Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Der Schweizer Wald ruft

Die Schweiz verfolgt eine ausgeglichene Waldbewirtschaftung. Keystone

Der Schweizer Wald liefert mehr Holz als der Markt erträgt. Die kleinräumige Waldwirtschaft ist kaum mehr rentabel.

Die Revision des Waldgesetzes soll Abhilfe schaffen. Die Vernehmlassung dazu hat der Bundesrat jüngst aber verschoben.

Jede Sekunde wird irgendwo auf der Welt eine Waldfläche von der Grösse eines Fussballfeldes abgebrannt oder kahl geschlagen. In der Schweiz ist der Trend umgekehrt. Ein Drittel der Schweizer Landfläche von 41’290 Quadratkilometern ist bewaldet, und die Waldfläche nimmt leicht zu. Drei Viertel der Schweizer Wälder gehören der öffentlichen Hand.

Ein über Jahrhunderte entstandenes Mosaik aus Wald, Feld und Siedlungen prägt weite Teile der Schweiz. Rund die Hälfte der in der Schweiz vorkommenden einheimischen Tier- und Pflanzenarten lebt im Wald oder am Waldrand. Die Schweiz verfolgt eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial ausgeglichene Waldbewirtschaftung und steht damit im internationalen Vergleich gut da.

Der Schweizer Wald ist labiler als er ausschaut

Der schwere Lawinenwinter 1999 und der Orkan “Lothar” vom 26. Dezember des gleichen Jahres haben jedoch gezeigt, wie labil das Gleichgewicht in den Schweizer Wäldern ist. Der Sturm knickte Tausende von Stämmen ab. Während der Bund den Wald mit durchschnittlich 180 Mio. Franken pro Jahr subventioniert, schnellten die staatlichen Beiträge für die Sturmschäden nach “Lothar” vorübergehend auf 320 Mio. Franken hoch.

Trotz der guten Ausgangslage gibt es im Schweizer Wald Handlungsbedarf. Das Waldgesetz soll teilrevisioniert werden. Doch der Bundesrat hat jüngst die Vernehmlassung zum neuen Waldgesetz nach einer Grundsatzdebatte über die Waldpolitik vertagt. Er beauftragte den zuständigen Umweltminister, Moritz Leuenberger, weitere Abklärungen zu tätigen.

Keine Vorschriften und keine Subventionen mehr?

Als weitestgehende Massnahme soll abgeklärt werden, ob auf sämtliche Vorschriften zur Waldbewirtschaftung verzichtet werden kann. Im Gegenzug würden die Waldbesitzer dann auch keine Subventionen mehr erhalten.

Im revidierten Gesetz sollen unter anderem der Realersatz bei Rodungen und die Grundsätze der Waldbewirtschaftung neu geregelt werden. 1902 führte die Schweiz im Forstpolizeigesetz ein Rodungsverbot ein.

Grössere Rodungsflächen – mehr Profit?

Die Kernfrage beim neuen Waldgesetzt lautet: Genügen die strengen Rahmenbedingungen und die bisherige Forstpolitik den heutigen Ansprüchen? Die Schweizer Wald- und Holzwirtschaft ist defizitär. Von zehn Millionen Kubikmeter Holz, die jährlich geschlagen werden könnten, bleiben drei Millionen Kubikmeter stehen.

Der Holzschlag in den meist kleinen Schweizer Waldeinheiten rechne sich bei den international tiefen Holzpreisen nicht, sagen viele Waldbesitzer. Einige Private haben deshalb die Waldbewirtschaftung aus Kostengründen zurückgestellt. Die Holzerlöse decken die Kosten nicht mehr. Zudem machen ausländische Wald- und Forstunternehmen dem Schweizer Holz scharfe Konkurrenz.

Zusammenschlüsse fördern Wettbewerbsfähigkeit

Umweltverbände, Greenpeace und der World Wild Life Fund (WWF) befürchten, der Rodungsartikel des Waldgesetzes könnte im neuen Entwurf aufgeweicht oder ganz fallen gelassen werden.

