ESA, sie wieder ins All hinaustragen.

Heute leistet die Schweiz einen aktiven Beitrag zur Internationalen Raumstation (ISS), zum künftigen Aussenposten Lunar Gateway und zu den Missionen «ExoMars» und «Mars Sample Return».

Starker Schweizer Raumfahrtsektor

Die Entwicklung der Schweiz vom Komponentenzulieferer zum Komplettanbieter von Raumfahrtsystemen ist ein Beispiel dafür, wie kleinere Nationen bedeutende Raumfahrtkapazitäten entwickeln können.

Die Schweiz verfügt auch über eine solide Raumfahrtindustrie mit Unternehmen wie APCO und Beyond Gravity, die ein vielfältiges Ökosystem innovativer Unternehmen anführen.

Nun wird eine neue Generation von Unternehmen End-to-End-Lösungen anbieten, darunter Astrocast (Satelliten-IoT), Dphi Space, Clearspace (Weltraummüllbeseitigung), Wisesat, Aerospace Labs (Bodensegmentbetrieb), PAVE-Space und Swissto12 (Satellitenkomponenten).

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Diese Unternehmen werden unter dem vorgeschlagenen Rechtsrahmen tätig sein und das wachsende Raumfahrt-Ökosystem der Schweiz repräsentieren, was die zunehmenden Fähigkeiten des Landes in diesem Sektor widerspiegelt.

Dieser Wandel ist besonders für andere mittelgrosse Länder von Bedeutung, die ihren Raumfahrtsektor entwickeln wollen, aber nicht über die riesigen Budgets von Weltraum-Supermächten verfügen.

Strategische Investitionen

Als liberale Nation, die sich der Innovation verschrieben hat, muss die Schweiz strategische Investitionen in Schlüsseltechnologien der Raumfahrt tätigen, um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben. Insbesondere angesichts ihrer Position ausserhalb der Europäischen Union und der US-Zölle, die auf Schweizer Raumfahrtprodukte erhoben würden.

Die besorgniserregende Abwanderung talentierter Hochschulabsolvent:innen ins Ausland und die steigende Nachfrage nach erfahrenen Ingenieur:innen durch einheimische Unternehmen zeigen, dass es dringend notwendig ist, unsere heimische Raumfahrtindustrie zu stärken.

Die jüngsten Investitionen der Schweizer Armee in weltraumgestützte Infrastrukturen tragen dieser Realität Rechnung und stellen eine notwendige Anpassung an die zunehmend angespannte geopolitische Lage dar.

Es ist an der Zeit, entschlossen zu handeln – die technologische Unabhängigkeit der Schweiz und ihr künftiger Wohlstand im Raumfahrtsektor hängen davon ab.

Das schweizerische Weltraumgesetz bildet zwar einen wichtigen rechtlichen Rahmen, aber wir müssen über die Verordnung hinausschauen, um die Zukunft der Schweiz im Weltraum zu sichern.

Als französische Staatsbürgerin, die diesen Prozess beobachtet, finde ich den Ansatz der Schweiz besonders interessant. Der Konsultationsprozess selbst zeigt, wie ein Land ohne eigene Raumfahrtbehörde dennoch eine umfassende Gesetzgebung zur Unterstützung eines wachsenden Raumfahrtsektors entwickeln kann.

Das Ergebnis kann für andere Länder mit einem ähnlichen Profil wertvolle Lehren bieten. Darüber hinaus ist der Bottom-up-Ansatz der Schweizer Raumfahrtpolitik der richtige, um neue Initiativen zum Blühen zu bringen.

Warum das vorgeschlagene Schweizer Gesetz für alle wichtig ist

Mit dem vorgeschlagenen Gesetz über den Weltraumbetrieb kann die Schweiz drei wichtige Aspekte der internationalen Weltraum-Governance zum Nutzen der globalen Weltraumaktivitäten umsetzen:

  1. UNO-Registrierung: Durch die Schaffung eines Rahmens für die Registrierung von Missionen durch die Betreiber erhöht die Schweiz die Transparenz im Weltraumbetrieb – ein wichtiger Schritt angesichts des zunehmenden Weltraumverkehrs.
  2. Haftungskonvention: Das Gesetz erkennt die Grundsätze der internationalen Haftung für Weltraumaktivitäten an und legt eine klare Verantwortung für mögliche Schäden fest.
  3. Nachhaltigkeit im Weltraum: Mit Bestimmungen zur Risikominderung und zum nachhaltigen Betrieb trägt die Schweiz dazu bei, den Weltraum als globales Gemeinschaftsgut zu erhalten.

Kurzum, das Gesetz erhält die Attraktivität der Schweiz als Standort für öffentliche und private Raumfahrtaktivitäten und fördert die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Akteure in diesem Bereich, indem es einen flexiblen Rahmen schafft, der Innovationen fördert und die Bürokratie minimiert.

Für die Schweiz ist es eine Chance, ihr Raumfahrt-Erbe zu offiziell zu dokumentieren und zukünftiges Wachstum zu ermöglichen. Für den Rest von uns ist es eine Gelegenheit, einen durchdachten Ansatz für eine unserer dringlichsten Governance-Herausforderungen zu beobachten – wie wir sicherstellen können, dass der Weltraum auch für kommende Generationen zugänglich, nützlich und nachhaltig bleibt.

Das vorgeschlagene Weltraumgesetz soll die Bewilligung und Überwachung von Weltraumaktivitäten regeln, Haftungsfragen klären und ein nationales Register für Weltraumobjekte erstellen und führen. Die Vernehmlassungsfrist, die am 6. Mai endet, lädt Stakeholder und interessierte Kreise dazu ein, die Gesetzgebung zu gestalten, welche die Schweizer Aktivitäten ausserhalb der Erdatmosphäre regeln wird.

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