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Gewerkschaften verlangen Weiterbildung für alle

Gut ausgebildete Arbeitnehmende sind für die Gewerkschaften das wichtigste Kapital einer Unternehmung. Keystone

Weiterbildung im Beruf soll künftig zur Pflicht werden. Dies verlangt der Gewerkschaftsdachverband und will damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Schweiz stärken.

Die verlangten drei obligatorischen Weiterbildungstage pro Jahr stossen bei den Arbeitgebern allerdings nicht auf Gegenliebe. Sie wehren sich gegen eine gesetzliche Regelung.

Der Gewerkschafts-Dachverband Travail.Suisse will für alle Arbeitnehmenden drei obligatorische Weiterbildungstage pro Jahr im neuen Weiterbildungsgesetz verankern.

Denn Weiterbildung muss nach Ansicht des Dachverbandes ein fester Bestandteil der Erwerbsarbeit werden. “Der technische Fortschritt schreitet schnell voran und nagt an der beruflichen Fachkompetenz des Einzelnen”, sagte Travail.Suisse-Präsident Hugo Fasel an einer Medieninformation in Bern.

Dank der obligatorischen Weiterbildung werde die Schweizer Wirtschaft insgesamt wettbewerbsfähiger, denn sie könne auf leistungsfähigere Mitarbeitende zählen.

Langfristige Planung nötig

Gemäss Fasel muss Weiterbildung langfristig geplant werden. Diese Planung wie auch der Wissenstransfer aus den Weiterbildungen könne in den Betrieben Innovationsprozesse auslösen.

Nach Darstellung des Dachverbandes ist die Schweiz in Bezug auf die berufliche Weiterbildung ein “geteiltes Land”: Derzeit profitierten vor allem gut ausgebildete Männer in guten Positionen davon. Rund 40% der Erwachsenen in der Schweiz beteiligten sich an Weiterbildungen.

Grosse Lücke bei der Chancengleichheit

Auch wo Gesamtarbeitsverträge mit verbrieftem Recht auf Weiterbildungstage existieren, klafft gemäss Nationalrat Fasel (Grüne/FR) eine grosse Lücke zwischen dem Recht auf und der tatsächlich wahrgenommenen Weiterbildung.

Laut Susanne Blank, Leiterin Wirtschaftspolitik beim Dachverband, muss berufsorientierte Weiterbildung vor der Arbeitslosigkeit kommen. Mit seinem Vorschlag will Travail.Suisse somit die Chancengleichheit der Arbeitnehmenden auf Weiterbildung erhöhen.

Arbeitgeber nicht einverstanden

Gegen eine gesetzliche Regelung im Weiterbildungs-Bereich wehren sich die Arbeitgeber – so auch Thomas Daum, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Gegenüber swissinfo sagte er: “Weiterbildung ist ein Thema für die Unternehmen und Gesamtarbeitsverträge. Gesetzliche Vorschriften sind für dieses Thema zu pauschal und zu standardisiert.”

Der Arbeitgeberverband sei nicht gegen Weiterbildung. “Er erwartet aber, dass sich auch der Einzelne dafür anstrengen soll.”

Und Christine Davatz, Vizedirektorin des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), ist der Ansicht, die gesetzliche Verankerung würde die Kontrolle und Ausrichtung der Weiterbildung erschweren. Wenn in den Betrieben tatsächlich Weiterbildungsbedarf bestehe, seien auch kleine und mittlere Unternehmen damit nicht zurückhaltend.

Bildungsverfassung

Die Travail.Suisse-Forderung steht im Zusammenhang mit der neuen Bildungsverfassung, die im Mai 2006 vom Volk gutgeheissen wurde. Darin ist die gesetzliche Regelung der Weiterbildung vorgesehen.

Eine Diskussion im Bundesrat ist noch in diesem Jahr geplant, wie Evelyn Kobelt, Sprecherin des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements, sagte.

Dabei gehe es vor allem um die Frage, ob es für die Weiterbildung ein eigenes Gesetz brauche oder ob das Anliegen in bestehenden Erlassen integriert werden könne.

Das Schweizer Stimmvolk hatte den Bildungsverfassungsartikel im Mai 2006 mit über 85% gutgeheissen.

swissinfo und Agenturen

Der Bund muss eine zusammenhängende Bildungspolitik fördern:

Die neuen Bildungsartikel, die in einer eidg. Abstimmung im Mai 2006 von 85% der Stimmberechtigten gutgeheissen wurden, verlangen vom Bund und den Kantonen, ihre Aktionen zu koordinieren und im Bereich der Bildung, von der Grundschule bis zu Universität, zusammen zu arbeiten.

Im Herbst dürfte der Bundesrat dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) den Auftrag zur Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes erteilen.

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