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Berns Wappentiere vor Sprung ins 21. Jahrhundert

Manu Friederich

500 Jahre Bärengraben sind genug: Am Montag ist in der Hauptstadt mit einer symbolischen Aktion der erste Spatenstich für den neuen, tiergerechteren Bärenpark erfolgt.

Barbara Hayoz von der Stadtregierung bohrte ein Loch in die Sandsteinmauer des Grabens, als Tunnel, durch den die Bären 2009 in ihre neue Freiheit gelangen sollen.

“Man muss die Bären befreien!” Die Forderung stammt von jemandem, der bisher eher als Revolutionär denn als Tierfreund in die Geschichte eingegangen war: Lenin. Mögen seine gesellschaftspolitischen Theorien zur Befreiung der Menschen als veraltet gelten: Die Behörden der Schweizer Hauptstadt setzen nach rund 100 Jahren das Postulat des Revolutionsführers um und befreien ihre Wappentiere.

Diese müssen sich aber noch bis 2009 gedulden. Dann wird es soweit sein: “Sie können wie echte Bären leben, mitten in der Stadt”, sagte Barbara Hayoz von der Berner Stadtregierung am Montag beim offiziellem Beginn der Bauarbeiten.

Bis in gut einem Jahr entsteht am Aarehang unterhalb des jetzigen Berner Wahrzeichens ein 6500 Quadratmeter grosser Park. Darin können die Bären auf Bäume klettern, ein Bad in der Aare nehmen und dabei auf Fischfang gehen, falls der Magen knurrt.

“Miss Bärenpark”

Die Leiterin des Stadtberner Baudepartements hatte sich stark für die Finanzierung des Projekts eingesetzt. Und sich damit polittisch als “Bärenmutter” profiliert.

Lange Zeit hatte es mangels ausreichender finanzieller Mittel ausgesehen, als ob der private Aarestrand nur ein Bärentraum bleiben würde und die Wappentiere weiter im tristen Sandstein-Verlies schmachten müssten – wie in den letzten 500 Jahren.

Hochwasser

Zentraler Aspekt bei der Planung war die Sicherheit. Nicht nur die der Menschen, sondern auch der Bären. Dies insbesondere im Hinblick auf Hochwasser. Erst zwei Jahre sind es her, seit die hochgehende Aare im Berner Altstadt-Quartier Matte grosse Schäden angerichtet hatte, und die Feuerwehr Bewohner evakuieren musste.

Für den Fall, dass die Bären das Hochwasser zum Ausbruch aus ihrem Park benützen könnten, wie dies vor zwei Jahren die Biber im Tierpark getan hatten, hat Parkdirektor Bernd Schildger folgendes Szenario parat: “Wir werden die Bären mit Futter zurück in den Graben locken.”

Klappe es mit dem Lockangebot nicht, werde ein Veterinär die Bären narkotisieren und mit einem Transporter zurück ins Gehege schaffen. Erst wenn der Tierarzt krank sei, und innerhalb der nächsten 100 Kilometer kein Stellvertreter gefunden werden könne, würde ein entlaufener Bär abgeschossen, versicherte Schildger gegenüber swissinfo.

Frisches Bärenblut aus Finnland

Früher hatten bis zu zwölf Bären im Graben ihr Dasein gefristet. Heute sind es noch zwei: Die Geschwister Pedro und Tana, die 1981 geboren wurden. Sie sollen im nächsten Jahr die ersten sein, welche den Park erkunden können. Sicher sind es die letzten Wappentiere, deren Zuhause der Bärengraben war.

Weitere Bären-Gschpänli warten schon auf die neue Freiheit, so eine Bärin aus dem stadteigenen Berner Tierpark und ein Bär aus dem finnischen Zoo in Helsinki.

“Berner Tempo”

Das Projekt Bärenpark hatte in der Hauptstadt einen klassischen Fehlstart erwischt: Mit Kosten von 16 Mio. Franken verschwand es schnell wieder in der Schublade. 2005 übernahm Barbara Hayoz die Federführung und redimensionierte das Projekt auf unter zehn Mio. Franken.

Ihre Strategie: Der Hauptteil sollte von privater Seite getragen werden. In der Folge spendeten nicht nur Unternehmen, sondern auch Bürger kleinere und grössere Beiträge. Auch gab es einen Sponsorenlauf, der über 230’000 Franken einbrachte.

Getragen vom neuen Elan, stimmte die Stadtberner Bevölkerung im letzten Sommer mit überwältigendem Mehr von 88% Ja dem Bau des Bärenparks zu.

Die Befreiung ist dem Wappentier seit vielen Generationen geschuldet: Der Besuch und das Füttern der Tiere mit Karotten oder Erdnüssen ist Tradition. Geradezu Pflicht war der Gang zum Bärengraben zu Ostern, wenn sich der putzige Bärennachwuchs erstmals dem entzückten Publikum präsentierte.

Bären hatten auch Jahrhunderte lang zu Umzügen durch die Stadt gehört. Als Überbleibsel wird heute die Fasnacht mit dem Warnschrei “Der Bär ist los!” begonnen.

Nicht mehr tiergerecht

Schon seit langem hatten Stadtbewohner und Besucher kritisiert, dass die Berner Bären in ihrem Graben aus dem Jahr 1857 kein artgerechtes Bärenleben mehr können. Zwar gabs in den 1990er-Jahren Verbesserungen an der Anlage, doch daraus resultierte kaum mehr als Kosmetik.

Die sprichwörtliche Berner Beharrlichkeit führt nun dennoch zum Ziel. Zwar nicht so schnell, wie sich dies Lenin gewünscht hatte. Dafür wird der Park hinsichtlich bärengerechter Haltung zu den natürlichsten Anlagen der Welt gehören.

swissinfo, Julia Slater
(Übersetzung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Der Bär ist das Wappentier von Stadt und Kanton Bern. Nach der Legende soll der Gründer der Stadt, Herzog Berchtold von Zähringen, nahe der neuen Stadt als erstes Tier einen Bären erlegt haben.

Bären werden in Bern seit rund 500 Jahren gehalten. Der Graben, der im nächsten Jahr ausgedient haben wird, ist die vierte solche Anlage.

Bären sind im Berner Stadtbild allgegenwärtig, sei es als Brunnenfiguren aus dem 16. Jahrhundert, oder als moderne Kehrichtbehälter.

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