Heute betreuen fast drei Viertel aller Forstbetriebe Waldflächen von weniger als 200 Hektaren. Experten haben berechnet, dass erst Waldflächen von 800 bis 1000 Hektaren optimal und ökonomisch sinnvoll bewirtschaftet werden können. Zusammenschlüsse von defizitären Forstbetrieben seien unter den neuen Wettbewerbs-Verhältnissen unabdingbar.

Bei der Teilrevision des Waldgesetzes wird geprüft, ob Anreize zur Selbsthilfe (Selbsthilfefonds), mehr forstliche Investitionskredite, Anschub-Finanzierungen und Holzförderungs-Programme mehr bringen als die Aufhebung des Rodungsverbots.

Experten glauben, eine verbesserte Zusammenarbeit unter den Waldbesitzern und Netzwerke zwischen den Mitgliedern der Holzkette könnten die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Holzes markant verbessern. Eine grössere Produktevielfalt sowie publikumswirksameres Marketing stellten weitere Instrumente dar, um den Wald nachhaltig und profitabel zu bewirtschaften.

Vom Wald zum Raum-Management

Alle Beteiligten (Bund, Kantone, Landwirtschaft, Verkehr, Tourismus) sind sich darüber einig, dass der Schweizer Wald als Teil der Gesamtlandschaft und als Teil eines koordinierten Raum-Managements betrachtet werden muss. “Aus dem Massenprodukt Holz soll künftig ein vielfältig verwendbares, zertifiziertes Schweizer Qualitätsprodukt werden”, schreibt das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landwirtschaft (BUWAL).

In der Schweiz sind bereits rund 500’000 Hektaren Wald nach den Vorgaben des FSC zertifiziert, das entspricht 41 Prozent der gesamten Waldfläche der Schweiz, wie der WWF berichtet. Das FSC-Zertifikat wird vom Weltforstrat FSC (Forest Stewardship Council) vergeben. Der FSC hat Prinzipien und Kriterien für die umwelt- und sozialverträgliche Waldbewirtschaftung definiert.

Es fehlt an grossen Waldschutzgebieten

Das FSC-Zertifikat ist unter anderem an die Bedingungen gebunden, dass zehn Prozent der Fläche als Waldschutzgebiet oder Waldreservate ausgeschieden werden muss und kein Kahlschlag von mehr als einer Hektare erlaubt ist.

In der Schweiz sind rund drei Prozent der Waldfläche als Waldreservate geschützt. Waldreservate sind grosse und zusammenhängende Waldflächen, die gesetzlich oder vertraglich geschützt sind und wo die Wirtschaftlichkeit der Holznutzung eine untergeordnete Rolle spielt.

swissinfo, Erwin Dettling

Ein Drittel der Schweizer Landfläche von 41’290 Quadratkilometern ist bewaldet.

Heute betreuen fast drei Viertel aller Forstbetriebe Waldflächen von weniger als 200 Hektaren.

In der Schweiz sind rund 3% der Waldfläche als Waldreservate geschützt.

Der Bundesrat lässt die Streichung der Subventionen für Waldbesitzer und den Verzicht auf alle Vorschriften für die Waldbewirtschaftung prüfen.

Nach einer Grundsatzdebatte über die Waldpolitik beauftragte der Bundesrat jüngst das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beauftragt, weitere Varianten zum neuen Waldgesetz auszuarbeiten.

Das UVEK) hatte in seinem Antrag an den Bundesrat unter anderem eine Ausdehnung der Subventionen auf die Holzverarbeitungskette und eine Lockerung der Aufforstung vorgeschlagen.

Mit diesen Vorschlägen vermochte Umweltminister Moritz Leuenberger die Regierung aber nicht zu überzeugen. Der Bundesrat verschob das Geschäft und beauftragte Leuenberger, für das neue Waldgesetz noch weitere Varianten zu prüfen.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft