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Eigene Gräberfelder für Moslems und Juden

Es gibt immer mehr Friedhöfe in der Schweiz, die anderen Konfessionen eigene Gräberfelder zur Verfügung stellen. Nach Genf, Bern und Basel plant nun auch Zürich, den Moslems auf Anfang 2003 ein gesondertes Gelände zur Verfügung zu stellen.

Die Zahl der Menschen moslemischen Glaubens hat sich in der Schweiz von 1990 bis 2000 von 152’217 auf 310’000 verdoppelt. Die wachsende moslemische Gemeinschaft rufe nach Lösungen, erklärte die Mehrheit der kantonalen Verantwortlichen.

Genf war 1978 der erste Kanton, der seiner moslemischen Bevölkerung auf dem Friedhof Petit-Saconnez ein Areal zur Verfügung stellte. Inzwischen ist der Platz zu klein. Diesen Herbst werden auf dem Friedhof St. Georges ein weiteres moslemisches sowie ein jüdisches Gräberfeld verfügbar sein.

Bern und Basel haben ihre Moslem-Abteile im Jahr 2000 geöffnet. Das Feld im Berner Friedhof Bremgarten bietet Platz für 250 Gräber, jenes des Basler Friedhofs Hörnli für 30. In Zürich müssen sich die Moslems noch bis Anfang 2003 gedulden, bis ihnen in Witikon ein eigenes Gräberfeld offensteht.

Keine Antwort in Lausanne

Diskussionen sind auch in Lausanne und in Neuenburg im Gang. Die Vereinigung «L’amicale Swiss Muslim 1421» hatte sich Anfang Jahr brieflich bei den Lausanner Behörden nach der Möglichkeit erkundigt, das Recht auf eine Friedhofparzelle zu erwerben. «Wir haben immer noch keine Antwort erhalten», sagt Jérôme Michel, Präsident des Freundeskreises.

«Ich bin in der Schweiz geboren, und ich habe immer hier gelebt. Da ich mich zum Islam bekehrt habe, kann ich mir schlecht vorstellen, anderswo begraben zu werden», sagt er. Eine Beisetzung nach moslemischem Ritual unterliegt zahlreichen Regeln. Dazu gehört unter anderem die Ausrichtung des Leichnams nach Mekka.

Das bisherige Manko an geeigneten Grabstätten veranlasste zahlreiche Moslems, die sterblichen Überreste zu repatriieren. Keine billige Sache bei Kosten zwischen 10’000 und 12’000 Franken, wie Mouwafac El-Rifai vom Islamischen Zentrum in Lausanne erklärt.

Politischer Wille da

Hafid Ouardiri von der islamischen Kulturvereinigung in Genf begrüsst den immer stärkeren politischen Willen in der Schweiz, den Moslems Plätze zur Verfügung zu stellen, wo sie ihre Verstorbenen gemäss eigenen Riten beerdigen können. «Wir leben zusammen. Es ist wichtig, dass jeder das Leben des andern respektiert.»

Doch die Schaffung von abgesonderten Plätzen für gewisse Konfessionen stösst nicht nur auf Gegenliebe. Sami A. Aldeeb Abu-Sahlieh, Professor für vergleichende Rechtswissenschaft in Lausanne, widersetzt sich dem Gedanken angesichts des Grundprinzips der Gleichheit der Menschen vor dem Tod.

Das Schweizer Gesetz erlaube es, dass Juden und Moslems Seite an Seite mit Christen beerdigt werden könnten. «Wieso braucht es denn separate Abteilungen?», fragt sich der Jurist. Die Bundesverfassung unterstellte die Friedhöfe bereits 1874 der Zivilregierung, um Zwietracht zwischen Protestanten und Katholiken zu vermeiden.

Kein Integrationswille

Der Professor sieht in der Weigerung gewisser Gläubigen, sich zwischen Verstorbenen anderer Religionen beerdigen zu lassen, ein Defizit an Integrations-Bemühungen. Er befürchtet, dass dies der Auftakt für weitere religiöse Forderungen sein könnte.

Auch der ehemalige Bürgermeister von Genf, Michel Rossetti, ist gegen die Schaffung von speziellen Konfessionsabteilungen auf den Friedhöfen. Im Vorwort eines Buches, das er darüber schrieb, heisst es: «Um den konfessionellen Frieden zu wahren, muss jeder akzeptieren, in der gleichen Reihe beerdigt zu werden.»

swissinfo und Jean-Yves Clémenzo (sda)

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