Schweizer Züge fahren wieder

Die SBB kehrten nach der grösten Panne in ihrer Geschichte am Mittwochabend langsam zur Normalität zurück.
Die ersten Linien nahmen ihren Betrieb gegen 20.15 Uhr wieder auf. Ein Spannungsabfall im gesamten SBB-Netz hatte über 100’000 Passagiere blockiert.
Nach dem rund zweistündigen völligen Zusammenbruch des Schweizer Bahnverkehrs wegen einer Strompanne sind am Mittwochabend um etwa 20.15 Uhr die ersten Züge wieder angefahren. Zuvor waren im Feierabendverkehr über 100’000 Bahnreisende gestrandet. Die Ursache der Panne war vorerst unbekannt.
Das Wieder-Anfahren des Bahnverkehrs war laut SBB-Sprecher Christian Kräuchi heikel. Die SBB versuchte, das Stromnetz von Zürich aus Sektor für Sektor wieder aufzuschalten. Die Züge mussten einzeln losfahren, damit das Netz nicht wieder zusammenbrach.
Die ersten Züge fuhren am Gotthard und im Tessin wieder an, anschliessend in der Innerschweiz, im Raum Zürich und in der Westschweiz. Auch die Züge der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) in Richtung Spiez-Lötschberg nahmen wieder Fahrt auf. Die Ostschweiz blieb vorerst ohne Strom.
Vom Blackout betroffen waren auch andere Bahnen. Bei der BLS gab es zeitweise einen Totalausfall. Bei der Matterhorn Gotthard Bahn, der früheren Furka-Oberalp-Bahn, fielen Züge zwischen Zermatt und Andermatt aus.
Sicher nach Hause
Erstes Ziel der SBB war es, alle Reisenden noch am Mittwochabend wieder nach Hause zu bringen. Ein SBB-Sprecher appellierte aber, wer nicht unbedingt den Zug benützen müsse, solle zu Hause bleiben.
Mit gewissen Einschränkungen wird auch am Donnerstag gerechnet. Man sei aber zuversichtlich, dass der Verkehr am Morgen fahrplanmässig anrollen werde. Verzögerungen dürfte es auch beim Lebensmitteltransport und bei der Postzustellung geben.
Ursache liegt im Tessin
Der Zusammenbruch hatte seinen Ursprung im Tessin, wo laut SBB-Infrastrukturchef Hansjörg Hess gegen 17.30 Uhr eine Netzstörung eintrat. Es gab Spannungsschwankungen und einen Spannungsabfall.
Kurz vor 18.00 Uhr hatte es geheissen, die Spannung habe nur noch 12’000 statt 15’000 Volt betragen. Um 17.45 Uhr fielen das Hoch- und das Niederspannungsnetz der SBB in der ganzen Schweiz aus. Die Ursache war am Abend völlig offen. Um eine Computerpanne scheint es sich jedoch nicht zu handeln.
Evakuierung mit Diesellokomotiven
In den zahlreichen stehengebliebenen Züge fielen die Klimaanlagen aus. Züge, die unterwegs waren, fuhren – sofern es die noch vorhandene Spannung zuliess – in den jeweils nächsten Bahnhof. Die Züge in den Tunnels wurden mit Hilfe von Diesellokomotiven evakuiert.
Für Licht und Türantriebe haben die Personenwagen noch eine eigene Batterie. Schliesslich gibt es Notmechanismen, um Türen ohne Strom zu öffnen.
Bus zum Flughafen
Intensiv suchten die SBB-Verantwortlichen während der Panne nach Ersatzbussen. Damit niemand den Flug verpasste, wurde bereits früh ein Ersatzbus zum Flughafen Zürich eingerichtet. Der Flughafen meldete denn auch nicht mehr Flugverpasser als gewöhnlich.
Beispiel Bahnhof Bern
Im Bahnhof Bern warteten hunderte Menschen vor einer ungültigen Anzeigetafel. Weiter suchten viele nach Mitpassagieren, um ein Taxi zu teilen.
Eine «gestrandete» Frau sagte gegenüber swissinfo, sie sei überrascht, «dass in der Schweiz überhaupt so etwas geschehen konnte».
Ein anderer Pendler gab sich philospohisch: «Solche Sachen geschehen. Glücklicherweise bin ich nicht in Eile, aber ich fühle mit den anderen Pendlern.»
swissinfo und Agenturen
Die SBB befördern pro Tag im Schnitt mit 9000 Zügen rund 700’000 Personen. Etwa 2200 Güterzüge befördern zudem 160’000 Tonnen Fracht.
Mit über 28’000 Angestellten sind die SBB eine der grössten Arbeitgeberinnen der Schweiz. Das Streckennetz ist rund 3000 Kilometer lang und umfasst gegen 800 Bahnhöfe.
Hinzu kommen Dutzende von Regional- und Privatbahnen. Das Schweizer Schienennetz umfasst gut 5100 Kilometer in Normal- und Schmalspur.
Einen landesweiten Ausfall des SBB-Stromnetzes hat es bislang noch nie gegeben. Zu «Black-Outs» ist es in den letzten Jahren aber in der Westschweiz gekommen.
Die SBB betreiben seit der Elektrifizierung der Strecken ein eigenes Stromnetz. Die Stromfrequenz beträgt 16,7 Hertz. Das ist nur ein Drittel des Wertes im normalen Landesnetz.
Um Strom von anderen Kraftwerken zu beziehen, schalten die SBB deshalb jeweils ein Umformerwerk dazwischen.
Die Signalanlagen werden sowohl vom Landesnetz als auch vom Bahnstromnetz gespiesen. In der Regel können deshalb Dieselloks verkehren.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch