Papst: Missfallen an politischen Entscheiden

Papst Benedikt XVI. hat gesellschaftliche Entwicklungen kritisiert, die in der Schweiz zu neuen Gesetzen im Bereich von Familie, Ehe und Leben geführt haben.
In diesem Sinne äusserte er sich gegenüber dem neuen Schweizer Botschafter beim Vatikan, Jean-François Kammer, als dieser sein Beglaubigungsschreiben übergab.
Papst Benedikt XVI. hat am Donnerstag das am 5. Juni gutgeheissene Schweizer Partnerschaftsgesetz kritisiert, ohne es namentlich zu nennen. Er äusserte die Kritik bei der Übergabe des Beglaubigungs-Schreibens des Schweizer Botschafters im Vatikan, Jean-François Kammer.
Wie auch andere europäische Länder habe die Schweiz unter dem Einfluss des technologischen Wandels und der öffentlichen Meinung eines Teils ihrer Bürger neue Gesetze erlassen, die an den Respekt von Familie und Leben rührten, sagte der Pontifex.
Recht zu intervenieren
Diese Gesetze beträfen schwierige Fragen wie die Fortpflanzung, Krankheit, Tod und eben auch Ehe und Familie. Die päpstliche Anmahnung richtetet sich neben dem am 5. Juni gutgeheissenen Partnerschaftsgesetz auch gegen das Stammzellen-Forschungsgesetz, das der Souverän im November 2004 verabschiedet hatte.
Dieses Gesetz erlaubt die Forschung an künstlich gezeugten Embryonen, welche nicht für eine Schwangerschaft gebraucht werden. Weiterer Kritikpunkt war die Sterbehilfe in der Schweiz. Passive Sterbehilfe, der Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen also, ist in der Schweiz zugelassen.
Der Papst verteidigte das Recht der Kirche, zum Schutz des Respekts der Ehe und des Lebens zu intervenieren. Die katholische Kirche habe sich über ihre Bischöfe bereits klar zu diesen Fragen geäussert, die fundamentale Werte beträfen, sagte der Papst weiter.
Sie werde dies auch weiterhin jedes Mal tun, wenn dies nötig sei, um an die Würde des menschlichen Lebens zu erinnern.
Vorsichtige Sprache
Der Papst habe das vom Stimmvolk angenommene Partnerschaftsgesetz oder das Stammzellengesetz nicht namentlich genannt, sagte Amédée Grab, der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz im Westschweizer Radio.
«Der Papst hat nur die heiklen Lebensfragen angesprochen und gegenüber dem Botschafter die Sorge der Kirche angesichts diverser gesellschaftlicher Entwicklungen ausgedrückt», sagte Grab.
Erst seit einem Jahr «normale» Beziehungen
Der Papst forderte die Schweiz im Weiteren auf, ein weltoffenes Land zu bleiben, ihren Platz in Europa zu wahren und ihre Stärken zu Gunsten der Menschheit zu nutzen. Auch solle das Land für alle offen bleiben, die in ihm Zuflucht oder Arbeit suchten, sagte der Papst bei der Audienz weiter.
Der 59-jährige Jean-François Kammer ist seit Januar 2005 Botschafter in Prag und vertritt die Schweizer Interessen auch im Vatikan-Staat. Er trat die Nachfolge von Hansrudolf Hoffmann an, der seit Mai 2004 die Schweiz ebenfalls von Prag aus beim Papst vertreten hatte.
Die Schweiz normalisierte ihre diplomatischen Beziehungen zum Vatikan erst 2004. Anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. hatte der Bundesrat bekannt gegeben, dass Hoffmann, bis zu dem Zeitpunkt «Botschafter in Sondermission», zum offiziellen Botschafter ernannt werde.
Rücksicht auf Protestanten
Bis dahin hatte die Schweiz keine eigene Vertretung beim Vatikan unterhalten. Der Vatikan war seit 1579 durch einen päpstlichen Gesandten (Nuntius) in der Schweiz vertreten. Dieser wurde aber 1873 ausgewiesen. Erst 1920 wurde wieder eine Nuntiatur eröffnet.
Aus Rücksicht auf die protestantische Bevölkerung verzichtete der Bundesrat aber auf die Eröffnung einer Schweizer Vertretung im Vatikan.
Erst Ende 1991 wurde Botschafter Jeno Staehelin im Zusammenhang mit der Auseinandersetzungen um den Churer Bischof Wolfgang Haas zum Botschafter in Sondermission beim Vatikan ernannt. Später wurden Botschafter in Wien respektive Prag mit der Sondermission beim Vatikan beauftragt.
swissinfo und Agenturen
Am 5. Juni haben die Schweizer Stimmberechtigten das Gesetz über die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare angenommen.
Die so genannte eingetragene Partnerschaft sorgt für die Gleichstellung im Steuer- und Sozialrecht. Verboten bleibt weiterhin die Adoption und künstliche Zeugung von Kindern.
Vergangenen November akzeptierten die Stimmberechtigten auch das Stammzellen-Gesetz. Es erlaubt Forschern, Stammzellen aus so genannten überzähligen Embryonen zu gewinnen.
Jean-François Kammer ist 59 Jahre alt und seit Januar 2005 Botschafter der Schweiz in Prag. In dieser Funktion vertritt er gleichzeitig die Schweiz beim Vatikan.
Die Nomination von Kammer normalisiert die Beziehungen der Schweiz zum Vatikan.
Aus Rücksicht auf die protestantische Bevölkerung der Schweiz verzichtet die Schweizer Regierung auf eine direkte Vertretung im Vatikan.

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