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Das ungesäuerte Brot aus der Klosterbäckerei

Die fertig verarbeitete Hostie wartet auf ihre Abnehmer. swissinfo.ch

Ungesäuertes Brot wird bei der Eucharistie und dem Abendmahl den Gläubigen als ritueller Leib Gottes zur Erinnerung an die Erlösung durch Jesus verwendet. In der Hostienbäckerei des Klosters "Namen Jesu" in Solothurn wird das Gebäck hergestellt.

Es ist halb neun morgens. In Solothurn schneit es und es ist kalt. Das Kloster “Namen Jesu” steht seit 400 Jahren am Rande der Stadt. Solange wird hier Hostie gebacken.

An der Pforte ist niemand. Das Gitterfenster bleibt zu. Als Klingel dient ein Holzkreuz, das man sich kaum anzufassen getraut. “Stark ziehen”, steht angeschrieben.

Schliesslich erscheint eine Angestellte der Kapuzinerinnen. Sie trägt keine Klostertracht, sondern Jeans. Und sie hat ein Telefon bei sich.”Schwester Priska erwartet Sie”, sagt sie leicht misstrauisch.

Einmal pro Woche ist Backtag

Schwester Priska führt mich in einen grossen Raum, der an eine alte Küche erinnert. An der Wand steht ein Gestell, auf dem Plastiksäcke und Behältnisse in verschiedenen Grössen stehen, einige sind leer, die meisten aufgefüllt.

Hellbraune Plättchen, ungefähr so gross wie ein Fünfliber, befinden sich darin, tausende und abertausende. Es sind Hostien, abgewogen und verpackt. Sie werden in den nächsten Tagen an über 200 Kunden verschickt. Die Kunden sind Kirchgemeinden, die meisten aus der Schweiz.

“Vor Weihnacht und vor Ostern”, sagt Schwester Priska, die die Hostienbäckerei leitet, “gehen mehr Bestellungen ein als sonst.” Übers Ganze gesehen jedoch nehme der Verbrauch an Hostien ab, seit Jahren. Der Verkauf von Hostien ist ein Teil des Einkommens des Klosters.

15 Nonnen leben im Kloster Namen Jesu. Die jüngste sei 53 Jahre alt. Das Durchschnittsalter liegt bei 75 Jahren. Drei Personen hat das Kloster zusätzlich angestellt, eine davon ist die “Frau für alles”, die mich an der Pforte eingelassen hat. Am Betrieb der Hostienbäckerei beteiligen sich unterschiedlich viele Schwestern und Angestellte. Einmal pro Woche wird gebacken.

Im hinteren Teil des Gebäudes, zwei tiefliegende Türrahmen später, in einem hellen Zimmer mit Sicht auf den Klostergarten befindet sich die Backstube für die Hostien. Schwester Therese, die hier zum Rechten schaut, freut sich über den Besuch. In der Backstube ist es heiss und laut. Dampf liegt in der Luft. Ein zischendes Geräusch durchdringt in regelmässigen Abständen den Raum.

Am Morgen früh habe sie den Teig gemacht, erzählt Schwester Therese, Wasser und Mehl, in einem bestimmten Verhältnis. Sonst nichts. Hostie ist ein ungesäuertes und ungesalzenes Gebäck.

Der Teig, der in riesigen Kunststoffeimern angerührt wird, muss vor der Verarbeitung etwas ruhen. Um halb acht beginnt das Backen, um halb zwei sei der Teig aufgebraucht. Schwester Therese bindet sich eine weisse Schürze um und zieht Handschuhe an.

Fast wie ein Brezeleisen

Mitten im Raum steht eine etwas seltsam anmutende Maschine, eine Art elektrisches Brezel- oder Wafffeleisen mit Endlosfunktion, ohne Prägung. Es gebe in Deutschland eine Firma, die auf die Herstellung von Hostieneisen spezialisiert sei, erklärt Schwester Therese, von dort stamme diese Maschine.

Auf 12 Platten werden sechs Stunden lang ununterbrochen Hostien in A4-Grösse gepresst, ungefähr 2 Millimeter dick, und gebacken. Der Teig wird automatisch auf eine der Platten gegossen, immer gleich viel und immer am gleichen Ort.

