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Die ETH plant den europäischen Campus

Mehr Spitzenforscher für die ETH erhofft sich der geistige Vater der Science City, Gerhard Schmitt. swissinfo.ch

Mit seiner Vision von einer Science City will Gerhard Schmitt der ETH Zürich die Position unter den weltbesten Hochschulen sichern.

Im Gespräch mit swissinfo erklärt der Vizepräsident der ETH, wie er Spitzenforscher auf den Hönggerberg locken will.

swissinfo: Was ist das Visionäre an Science City?

Gerhard Schmitt: Science City wird für Europa einen Weg finden, Leben und Arbeiten auf einem neuen Hochschulcampus zu kombinieren. Wir werden dafür einige gute Dinge aus dem angelsächsischen Raum übernehmen, aber auch spezifisch europäische Elemente miteinbauen.

swissinfo: Wie unterscheidet sich ein Campus europäischer Ausprägung von einem typisch britischen oder amerikanischen?

G.S.: Die ETH hat seit dem Beginn des Projekts Wert auf einen regen Austausch mit der Bevölkerung gelegt. Dieses neue Quartier für Denkkultur wird der Bevölkerung und der ETH gemeinsam gehören. Der Dialog zwischen Bevölkerung, Wissenschaft und ETH, der wird ziemlich einzigartig sein.

swissinfo: Dieser Leitgedanke kommt in dem Namen Science City nicht wirklich zum Ausdruck. Wissenschaftsstadt spricht eher von Abkapselung als von Austausch.

G.S.: Da haben sie absolut recht. Wir hatten Science City als Arbeitstitel für unser Projekt gewählt. Sobald wir damit jedoch in die Öffentlichkeit traten, griffen die Medien ihn auf. Danach kamen wir nicht mehr los von dem Begriff. “Stadtquartier für Denkkultur in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung erstellt” wäre der richtige Titel, aber der ist zu lang. Deshalb blieben wir bei Science City.

swissinfo: Ist die Campus-Idee im neuen Zeitalter der Informationstechnologie noch aktuell?

G.S.: Sie ist absolut aktuell. Natürlich können die Leute virtuell über den Computer kommunizieren, das tun sie auch in grosser Zahl. Es gibt aber trotzdem noch einen qualitativen Unterschied zu der realen Zusammenarbeit in einem Gebäude. Unsere Erfahrung mit ETH World, der virtuellen Universität, zeigt, dass es die Kombination von Hochtechnologie mit realen Begegnungen in physisch sehr guter Architektur ist, was eine Spitzenuniversität braucht. Wir wollten nie zur Fern-Universität werden.

swissinfo: Wollen die Studierenden überhaupt auf dem Hönggerberg wohnen, wenn knapp 10 Kilometer weit weg ein breites kulturelles Angebot lockt?

G.S.: Wir wollen hier ein Stadtquartier für Denkkultur schaffen, keine Partystadt. Unter 40’000 Studierenden werden 1000 leicht zu finden sein, die hier oben wohnen wollen. Das ergab auch eine Umfrage unter Studierenden. Bei Science City geht es also nicht um Party und Freizeit, sondern um Denk- und Lernkultur, um eine neue Art des Studierens.

swissinfo: Wie haben Sie diesen Austausch mit der Bevölkerung bisher erfahren?


G.S.: Eigentlich sehr positiv. Der Austausch findet statt, wenn der Informationsbedarf und der Informationslevel auf beiden Seiten in Gang kommt. Das ist immer eine mühsame Geschichte. Der Dialog kommt nicht von selbst. Man muss ihn wirklich Eins zu Eins erarbeiten. In den letzten 15 Monaten haben das alle von der ETH gelernt. Meines Wissens hat die ETH in den letzten Jahren noch nie so oft mit der Bevölkerung gesprochen wie jetzt. Dieses Projekt war einer der Hauptauslöser dafür.

swissinfo, Nicole Aeby

1855 wird die ETH im Zentrum von Zürich eröffnet.
1959 wird der Platz in der Innenstadt knapp. Auf dem Hönggerberg, 12 km nordwestlich des Zentrums, erwirbt die ETH Bauland für einen zweiten Standort.
1960 entstehen dort einzelne Institutsgebäude für Physik und Biologie.
1971 kommt im Zuge einer zweiten grossen Ausbauetappe ein Komplex für Architektur und Bauwissenschaften hinzu.
1996 – 2004 entsteht ein fünfgliedriges Gebäude für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaft.
2005 – 2010 soll aus dem Hochschulkomplex eine Science City werden.

Gerhard Schmitt ist Professor für Architektur und Computer Aided Architectural Design (CAAD) an der EHT-Architekturabteilung.

Seine Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung intelligenter Entwurfsunterstützungs-Systeme und auf die architektonische Planung des Informations-Territoriums.

Seit April 1998 ist er Vizepräsident für Planung und Logistik der ETH Zürich.

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