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Der Bio-Agrarkonzern in der ägyptischen Wüste

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Anbau von Kräutern, Früchten, Gemüse und Baumwolle. Bildung, Forschung und medizinische Versorgung: Sekem entwickelt sich aus einer Bio-Farm zum Konzern. Auf ihrer Ägypten-Reise besuchte Volkswirtschafts-Ministerin Doris Leuthard den Pionierbetrieb.

Das Gelände liegt 60 Kilometer nordöstlich von Kairo, mitten in der Wüste. Es ist 500 Hektaren gross, entspricht also einer Fläche von rund 1000 Fussballfeldern.

Hier werden Bio-Produkte angebaut, verarbeitet und vertrieben. Sekem, das sind aber auch Schulen, vom Kindergarten bis zur Universität, ein Forschungszentrum und eine Tagesklinik.

Finanzdirektor Helmy Abouleish empfängt den Konvoi mit den Gästen aus der Schweiz an einem der zahlreichen Eingänge. Normalerweise brauche man zwei Tage für einen Besuch, erklärt er.

Die Schweizer Volkswirtschaftsministerin hat aber nur zwei Stunden eingeplant. Deshalb steigen sie und ihre Begleiter schleunigst wieder in die Fahrzeuge ein.

Auf den Feldern liegen mehrere hundert Meter lange Haufen von strohartigen Abfällen. «Das sind Reispflanzen. Die werden kompostiert», erklärt Abouleish.

Dahinter schichten Bagger die Kompostmassen um, die langsam verroten. Die Vererdung des Geländes basiert vollumfänglich auf Kompostierung. Dazu gehört auch die Viehzucht. Hunderte von Kühen stehen in Ställen an der frischen Luft. Ihr Kot wird als Dünger dem Kompost beigemischt.

Später hält der Konvoi vor der Tagesklinik. «Hier betreuen wird die rund 35’000 Menschen, die in den umliegenden Dörfern wohnen, und unsere Mitarbeiter», sagt Yvonne Fluoride, Leiterin der Schulen und der medizinischen Versorgung.

Potenzial noch nicht ausgeschöpft

«Ohne Kooperation mit Europa hätten wir das hier nie geschafft», sagt Sekem-Gründer Ibrahim Abouleish am Schluss des Blitzbesuchs. Doris Leuthard sagt, der Besuch habe tiefe Eindrücke hinterlassen.

Sie erinnert an das Freihandelsabkommen zwischen Ägypten und den Efta-Staaten, zu denen auch die Schweiz gehört, das im Sommer 2007 in Kraft getreten ist: «2008 haben die beiden Länder von den besseren Bedingungen profitiert, doch ein grosser Teil des Potenzials im Handel, im Tourismus, und in der Landwirtschaft ist noch nicht ausgeschöpft.»

Bisher liefert Sekem in die Schweiz vor allem Bio-Baumwolle zur Herstellung von hochwertigen Teppichen. Der wichtigste europäische Absatzmarkt (vor allem Heilkräuter) ist Deutschland.

Gewinne finanzieren Bildung und Forschung

Der 70-jährige Ibrahim Abouleish wurde 2003 mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Er studierte in Graz und arbeitete in Österreich in einem Pharmakonzern, bevor er 1977 in sein Heimatland zurückkehrte und Sekem gründete. Bis heute beteiligen sich europäische Agraringenieure und Ärzte am Aufbau der Vision des Pharmakologen.

Die Vision, das ist laut Abouleish «ein nachhaltiger Entwicklungsweg für die ägyptische Gesellschaft» unter Berücksichtigung des Respekts vor der Natur und den Menschenrechten.

Konkret heisst das: Die Gewinne aus Landwirtschaft und Handel finanzieren die entwicklungspolitischen Ziele der hauseigenen Stiftung für Bildung, Medizin, Forschung und Kultur. Sekem ist nach den Regeln des fairen Handels zertifiziert.

Rosinen aus der Anthroposophie

Begonnen hat alles mit einer Bio-Farm. «Damals haben mich hier alle ausgelacht und gesagt, das könne nie funktionieren», sagt Abouleish heute mit Blick auf die Erfolgsgeschichte: Der Konzern beschäftigt 2000 Mitarbeitende und arbeitet eng mit 50 ägyptischen Bio-Bauern zusammen.

Während seiner Zeit in Österreich begeisterte sich Abouleish für die Lehre von Rudolf Steiner, also für die christlich geprägte Anthroposophie. Noch heute produziert der Konzern teilweise nach den biologisch dynamischen Regeln des anthroposophischen Demeter-Labels.

Tagesklinik und die Schulen hingegen orientieren sich an der islamischen Kultur. Bei der medizinischen Versorgung dominiert die Schulmedizin über die anthroposophische Medizin. «Wir picken uns die Rosinen aus der Anthroposophie heraus», sagt dazu Yvonne Floride.

swissinfo, Andreas Keiser, Kairo

Bundesrätin Doris Leuthard reist vom 2. bis 6. Februar in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation nach Ägypten.

Themen sind die Auswirkungen des im August 2007 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens zwischen der Efta und Ägypten und die Marktchancen für Schweizer Unternehmer.

Leuthard will auch die Verhandlungen zur Aufwertung des Investitionsschutz-Abkommens aus dem Jahr 1973 vorantreiben.

In Kairo trifft sich die Volkswirtschaftsministerin mit mehreren ägyptischen Ministern.

In Alexandria wird Leuthard das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unterstützte «National Customs Training Center» eröffnen.

Das Schweizer Parlament hat im Dezember 2008 Ägypten als Schwerpunktland der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit bestätigt.

Die Schweiz exportiert insbesondere pharmazeutische Erzeugnisse, Maschinen, chemische Grundprodukte, Uhrmacherwaren sowie optische und medizinische Instrumente nach Ägypten.

In den ersten elf Monaten 2008 beliefen sich die Ausfuhren auf 577 Millionen Franken, die Importe auf rund 25 Mio. Fr.

Die wichtigsten Exportprodukte Ägyptens sind: Öl- und Gasprodukte, Rohöl, Baumwolle, Textilien, Aluminium, Eisen- und Stahlprodukte sowie der Tourismus.

In der Schweiz leben 1600 Ägypter.

In Ägypten leben 1400 Schweizer.

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