Bevor der Teig im Ofen eineinhalb Minuten gebacken wird, wird er von einer Platte der gleichen Grösse zusammengepresst. In Handarbeit werden die frischen, noch heissen Platten vom Eisen abgelöst. Ab und zu zerbricht eine, wenn sie kleben bleibt.

“Es braucht viel Konzentration, um die frisch gebackenen Platten vom Eisen abzulösen”, sagt Schwester Therese, “normalerweise sprechen wir in diesem Raum nicht miteinander.”

Die Maschine läuft sechs Stunden durch, deshalb müssen von Zeit zu Zeit bei laufender Produktion die Unterlagen gereinigt und etwas nachgefettet werden. Dies ist ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Das Band bewegt sich schnell.

Schwester Therese hat im Kloster noch andere Aufgaben. Sie ist die Sakristanin, die die Kirche in Ordnung hält. Das mache sie sehr gerne, erzählt sie. Am Backtag jedoch, heute, übernimmt eine andere Frau den Dienst in der Kirche.

Nach dem Abkühlen müssen die gebackenen Hostien wieder befeuchtet werden. “Würde man sie frisch gebacken ausstanzen, würden die meisten gleich zerbrechen”, sagt Schwester Priska. In einem kleinen Raum, hinter dicken Klostermauern und einem vergitterten Fenster werden die A4-grossen Scheiben einzeln aufgestellt.

Acht mal sieben Löcher stanzen

Befeuchtet werden sie mit Luftbefeuchern. “Je nachdem, wie gross die Luftfeuchtigkeit draussen ist, müssen wir die Hostien länger oder weniger lang befeuchten”, sagt Schwester Priska. Lasse man die Hostien zu feucht werden, könnten sie ebenfalls nicht mehr ausgestanzt werden, weil sie dann zusammenkleben. Bei Schneefall, wie heute, ist die Luftfeuchtigkeit eher hoch.

Zum Stanzen werden die Hostien aufeinander in eine A4-grosse Holzkiste gelegt.Je nach Grösse der Hostie kann der Aufsatz ausgewechselt werden. “Die kleinsten sind für die Gläubigen, die mittleren für die Priester und die grössten sind Hostien für Konzelebrationen, wenn mehrere Priester zusammen die Eucharistie abhalten”, erklärt Schwester Priska.

“Acht mal sieben Löcher stanzen wir für die kleinen Hostien”, man müsse sehr genau arbeiten. Das Messer der Stanzmaschine dreht sehr schnell und ist gut geschliffen. Die runden Plättchen werden in einem Bottich gesammelt.

Eine der aufwendigsten Arbeiten ist das Erlesen dieses Bottichs. “Wir wollen keine zerbrochenen Hostien liefern”, sagt Schwester Paula bestimmt. Sie ist für das Erlesen und das Abfüllen der Hostien zuständig. In einem kleinen Nebenraum wägt sie die Hostien je nach Bestellung ab. Hostien werden nach Anzahl Stück verkauft. Auch Schwester Paula freut sich, dass sich jemand für die Arbeit in der Hostienbäckerei interessiert.

Nun werden die Hostien nur noch verpackt und verschickt. Manche Kirchgemeinden in der Nähe holen sie persönlich im Kloster ab. Bevor das Gebäck seiner Bestimmung zukommt, wird es von Klerikern geweiht. Bis dahin ist es nichts als ungesalzenes Brot.

Eveline Kobler, swissinfo,ch, Solothurn

400 Jahre Kloster Namen Jesu
Das Kloster in Solothurn konnte dieses Jahr das 400-Jahr-Jubiläum feiern.
Die dazugehörige Austellung im Museum Blumenstein in Solothurn wurde am 5. Dezember bis Ende März 2010 verlängert.

Die Schwesterngemeinschaft wurde 1609 gegründet. Sie richtet ihr Leben nach dem Vorbild des hl. Franziskus von Assisi und der hl. Klara, die versuchten dem armen Jesus nachzufolgen.

Es ist eine Lebensgemeinschaft: Zur Zeit leben im Kloster 15 Schwestern und teilen miteinander Freud und Leid. Das Durchschnittsalter beträgt 75 Jahre. Das Kloster nimmt auch Gäste auf, die für einige Tage, die Stille und Besinnlichkeit suchen.

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