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Schweizer Wassermann in Haiti

Harry Zehnder und sein Wassergeschäft "Eau Miracle" in Port-au-Prince, rechts eine Kundin mit 4 Galonen gekauftem Wasser. Erwin Dettling

Erdbeben sind auch Wasserversorgungs-Katastrophen. Das war in Haiti auch so, als am 12. Januar 2010 ein Beben mehr als 250'000 Menschen getötet hatte. Harry Zehnder, ein Schweizer Unternehmer in Port-au-Prince, hält trotz allen Widrigkeiten an seinem Wassergeschäft fest.

Wer mit offenen Augen durch die halb zerstöre Hauptstadt von Haiti fährt, kommt an Harry Zehnder nicht vorbei. Eingeklemmt zwischen ärmlichen Häuserzeilen prangt allein in Port-au-Prince 250 Mal der blaue Schriftzug “Eau Miracle” an Wasserkiosken. “Eau Miracle” ist die Wassermarke von Harry Zehnder, die er seit 2001 in Haiti vertreibt.

Harry Zehnder erzählt gegenüber swissinfo.ch, wie er im Jahr 2001 auf seine Wasser-Geschäftsidee mit humanitärer Komponente gestossen ist: “Seit Jahren sehe ich, wie in Haiti vor allem viele Kinder erkranken, weil sie verseuchtes Wasser trinken, oder weil sich Familien sauberes Wasser nicht leisten können.”

Der Schweizer Geschäftsmann, der seit 25 Jahren in Haiti lebt, suchte und fand Wege, die haitianische Konkurrenz im Wassergeschäft zu bezwingen. “Ich fragte mich: Wie kann ich sauberes Wasser produzieren und gleichzeitig den Preis dafür senken?” Die Antwort lag in der Verpackung.

Kunden bringen eigene Behälter mit

Harry Zehnder verzichtet darauf, das Wasser, das er von Brunnen und der öffentlichen Versorgung in seine Aufbereitungsfirma transportieren lässt, in Plastik-Flaschen abzufüllen. “Weil der aufwändige Flaschentransport zu den Konsumenten wegfällt, konnte ich die Produktionskosten um 50 Prozent senken”, sagt er.

Anstatt das Wasser in Einzelflaschen durch Stadt und Land zu karren, schuf Harry Zehnder die putzigen Verkaufstellen für sein “Eau Miracle”, auf deren Dächer Grosstanks stehen. Dorthin wird das mit Umkehr-Osmose gereinigte und gefilterte Wasser mit Zisternenlastern gepumpt.

Private Kiosk-Besitzer des “Eau Miracle” verkaufen das Wasser an Einzelkunden, welche ihre eigenen Grossbehälter mitbringen. “Ich bin für die Technik des Wassergeschäfts verantwortlich, die Kioskinhaber sind die Verkäufer”, präzisiert Zehnder. 5 Gallonen (knapp 19 Liter) “Eau Miracle” kosten in lokaler Währung 25 Gourdes. Der Betrag entspricht rund 75 Rappen. Zehnders Wasser ist halb so teuer wie dasjenige der Konkurrenz, das zum Beispiel unter dem Namen “O Saint” verkauft wird.

Nicht alle Konkurrenten haben die Wasseroffensive von Harry Zehnder überstanden. “Einer der drei grossen Anbieter musste im harten Wasser-Wettbewerb aufgeben”, sagt Zehnder.

Erdbeben, Moral und Geschäft – geht das zusammen?

Das Erdbeben vom 12. Januar hat auch Harry Zehnder getroffen. Rund 20 Verkaufsstellen wurden durch die Erschütterungen beschädigt oder zerstört. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) unterstützt “Eau Miracle” mit je 1800 Franken pro beschädigten Kiosk mit der Auflage, dass das Wasser nach der Instandstellung der Verkaufstellen für eine bestimmte Zeit verbilligt an die Konsumenten abgegeben werden muss.

Ist es moralisch anstössig, nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti Wasser zu verkaufen? Harry Zehnder sieht kein Problem: “Bei diesem Geschäft gibt es nur Gewinner. Wir sind die Einzigen, die den Wasserpreis seit fünf Jahren konstant halten”.

Der Schweizer Geschäftsmann glaubt, er leiste mit seiner Vertriebsmethode einen nachhaltigen Beitrag zur Ökologie des Landes. In Haiti werden Millionen von gebrauchten Plastikflaschen in ausgetrocknete Flussbeete geschmissen, die in der Regenzeit ins Meer geschwemmt werden.

Bekommt Harry Zehnder als Ausländer nicht die Wut der lokalen Wasserproduzenten zu spüren, wenn er Wasser günstiger anbietet? “Weil die einzelnen Verkaufskioske von Haitianerinnen und Haitianern betrieben werden und ich auch in meiner Wasseraufbereitungsfabrik weiteren Leuten Arbeit gebe, lässt man mich in Ruhe.”

Erdbeben und neue Geschäftsfelder

Wie hat sich das Wassergeschäft von Harry Zehnder seit dem Erdbeben entwickelt? “Ich verzeichne ein beträchtliches Wachstum”, freut sich Zehnder. Weil viele Erdbebengeschädigte Haus und Habe verloren und auch keinen Zugang zum Wasser mehr hatten, haben internationale Hilfs-Organisationen, unter ihnen auch die Deza, das Wasser subventioniert. “Ich garantiere für einwandfreies Wasser, das wir auch mit Silberjod behandeln, damit es stabil bleibt und Bakterien bekämpft, die sich in den Wasserbehältern der Kunden befinden könnten.”

Das Erdbeben kurbelt nicht nur das Geschäft von Harry Zehnder an; er sieht nach der Tragödie bereits neue Geschäftsfelder. Die Kioske “Eau Miracle” waren bisher Verkaufspunkte exklusiv für Wasser. “Das könnte sich ändern”, lässt Harry Zehnder durchblicken. Die im ganzen Land verstreuten Wasserstellen eigneten sich auch hervorragend für den Verkauf von Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs.

Erwin Dettling, Port au Prince, Haiti, swissinfo.ch

Bei der Umkehrosmose wird mit einer den Arbeitsdruck erzeugenden Pumpe belastetes Wasser durch eine synthetische, halbdurchlässige Membrane gepresst, die Wassermoleküle durchlässt, Unreinheiten des Eingangswassers jedoch nicht.

Auf der einen Seite der Umkehrosmose-Membrane sammelt sich reines Wasser, und auf der anderen Seite werden die Belastungsstoffe in den Abfluss geleitet, bzw. durch die automatische Rückspülung über den Abfluss entfernt.

Umkehrosmose wird überall dort eingesetzt, wo Wasser höchster Reinheit gefordert wird.

Nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 brach für Tage die Wasserversorgung zusammen. Die Menschen, vor allem in der 3-Millionen-Hauptstadt Port-au-Prince, sind nach wie vor von der Trinkwasserversorgung und Aufbereitung abhängig.

Bisher konnten Seuchen aufgrund der prekären Versorgung mit Trinkwasser vermieden werden.

Bereits vor dem Erdbeben war der Verkauf, Handel und die Aufbereitung von Trinkwasser ein lukratives Geschäft im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre.

Bevor Harry Zehnder mit seinem “Eau Miracle” Schlagzeilen machte, baute er in Haiti eine Firma für Wasserfilter auf.

Der Berner Oberländer beschäftigt in seinem Unternehmen “Eau Miracle” 40 Personen und arbeitet mit 600 Verkäufern an den Zapfstellen zusammen.

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